Die ältesten Bodenfunde in Lauerz wurden 1960 auf der Insel Schwanau ausgegraben, wo man Keramikfragmente aus prähistorischer und römischer Zeit fand (s. Kapitel Schwanau). Auf der Insel soll auch eine Münze aus der Zeit des römischen Kaisers Tiberius (14 – 37 n. Chr.) gefunden worden sein.1STASZ: SG.CIX.50.4.10.2, sowie P. Emanuel Scherer, Die vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Altertümer der Urschweiz, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 27 (1924), S. 218 (30) Wir dürfen davon ausgehen, dass die Schwanau bereits in der Bronzezeit, um ca. 1200 vor Christi Geburt2Valentin Kessler, Vom Steinbeil zur Zimmermannskunst – Archäologische Streiflichter im Kanton Schwyz, in Archäologie Schweiz, Heft 35 (2012), S. 36, möglicherweise sogar in der Jungsteinzeit, begangen wurde. Auf dem restlichen Gemeindegebiet von Lauerz fanden bisher keine archäologischen Ausgrabungen statt, weshalb bisher keine nennenswerten Funde zu Tage traten. Zu erwähnen sind an dieser Stelle noch zwei mittelalterliche Fundstücke aus dem Lauerzersee, die im Jahr 1963 während dem Bau der Strassenbrücke beim Auslauf des Lauerzersees in die Seeweren zu Tage gefördert wurden. Es handelt sich dabei um ein mittelalterliches Schwert und einen Dolch, welche wohl beide aus dem beginnenden 13. Jahrhundert, sprich den Anfängen der Eidgenossenschaft, stammen. Sowohl das Schwert, als auch der Dolch dürften einem Adligen gehört haben.3Hugo Schneider, Schwert und Dolch aus der Zeit der Schlacht am Morgarten, 1315, in Mitteilungen, Heft 57 (1964), S. 137 – 146
Aus der Bronzezeit stammen ein im Nachbarort Steinen gefundener Dolch, eine Nadel und Keramikfragmente.4Thomas Cavelti, Philipp Wiemann, Ursula Hügi, Neolithikum und Bronzezeit, in Geschichte SZ, S. 88 Im Winter 1921, als durch anhaltende Trockenheit der Seespiegel des Lauerzersees stark gesunken war, entdeckte man Reste von Pfählen im See.5P. Emanuel Scherer, Pfahlbauten. Zehnter Bericht, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 29 (1921-1924), Heft 4, S. 207 (63) Wo genau diese entdeckt wurden, ist nicht bekannt. Auch ob diese Pfähle von einer Siedlung stammten, ist im Nachhinein nicht zu ermitteln. Jedenfalls sind rund um den Zugersee und den Ägerisee an 33 Standorten über 50 Pfahlbausiedlungen nachgewiesen, die in die Zeitperiode von der Jungsteinzeit zur Spätbronzezeit datiert werden konnten.6Renata Huber und Gishan Schaeren, Zum Stand der Pfahlbauforschung im Kanton Zug, in Tugium, 25/2009, S. 112 Im Jahr 2020 wurden auch in Immensee Siedlungsspuren von insgesamt fünf Pfahlbaudörfern entdeckt.7Niels Bleicher et al., Durch diese Hohle Gasse muss er kommen, der grüne Stein vom Gotthard, in Mitteilungen Heft 113 (2021), S. 19 ff. Durch die geographische Nähe der Fundorte von Immensee, Zug und Ägeri, dürfen auch für den Lauerzersee prähistorische Seeufersiedlungen nicht ausgeschlossen werden. Zu bedenken ist immerhin, dass der Lauerzersee in prähistorischer Zeit grösser8Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 75-77 und tiefer war und mit dem Bergsturz 1806 einen Siebtel9Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44 und 54 seiner Grösse einbüsste. Ein Abfluss in den Zugersee bestand nicht, jedoch einer in den Vierwaldstättersee10Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 72 – 77 , vermutlich entlang der alten Seeweren. Damit wäre über den Wasserweg ein Anschluss an das Gotthardgebiet, aber auch an das Mittelland nach Westen vorhanden gewesen. Des weiteren lag auch der Zugersee mit seinen vielen Pfahlbausiedlungen nur wenige Marschstunden vom Lauerzersee entfernt. Vielleicht wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis man auch in der Umgebung des Lauerzersees Spuren von prähistorischen Siedlungen finden wird.
Leider erschweren die Bergstürze, Murgänge, Überschwemmungen und der grosse Sedimenteintrag in den Lauerzersee eine archäologische Suche nach Seeufersiedlungen und anderen historischen Objekten. Innerhalb weniger Jahrzehnte können solche Objekte unter Schuttmassen begraben bzw. am Seegrund durch eine Sedimentschicht überdeckt werden. Besonders die Steiner Aa hat seit prähistorischer Zeit Unmengen an Schottermaterial in Richtung Lauerzersee geführt, wodurch das Steiner Ufer um zwei Kilometer in Richtung Lauerz vorgerückt ist.11René Hantke, Gesteine, S. 114
Auf der Schwanau fand man nebst den bronzezeitlichen Keramikfragmenten auch Fragmente einer Schale aus spätrömischer Zeit, deren Erscheinungsform als «terra sigillata» bekannt ist. Diese Keramikformen waren in römischer Zeit weit verbreitet und wurden über weite Strecken gehandelt. Die «terra sigillata» von der Schwanau stammt höchstwahrscheinlich aus einer einheimischen Produktionsstätte.12Martin Trachsel, Geschichte SZ, Band 1: S. 122 und 128, Anm. 52 Wie und weshalb diese altertümlichen Keramiken auf die Insel gelangt sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vielleicht dienten sie einem religiösen Kult. Dies ist deshalb nicht abwegig, weil Inseln nicht selten religiöse Heiligtümer beherbergten. Historiker gehen davon aus, dass in der Schweiz in römischer Zeit bevorzugt am Wasser und auf erhöhten Plätzen an einheimische Gottheiten geopfert wurde.13Cornelia Isler-Kerényi, Religion in der römischen Schweiz, in Die Schweiz zur Zeit der Römer, Verlag NZZ (2001), S. 206
Archäologen vermuten, dass der Fussweg von Arth über Lauerz nach Schwyz bzw. Brunnen bereits in römischer Zeit bekannt war.14Philippe Della Casa, Römische Funde in der Zentralschweiz, in Archäologie Vierwaldstättersee, Karte auf S. 20 Die Funde von römischer Keramik auf der Insel Schwanau würden dem nicht widersprechen.
Eine keltische und/oder alpinlombardische Bevölkerung in Innerschwyz?
Die Gegend von Arth nach Brunnen wurde nicht erst durch die Alemannen besiedelt. Spätestens in römischer Zeit haben in Innerschwyz Menschen gelebt. Darauf weist nicht nur der Talname Schwyz hin, der einer voralemannischen Sprache entstammt15Viktor Weibel, Vom Dräckloch i Himel, S. 23, sondern auch die Pollenanalysen in den Seesedimenten des Lauerzersees, welche im Jahr 2010 durchgeführt wurden und in denen für die Jahrzehnte nach Christi Geburt Süssgräser und Getreidepollen nachgewiesen wurden (s. unten). Bei dieser Bevölkerung sollten wir nicht vorrangig von Römern ausgehen. Die Römer waren seit dem Sieg über die Helvetier im Jahr 58 v. Chr. eine Besatzungsmacht in Helvetien und besiedelten das Land, abgesehen von den Städten, nur in wenigen Fällen selber. Die meisten damaligen Menschen in der Schweiz waren keine ursprünglichen Römer, sondern im Mittelland keltische Helvetier, bzw. im alpinen Raum Angehörige der Räter, Lepontier und anderer kleiner Völkerschaften. Diese Völker wurden durch die römische Besatzung zu einem gewissen Grade romanisiert, nahmen also teilweise das Latein als Verwaltungssprache und gewisse Kulturelemente der Römer an. Vieles aus ihrer einheimischen Kultur behielten sie jedoch bei.16Andres Furger, Die Helvetier, S. 136
Bereits vor der römischen Besatzung, siedelten gegen die Mitte des 1. Jahrhunderts vor Christus sowohl Kelten, als auch Räter im schweizerischen Raum. „Die Trennlinie zwischen den beiden Völkern lag vom Arboner Forst über die Senke zwischen Zürichsee und Walensee bis hinauf nach Uri“17Franz Georg Maier, Kelten und Helvetier in der Schweiz, in Gold der Helvetier, S. 24, so der Historiker Franz Georg Maier. Freilich gab es Überlagerungen von der einen zur anderen Seite. Das Gebiet von Innerschwyz lag demzufolge auf dieser Trennlinie zwischen keltisch und rätisch geprägtem Kulturraum.
Der Archäologe Andres Furger, ehemaliger Direktor des schweizerischen Landesmuseums, vermutete, dass die keltische Bevölkerung in der Schweiz mit dem Niedergang des römischen Imperiums nicht verschwand, sondern bis ins Frühmittelalter überdauerte.18Andres Furger, Die Helvetier, S. 149-155 Zusammen mit den Alemannen könnten die romanisierten Helvetier die Bevölkerung der mittelalterlichen Deutschschweiz gebildet haben. Im schweizerischen Alpenraum, der seit jeher Schutz vor kriegerischen Wirren bot, erhielt sich die voralemannische Bevölkerung vermutlich besser als im Mittelland.19Ebd. S. 148
Eine weitere These vertritt der Zuger Ortsnamenforscher Beat Dittli.20Beat Dittli, Flurnamen Kanton Zug, S. 79 – 81 Er verweist auf die romanischen Reliktnamen Frutt und Agru/Äger (Ägeri), die lokal auf die Urschweiz (ohne Ausserschwyz) und einige angrenzende Regionen beschränkt sind. Er vermutet, dass unser Gebiet bis ins Frühmittelalter stellenweise durch eine romanische, genauer alpinlombardische Bevölkerung besiedelt war, die als einzige diese Wörter verwendet hatte. Das Ägerital (Kt. Zug) könnte gemäss Dittli das nördlichste Randgebiet dieser romanischen Volksgruppe in der Innerschweiz gewesen sein, die auch das Tessin und die Lombardia bewohnte. Lauerz hätte somit innerhalb dieses romanischen bzw. alpinlombardischen Gebiets gelegen. Die hiesige Bevölkerung hätte ihre „kulturellen und sprachlichen Wurzeln im Süden, d.h. in der alpinen Innerschweiz und in der Lombardia“21Ebd. S. 134 gehabt.
Auch der zugerische Ortsname Walchwil könnte gemäss Dittli darauf hindeuten, dass sich im Raum Zugersee und Arth im frühen Hochmittelalter eine „alemannisch-romanische Berührungs- und Sprachgrenzzone“ gebildet hatte.22Ebd. S. 184 Hinter dem Ortsnamen Walchwil verbirgt sich vermutlich der Personenname Walah oder Walcho, was soviel wie Welscher oder Fremdsprachiger bedeutet. Damit dürfte ein romanischsprachiger Siedler gemeint gewesen sein. Ob dieser keltoromanisch oder alpinlombardisch sprach, wissen wir allerdings nicht.
Dass es auch in Lauerz eine romanisch sprechende Bevölkerung gegeben haben könnte, darauf könnten die Flurnamen Feltschi23Erste Nennung in einer Gült aus dem Jahr 1722: «anstossend obsich an […] das Feltschi», aus Geschichtskalender, 1917/23 und Gurgen24Erste Nennung in der Säckelmeisterrechnung 1558: «ußgen 2 dick um ancken denen von Louwertz ze schwentten uffen Gurgen», aus STASZ, HA.III.1285, S. 101 (p. 105) hindeuten. Beim Feltschi ist der Ursprung jedoch umstritten. Der Name könnte einerseits romanisch sein und mit romanisch «vallacia» für Deutsch «Talschlucht, kleines Tobel» verwandt sein.25Auskunft von Angelo Garovi per E-Mail, 17.09.2022 Das Gelände beim Feltschi würde dem nicht widersprechen. Auch eine Ableitung von lateinisch «filex», «filice» für Farnkraut wurde einst von Namenforschern angeführt. Farn findet sich in der Umgebung des Feltschi zur Genüge. Handkehrum kann der Name auch vom schweizerdeutschen Wort «faltsch» abstammen. Dies würde dann soviel wie ungünstige, «falsche Lage» bedeuten.26Viktor Weibel, Namenbuch, Band 1, S. 339
Romanischen Ursprungs könnte auch der Flurname Gurgen sein. Er wäre aus dem romanischen Wort «gurga» abgeleitet, was auf Deutsch «Gurgel, Strudel, Wassergraben» bedeutet.27Heinrich Schmid, Westgrenze, S. 142 – 143 Im Gurgen ziehen sich einige Gräben durchs Gelände; gegen das Gurgenried hat es einige kleine Bäche, die für die Deutung als «Wassergraben, Strudel» in Frage kommen. Die Verteilung der Flurnamen mit «Gurgen» auf die Innerschweiz und das östliche Berneroberland lässt vermuten, dass das Wort einer lombardischen Bevölkerung entstammt.28Ortsnamenbuch des Kantons Bern, Teilband I/2, S. 160 Flurnamen mit Gurgen (Gorgen) und Feltschi kommen auch im Kanton Obwalden vor. Der Germanist und Historiker Angelo Garovi deutet beide Namen als Relikt einer romanisch sprechenden Vorbevölkerung.29Angelo Garovi, Namen als Quellen zur Geschichte, in Geschichtsfreund, Band 142 (1989), S. 87 Im Fall von Lauerz kann es sich beim Gurgen auch um ein Lehnwort handeln, was bedeutet, dass das Wort nicht unmittelbar von romanischen Siedlern abstammt, sondern aus einer anderen Gegend in unseren Sprachschatz gelangt ist.
Während der Völkerwanderungszeit deutet eine Pollenanalyse aus dem Lauerzersee auf einen markanten Rückgang der Bevölkerung hin (s. unten). Für diese Zeit vom 6– 7. Jahrhundert sind nur noch wenige menschliche Einflüsse um den See nachzuweisen. Deshalb haben die Alemannen als Neuankömmlinge offensichtlich den meisten Ortschaften und Fluren in Innerschwyz neue, alemannische Namen gegeben.
Ergebnisse der Pollenanalyse aus dem Lauerzersee
Eine paläoökologische Untersuchung30Erika Gobet, Willy Tinner, Von der Ur- zur Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 48-49 aus dem Jahr 2010, bei welcher zehn Meter lange Bohrprofile aus dem Seegrund des Lauerzersees auf Pflanzenpollen und Kohlepartikel analysiert wurden, liess erkennen, dass unserer Gegend spätestens um Christi Geburt, d.h. zu Beginn des römischen Kaiserreiches, besiedelt war. Leider reicht die Pollenanalyse nicht weiter zurück, weil dafür die Länge der Bohrprofile nicht ausreichte. Eine Besiedelung vor Christi Geburt ist jedoch anzunehmen, da weiter zurückreichende Pollenanalysen aus Einsiedeln31Erika Gobet, Willy Tinner, Von der Ur- zu Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 46, Muotathal32Jean Nicolas Haas et. al., Zur Vegetationsgeschichte der Silberenalp im Muotatal SZ an Hand der paläoökologischen Untersuchung der Schattgaden-Moorsedimente, in Mitteilungen, Heft 105 (2013), S. 27 ff. und Attighausen33Jean Nicolas Haas, Waldgeschichte der Waldstätte, in Streifzüge, S. 57-58 auf Siedlungstätigkeit bis in die Spätbronzezeit hinweisen. Für die Zeit unmittelbar nach Christi Geburt, lassen sich in den Pollenanalysen aus dem Lauerzersee Getreide- und Gräserpollen nachweisen, die auf Ackerbau und Viehzucht durch hiesige Siedler schliessen lassen. Auf eine Besiedlung während der Römerzeit deuten nebst der oben erwähnten römerzeitlichen Keramik von der Schwanau, auch Funde von römischen Gegenständen aus anderen Orten in Innerschwyz hin.34Martin Trachsel, Die Zeit der Römer, in Geschichte SZ, Band 1, S. 121-126 Gemäss der Pollenanalyse aus dem Lauerzersee intensivierte sich die landwirtschaftliche Tätigkeit rund um den See in der römischen Kaiserzeit um 250 – 400 n. Chr. in geringem Masse, ging dann aber mit dem Niedergang des römischen Imperiums während der Völkerwanderungszeit von 400 – 600 n. Chr markant zurück.
Erst ab ca. 650 n. Chr., mit der Besiedelung durch die Alemannen nimmt die Kultivierung wieder zu. Bei Ausgrabungen in den Jahren 1965/66 stiess man unterhalb der Schwyzer Pfarrkirche auf alemannische Gräber aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts.35Erik Hug, Anthropologische Begutachtung der Gräberfunde in der Pfarrkirche von Schwyz (Dokumentation), in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 95 Die Grabungsarbeiten legten auch eine merowingische Kirche aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts frei.36Hans Rudolf Sennhauser, Die Ausgrabungen in der Martinskirche zu Schwyz 1965/66, in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 12 In einem Frauengrab, das in die Zeit um 700 n. Chr. datiert, wurde eine wohl adelige Dame bestattet, der fränkische Schmuckstücke ins Grab mitgegeben wurden.37Max Martin, Das Frauengrab 48 in der Pfarrkirche St. Martin von Schwyz, in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 143 Von den Franken stammt möglicherweise auch das Patrozinium von Sankt Martin aus Tours, der bis heute der Landespatron des Kantons Schwyz geblieben ist.
Nach 800 n. Chr., unter der Herrschaft der Karolinger, steigt der Besiedlungsdruck im Schwyzer Talkessel stark an. Der Nussbaum, dessen Pflanzung Kaiser Karl der Grosse (747 – 814) förderte38Karl Gareis, Die Landgüterordnung Kaiser Karl des Grossen (Capitulare de villis vel curtis imperii), J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Berlin (1895), S.66 , konnte durch Pollenanalysen ebenfalls ab dieser Zeit nachgewiesen werden. Um 800 hat sich vermutlich auch ein Bergsturz39Erika Gibet, Willy Tinner, Von der Ur- zur Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 49, jener von Röthen, in der Nähe des Lauerzersees ereignet. Die Erholung von diesem Ereignis erfolgte aber rasch, da für die Zeit nach 800 n. Chr. die Holzkohlewerte in den genannten Bohrprofilen auf einen starken Anstieg der Brandrodungen hindeuten. Brandrodungen geschahen in bewaldetem Gebiet zur Gewinnung von neuem Landwirtschaftsland. Diese Urbarisierung hängt vermutlich mit einer starken Zunahme der Bevölkerung zusammen. Flurnamen mit dem Wortstamm Brand, Stock, Rüti und Schwand deuten auf Rodungstätigkeit hin.40Viktor Weibel, Namenbuch, Band 4, S. 352 Auf Brandrodung weist ein Heimwesen namens Brand41Carl Zay, Goldau, S. 369 im vom Bergsturz verschütteten Unter-Buosigen hin. Beim Schwenden wurden die Bäume durch Abschälen der Baumrinde zum Absterben gebracht und nach einigen Monaten gefällt. In der Innerschwyzer Mundart hat «Ringlen» dieselbe Bedeutung wie das hier genannte Schwenden. Auch beim Ringlen wird die Baumrinde ringförmig abgezogen, damit der Baum abstirbt. Besonders wurde das Schwenden in etwas höher gelegenen Regionen angewandt.42Viktor Weibel, Namenbuch, Band 4, S. 353 Das Landwirtschaftsgut Schwändi und die Alp Schwand zeugen in Lauerz von dieser Zeit. Reuten (schweizerdeutsch: Rüten) war ebenfalls eine Form der Urbarisierung, bei der dem Wald mit der doppelt geführten Axt und der Reuthaue zu Leibe gerückt wurde. In Lauerz sind die Flurnamen Rütli und Rüti davon abzuleiten. Brennen und Rüten sind frühere Arten der Urbarisierung, als in relativ kurzer Zeit neues Land benötigt wurde. Das Schwenden dauerte länger und weist deshalb auf Standorte hin, die später besiedelt wurden. Aus diesem Grund liegen gebrannte und gereutete Grundstücke fast immer in tieferen, besser zugänglichen Lagen, als geschwendete.43Viktor Weibel, Vom Dräckloch i Himel, S. 25/26 So auch in Lauerz. Die Rodungstätigkeit um den Lauerzersee nahm bis Mitte des 12. Jahrhundert zu. Um ca. 1150 – 1200 war der Wald so stark zurückgedrängt, wie er es erst um 1950 wieder sein wird. Spätestens um 1200 war somit die Urbarisierung des Schwyzer Talkessels beendet. Das Gesicht unserer Landschaft wandelte sich bis um 1900 nur noch wenig. Erst mit der Industrialisierung und dem Zeitalter der Moderne beginnt ein neues Kapitel, das bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Der Waldbestand ist heute in Lauerz wieder grösser als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Grundstücke Unter Gurgen, Ottenfang und Oberberg, ehemals landwirtschaftlich genutzt, sind heute von Wald bedeckt. Auch auf der Alp Ober Gurgen hat der Wald wieder zugenommen. Die Ausbreitung der Waldfläche ist ein schweizweiter Vorgang, der zu Lasten der landwirtschaftlichen Flächen vor sich geht.
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
STASZ: SG.CIX.50.4.10.2, sowie P. Emanuel Scherer, Die vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Altertümer der Urschweiz, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 27 (1924), S. 218 (30)
2
Valentin Kessler, Vom Steinbeil zur Zimmermannskunst – Archäologische Streiflichter im Kanton Schwyz, in Archäologie Schweiz, Heft 35 (2012), S. 36
3
Hugo Schneider, Schwert und Dolch aus der Zeit der Schlacht am Morgarten, 1315, in Mitteilungen, Heft 57 (1964), S. 137 – 146
4
Thomas Cavelti, Philipp Wiemann, Ursula Hügi, Neolithikum und Bronzezeit, in Geschichte SZ, S. 88
5
P. Emanuel Scherer, Pfahlbauten. Zehnter Bericht, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 29 (1921-1924), Heft 4, S. 207 (63)
6
Renata Huber und Gishan Schaeren, Zum Stand der Pfahlbauforschung im Kanton Zug, in Tugium, 25/2009, S. 112
7
Niels Bleicher et al., Durch diese Hohle Gasse muss er kommen, der grüne Stein vom Gotthard, in Mitteilungen Heft 113 (2021), S. 19 ff.
8
Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 75-77
9
Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44 und 54
10
Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 72 – 77
11
René Hantke, Gesteine, S. 114
12
Martin Trachsel, Geschichte SZ, Band 1: S. 122 und 128, Anm. 52
13
Cornelia Isler-Kerényi, Religion in der römischen Schweiz, in Die Schweiz zur Zeit der Römer, Verlag NZZ (2001), S. 206
14
Philippe Della Casa, Römische Funde in der Zentralschweiz, in Archäologie Vierwaldstättersee, Karte auf S. 20
15
Viktor Weibel, Vom Dräckloch i Himel, S. 23
16
Andres Furger, Die Helvetier, S. 136
17
Franz Georg Maier, Kelten und Helvetier in der Schweiz, in Gold der Helvetier, S. 24
18
Andres Furger, Die Helvetier, S. 149-155
19
Ebd. S. 148
20
Beat Dittli, Flurnamen Kanton Zug, S. 79 – 81
21
Ebd. S. 134
22
Ebd. S. 184
23
Erste Nennung in einer Gült aus dem Jahr 1722: «anstossend obsich an […] das Feltschi», aus Geschichtskalender, 1917/23
24
Erste Nennung in der Säckelmeisterrechnung 1558: «ußgen 2 dick um ancken denen von Louwertz ze schwentten uffen Gurgen», aus STASZ, HA.III.1285, S. 101 (p. 105)
25
Auskunft von Angelo Garovi per E-Mail, 17.09.2022
26
Viktor Weibel, Namenbuch, Band 1, S. 339
27
Heinrich Schmid, Westgrenze, S. 142 – 143
28
Ortsnamenbuch des Kantons Bern, Teilband I/2, S. 160
29
Angelo Garovi, Namen als Quellen zur Geschichte, in Geschichtsfreund, Band 142 (1989), S. 87
30
Erika Gobet, Willy Tinner, Von der Ur- zur Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 48-49
31
Erika Gobet, Willy Tinner, Von der Ur- zu Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 46
32
Jean Nicolas Haas et. al., Zur Vegetationsgeschichte der Silberenalp im Muotatal SZ an Hand der paläoökologischen Untersuchung der Schattgaden-Moorsedimente, in Mitteilungen, Heft 105 (2013), S. 27 ff.
33
Jean Nicolas Haas, Waldgeschichte der Waldstätte, in Streifzüge, S. 57-58
34
Martin Trachsel, Die Zeit der Römer, in Geschichte SZ, Band 1, S. 121-126
35
Erik Hug, Anthropologische Begutachtung der Gräberfunde in der Pfarrkirche von Schwyz (Dokumentation), in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 95
36
Hans Rudolf Sennhauser, Die Ausgrabungen in der Martinskirche zu Schwyz 1965/66, in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 12
37
Max Martin, Das Frauengrab 48 in der Pfarrkirche St. Martin von Schwyz, in Mitteilungen, Heft 66 (1974), S. 143
38
Karl Gareis, Die Landgüterordnung Kaiser Karl des Grossen (Capitulare de villis vel curtis imperii), J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Berlin (1895), S.66
39
Erika Gibet, Willy Tinner, Von der Ur- zur Kulturlandschaft, in Geschichte SZ, Band 1, S. 49
Ein Ablassbrief von 1303 und ein Weihebrief von 1396?
Der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind berichtete in seiner Religionsgeschichte des Kantons Schwyz von einem Ablassbrief und einem Weihebrief aus dem 14. Jahrhundert für die Lauerzer Kirche. Der Ablassbrief sei aus dem Jahr 1303 gewesen, der Weihebrief aus dem Jahr 1396. Fassbind schreibt, dass er die beiden Urkunden «selbst (anno 1796) gesehen und gelesen hab».1Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 4 verso Beim Bergsturz 1806, der auch einen Teil des Lauerzer Kirchenarchivs vernichtete, seien diese beiden Urkunden zerstört worden. Der Ablassbrief von 1303 bestätige, so Fassbind, das Lauerz bereits in dieser Zeit eine Kirche hatte. Der Weihebrief von 1396 habe dann den Bau einer neuen Kirche zum Anlass gehabt. Fassbind ging deshalb davon aus, dass die «vorige [Kirche] baufällig, und alt, wenigst 2- 300 Jahr alt müsse gewesen seyn».2Thomas Fassbind, Religonsgeschichte, p. 5 recta Die neue Kirche sei am 19. Oktober 1396 von einem Konstanzer Bischof namens Heinrich eingeweiht worden. Diese Kirche habe nicht an der heutigen Stelle, sondern auf der Kapellmatt, rechterseits der alten Landstrasse nach Arth, gestanden.3Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 9 recta Auch soll nur ein Altar in dieser alten Kirche vorhanden gewesen sein. Freilich hat Fassbind diese alte Kirche nicht selber gesehen, sondern wohl nur die beiden Urkunden aus dem 14. Jahrhundert.
Die älteste Urkunde aus Lauerz
Die älteste Urkunde, die das Lauerzer Gebiet betrifft, stammt aus dem Jahr 1286. Die Äbtissin Berchta und der Konvent des Zisterzienserinnenklosters in der Au in Steinen erhielten im April 1286 von einem Schwyzer Landmann namens Konrad Hesso und dessen Gattin ein Landstück mit Gaden (lateinisch: „ovile“) namens „Swandon uf Zinglen“4QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1485 geschenkt. Dies zum Seelenheil des Ehepaares und deren Eltern. Das Grundstück mit Gaden wurde in einer ergänzenden Urkunde vom Kloster wiederum an Konrad Hesso bzw. dessen Gattin zur Pachtnahme auf Lebenszeit übertragen, anschliessend fiel es ans Kloster zurück5QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1486.
Vermutlich war mit diesem Grundstück namens „Swandon uf Zinglen“ entweder die Alp Schwand oder die Schwändi in Lauerz gemeint. Es kommt jedoch eher die Alp Schwand in Frage, weil mit dem urkundlich erwähnten Namen «Zinglen» der ganze Urmiberg gemeint gewesen sein könnte.6Viktor Weibel, Namenbuch, Band 4, S. 353 Auch Carl Zay schreibt in seinem Schuttbuch im Jahr 1807 vom «Zingel- oder Urmi-Berg».7Carl Zay, Goldau, S. 260 Es könnte auch die Schwändi in Frage kommen, weil diese einst durch einen Fussweg mit dem Zingel verbunden war (s. Dufourkarte unten).
Erstaunlich an dieser Urkunde ist, dass sie älter ist, als die älteste Namensnennung von Lauerz. Bereits um 1286 waren in Lauerz abgelegene Orte wie die Alp Schwand urbar gemacht und darauf Gebäude errichtet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Dorf und die tiefer gelegenen Landwirtschaftsgüter bereits einige Generationen früher besiedelt wurden.
Dass in der Urkunde von 1286 «Swandon» als erste in der Reihe der Liegenschaften genannt wurde, deutet darauf hin, dass es für die Eigentümer das bedeutendste Grundstück innerhalb der Schenkung war.
Auch ist interessant, dass kein einziger von den Männern, die diese Urkunde bezeugten, aus dem Arthertal, geschweige denn aus Lauerz stammte. Sie kommen aus Schwyz, Steinen, Seewen, Iberg und Wilen (Ingenbohl). Könnte dies darauf hindeuten, dass die Alp Schwand bereits um 1286 zum Rechtsbezirk der Schwyzer Talschaft gehörte?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch das Heimwesen Chlostermatt in Lauerz dem ehemaligen Kloster in Steinen gehört haben dürfte.
Lateinischer Text8Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum, 1. Abt., Band VII/3, 1286, S. 60 und 61:
Ad propagandam noticiam rei gestae tollendumque materiam dubiae quaestionis, nos Chonradus dictus Hesso et Gerdrudis coniuges notum facimus praesentium inspectoribus et auditoribus universis, quod nos a nullo seducti et a nemine circumventi pari animo et spontanea voluntate in remedium animarum nostrarum et parentum nostrorum donavimus et contulimus ac conferimus per praesentes religiosis dominae abbatissae et conventui dominarum de Steina nomine sui monasterij Cistertiensis ordinis, Constantiensis dioecesis, proprietatem ovilium subscriptorum, videlicet ovile an Swanden uf Zingeln, ovile an Höhen an Mûtenvelde et ovile zem Halten an Ibergsvelde ac casale apud ripam ante domum nostrani libere et absolute sine diminutione qualibet possidenda, praelo terquam quod domina Ita mater meae Gerdrudis praedictae usufructus ovilium praedictorum uf Zingeln et an Höhen plenariae percipiet tempore vitae suae. Etc. pp.
Deutsche Übersetzung9QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1485:
Konrad Hesso und seine Gattin Gertrud schenken zu ihrem und ihrer Eltern Seelenheil der Äbtissin und dem Konvent der Frauen von Steinen zu Handen ihres Klosters vom Zisterzienser-Orden das Eigentumsrecht über nachstehende Gadenstätten: nämlich die Gadenstatt an «Swandon uf Zingeln», diejenige an «Höhen an Mütenvelde», diejenige zu «Haltun an Ibergsvelde» und die Hütte am Gestande vor ihrem Haus, zu uneingeschränktem Besitz, ausser dass Gertruds Mutter, Frau Ita, auf Lebenszeit die volle Nutzniessung der Gadenstätten auf Zingeln und an den Höhen haben soll. Das Ehepaar leistet Verzicht auf alles Recht und jede Einrede.
Zeugen10Aufzählung gemäss Wilhelm Oechsli, Anfänge, Regesten S. 86, Nr. 294: Die Minderbrüder Hemann und C. , Almosensammler im Tale Schwyz, Bruder Jo., Kaplan der genannten Nonnen, Herr C. Pfarrer von Schwyz, Herr Ulrich, sein Gehilfe, Herr Jos. Vizeleutpriester in Steinen, Ulrich von Wile, Wernher von Seewen, Konrad ab Yberg, Wernher genannt Tiring, Amänner des Tales Schwyz, Konrad genannt Hunno, Konrad Stapfer, Arnold von Seewen, Johannes genannt Locholf und Petrus, sein Sohn und andere.
Gesiegelt mit dem Siegel der Talschaft Schwyz.
Arth und Lauerz im Habsburger Urbar
Um das Jahr 1306 erstellten die Habsburger ein Urbar, das heisst eine Auflistung von Liegenschaftsbesitz, von Pflichten und Rechten der einzelnen Dörfer und Städte in ihrem Herrschaftsbereich. Es handelt sich bei diesem Urbar um eine wichtige Quelle, wenn es darum geht, habsburgischen Besitz und Rechte in einem Gebiet nachzuweisen. In diesem Urbar taucht auch der Name Lauerz zum ersten Mal schriftlich auf. Darin ist vermerkt, dass Lauerz in Gerichts- und Steuerangelegenheiten dem habsburgischen Verwaltungshof, namens „Oberen Hof“, in Arth unterstellt sei. Die Habsburger gelangten durch das kyburgische Erbe in den Besitz des Oberarther Hofes. Die Rechte über Lauerz dürften sie ebenfalls von den Kyburgern übernommen haben.
Die Stelle über Arth und Lauerz im Habsburgischen Urbar lautet verkürzt und in neues Deutsch übersetzt: Der Hof zu Arth, der Eigentum der habsburgischen Herrschaft ist, hat 6 Huben und 11 Schupossen, 6 Schweiglehen, ein «Wohluislins» Gut und ein «Ungerihtiges hofstat» in Oberarth, sowie ein «Sweigers Gut» in Steinen. Die Herrschaft Habsburg hat über denselben Arther Hof die Niedergerichtsbarkeit inne und richtet über Diebstahl und Frevel (mittlere Gerichtsbarkeit). Der niederen- und mittleren Gerichtsbarkeit des habsburgischen Arther Hofes sind auch folgende Dörfer unterstellt: Oberdorf (d.h. Oberarth), Goldau, Buosigen, Lauerz, Gengigen und Röthen. Die Leute, die in diesen Orten wohnen, zahlen zusammen jährlich 41 Pfund, zumindest jedoch 32 Pfund an Steuern.11HU, Band I., S. 213
Diese Stelle im Habsburgischen Urbar umfasst in der transkribierten Ausgabe total 33 Zeilen und ist in zwei Teile unterteilt. Der erste Teil bis Zeile 14 (s. Bild, S. 213) behandelt den von Habsburg beanspruchten Grundbesitz, dessen Zinsen in Naturalien und Geld, sowie weitere zinsbare Güter. Auch eine Fischenz in Arth wird erwähnt. Im ersten Teil geht es also um die Rechte an Grundstücken und Einkünften. In diesem Teil wird Arth, Oberarth und Steinen erwähnt. Der zweite Teil, ab Zeile 26, behandelt die auszuübende Gerichtsbarkeit Habsburgs und die einzutreibende Steuer. Erst hier, wo es um die Gerichtsbarkeit und Besteuerung geht, tauchen die Dörfer Buosigen und Lauerz auf. Weil dieses Schema (zuerst Rechte an Einkünften, dann Gerichtsbarkeit und schliesslich Besteuerung) über das ganze Habsburgische Urbar angewendet wird, bedeutet dies möglicherweise für Lauerz und Buosigen, dass es hier um 1306 keinen habsburgischen Grundbesitz gab. Trotzdem ist nicht auszuschliessen, dass gewisse Höfe in den beiden Dörfern dem habsburgischen Arther Hof Naturalien oder Geld abliefern mussten. Die Grundstücke in Lauerz und Buosigen könnten also auch anderen Herrschaften, Klöstern oder freien Leuten gehört haben. Allerdings beanspruchten die Habsburger über die Dörfer Lauerz und Buosigen die niedere („Twing und Bann“) und mittlere Gerichtsbarkeit („Dieb und Frevel“) und verlangten eine Steuer. Die Inanspruchnahme der niederen Gerichtsbarkeit von Seite der Habsburger lässt sich mit dem Eigentum des Oberarther Hofes erklären, die mittlere Gerichtsbarkeit wohl mit dem Grafschaftsrecht12HU, Band II, 2, S.547, das die Habsburger vom König erhielten.
Die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit stand ursprünglich den freien Gemeindegenossen zu, wurde dann von den Habsburgern beansprucht und kam ab dem 14. Jahrhundert wiederum an die Gemeinde zurück.13HU, Band II, 2, S.547 Die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit Habsburgs in Lauerz wird deshalb, wenn überhaupt, nur ein vorübergehender Zustand gewesen sein. Sowieso ist fraglich, ob diese Forderungen der Habsburger nach Gerichtsrechten und Steuern in Lauerz stets durchgesetzt werden konnten, weil in unmittelbarer Nähe zu Lauerz die Schwyzer ihren Einfluss auszudehnen begannen. Lauerz war stärker mit Schwyz verbunden, als die restlichen Dörfer im Arthertal, da es Teil der Kirchhöre Schwyz war.
Lauerz in der Kirchgemeinde von Schwyz
Die Lauerzer wurden um 1306 einerseits vom habsburgischen Verwaltungshof in Oberarth als Hofgenossen angesehen, die dorthin Steuern entrichten sollten, andrerseits waren sie auch Kirchgenossen der Pfarrei Schwyz.
Festzuhalten ist, dass in den damaligen mittelalterlichen Verhältnissen die Kirchenzugehörigkeit eine wichtige gesellschaftliche Stütze für den einzelnen Menschen war. Die Organisation der Kirchgenossen war für das Zugehörigkeitsgefühl des Einzelnen wichtiger, als die Organisation der Hofgenossen. Die Zugehörigkeit zu einer Kirchhöre (=Pfarrei) bildete „den kleinsten gemeinsamen Nenner“ der damaligen Gesellschaft.14Thomas Glauser, Die Bevölkerung im ausgehenden Mittelalter, Geschichte SZ, Band 2, S. 182
Lauerz war lange Zeit keine eigene Kirchhöre. Es gehörte, anders als die anderen Dörfer im Arthertal, nicht zur Kirchgemeinde Arth. Einen Hinweis darauf gibt bereits eine Urkunde aus dem Jahr 1353, in der die Adlige Maria von Baden den habsburgischen Verwaltunsghof in Oberarth an „die kilchgenossen ze Arth und ze Goldow“15QW, Abt. I, Band 3, Nr. 1084 (S. 792-794) verkaufte. Lauerz gehörte dieser politisch einflussreichen Kirchgemeinde in Arth und Goldau (spätere Unterallmeind) um 1353 nicht an. Es liegt auf der Hand, dass Lauerz in dieser Zeit zur Kirchhöre St. Martin in Schwyz gehörte, die den ganzen Schwyzer Talkessel umfasste. Der Name Schwyz bezeichnete früher das ganze Tal und nicht nur den Flecken; letzteren nannte man „Kilchgassen“. Die Pfarrkirche St. Martin war vermutlich seit dem Frühmittelalter die Mutterkirche der heutigen Pfarreien im Bezirk Schwyz16Hans Stadler-Planzer, 900 Jahre Oberallmeinkorporation, S. 16 (ausgenommen Arth und Goldau). Verbunden mit der Schwyzer Kirchgenössigkeit war wahrscheinlich auch die Allmeindgenössigkeit der Einwohner von Lauerz. Deshalb erstreckte sich die Schwyzer Oberallmeind17Ebd. S 18 bis zu den Lauerzer Alpen und Wäldern, aber nicht über den Teubertsbach zum Twäriberg und in die Gemeinde Arth. Eine Stütze für die Zugehörigkeit von Lauerz zur Schwyzer Kirchhöre erhalten wir am 29. Dezember 1420, wo Lauerz in einem Ablassbrief als Filiale von Schwyz erwähnt wird.18Geschichtskalender, 1918/78 Vierzig Jahre später, im Jahr 1462, sagt Landamann Ital Reding aus, dass die Lauerzer „seit alters her“19Geschichtskalender, 1907/64 Kirchgenossen von Schwyz gewesen seien. Es ist davon auszugehen, dass Lauerz bereits vor dem Jahr 1353 Teil der Kirchhöre Schwyz war und auf Grund der wichtigen Stellung der Kirchhören in der mittelalterlichen Gesellschaft enger mit der Talschaft Schwyz verbunden war, als mit dem habsburgischen Verwaltungshof in Oberarth.
Lauerz wird ins Schwyzer Landrecht aufgenommen
Die Schwyzer hatten Anfangs 14. Jahrhundert ihren Einfluss im Arthertal merklich ausdehnen können. Dazu beigetragen haben dürften auch die Schlacht am Morgarten und der darauf folgende Bundesschluss von 1315, welche beide den habsburgischen Einfluss in der Urschweiz schwächten.20Josef Wiget, Morgarten, S. 39 Im November 1331 finden wir einen Schwyzer Amman namens Tyring21QW, Abt. I, Band 2, Nr. 1600 (S. 783) in Goldau. Dieser wird in einer Urkunde als «Richter» bezeichnet. In dem sich die Schwyzer auf Arther Gebiet richterliche Entscheidungen vorbehielten, wurde der habsburgische Gerichtsbezirk nicht mehr anerkannt. Dieses «Gerichtsprivileg» bedeutete einen Machtzuwachs für die Schwyzer. Mittels Erwerbung von Gerichtsbarkeiten, insbesondere der Niedergerichtsbarkeit, versuchten die Eidgenossen habsburgische Einflüsse auf ihrem Gebiet auszuschalten.22Bruno Meyer, Hochmittelalterliche Grundlagen, in Geschichtsfreund, Band 100 (1947), S. 32 Auch die Gerichtsbarkeit in Lauerz, das um 1306 gemäss Habsburger Urbar einem habsburgischen Richter unterstand, wurde wohl von den Schwyzern beansprucht. Denn das Schwyzer Landrecht galt spätestens ab 1338 im Raum Arth, wo es selbst ein habsburgischer Beamter anerkennen musste.23QW, Abt. I, Band 3, Nr. 203 (S. 139): Am 8. Februar 1338 fordert ein von Stoffeln, habsburgischer Pfleger in Rothenburg, von den Arther Hofleuten 500 Pfund ausstehende Zinsen und Abgaben in Raten abzubezahlen. In dieser Urkunde ist die Rede davon, dass die fünf Arther Bürgen diesen Betrag in einem Wirtshaus in Arth abliefern sollen und dies soll «nach des landes recht und gwonheit ze Swiz» geschehen. Lauerz wird vermutlich spätestens 1338 nicht mehr der Gerichtshoheit der Habsburger unterstellt gewesen sein, sondern dem Land Schwyz.
Als weiteres Indiz für die Geltung von Schwyzer Landrecht im Raum Lauerz und Arth dient eine Urkunde vom 11. November 1338.24QW, Abt. I, Band 3, Nr. 231 (S. 158) Darin beschliessen die Landleute von Schwyz einem Schmied von Steinen den Blattiswald am Lauerzersee zu Eigen zu übergeben. Es wird darin auch erwähnt, dass wer auch immer aus dem Land Schwyz, sei er aus Arth oder von sonst woher, in diesem Bannwald Holz frevle, bestraft werden solle. In dieser Urkunde wird Arth von den Schwyzern unmissverständlich als Teil des Landes Schwyz betrachtet. Lauerz wird hier zwar nicht explizit erwähnt, es ist allerdings davon auszugehen, dass es ebenso wie Arth, als Teil des Landes Schwyz angesehen wurde.
Die oben genannte Urkunde von 1338 wurde, nebst dem Landamann Stauffacher und drei weiteren Schwyzern, auch von einem «Johans am Velde» bezeugt. Dieser Johans am Velde (oder dessen Sohn) besiegelt dreissig Jahre später, im Jahr 1368, den Verkauf der Liegenschaft Rüti in Lauerz.25STASZ, HA.II.197 Möglicherweise handelt es sich bei ihm um einen Vorsteher der Schwyzer in Lauerz bzw. im Arthertal.
Die erste Erwähnung der Lauerzer Alpen im Jahr 1339
Am 24. Juni 1339 beschloss die Schwyzer Landsgemeinde, dass kein Holz mehr in der Landwehri geschlagen werden dürfe. Mit der Landwehri waren die Grenzen des Alten Landes Schwyz gemeint. Mit dem obigen Beschluss wollte man den grenznahen Wald schützen, damit es einem Gegner erschwert würde, ins Land einzufallen. Das Holzschlagen war jedoch nicht gänzlich verboten. Es wurde im Beschluss nämlich eine Ausnahme gemacht: Wenn das Holz für Alphütten unter der Hochflue verwendet würde, dürfe man es schlagen. Der betreffende Abschnitt lautet im Originalwortlaut wie folgt:
«Wir haben ouch vorgelassen: Wolte aber jeman gerne huiten machen uf der langen matten oder an dem rosseverrich oben uf der Egga oder an dem Buelerberge, an dem stahpel, der under der Honfluo lit oder an dem stapfel, dem man sprichet ze den obren Huitten, öch an dem Buelerberge, das mag er wol houwen in der lantweri, ob er es gerne tuot; damit hat er enkeinen einung fuirschuldet; er sol aber houwen, so er unschedlichest muge, an alle geverde.»26QW, Abt. I, Band 3, Nr. 274 und STASZ HA.II.113
Deutsche Übersetzung:
Wir (die Landsgemeinde von Schwyz) haben auch verlauten lassen: Wenn jemand gerne Hütten bauen will, sei es auf der langen Matten oder beim Rosspferch oben auf der Egg oder am Büelerberg, beim Stafel, der unter der Hochflue liegt oder beim Stafel, den man «zu den obren Hütten» nennt, ebenfalls am Büelerberg gelegen, solches Holz darf er in der Landwehri schlagen. Jedoch soll er darauf achten, dass er beim Holzen so wenig Schaden wie möglich anrichte.
Wir wollen herausfinden, was für Alpen hier gemeint sein könnten. Die «langen Matten» sind wohl mit der Langmatt in Ingenbohl identisch. Dort stand früher also eine Hütte. Beim «rosseverrich oben uf der Egga» handelt es sich um einen Rosspferch auf der Alp Egg. Man hielt offenbar Pferde auf dieser Alp. Auch kommt der Name «Buelerberg» in dieser Urkunde zum ersten Mal vor. Beim «staphel, der under der Honfluo lit» oder «stapfel, dem man sprichet ze den obren Hütten» war möglicherweise der Gurgen oder Iltis gemeint.
Der Beschluss lässt erkennen, dass diese Alpen unter der Hochflue für die Schwyzer Landsgemeinde im Jahr 1339 von grosser Wichtigkeit waren. Nur so lässt sich erklären, dass das Holzschlagen für diese Hütten vom Bann der militärisch wichtigen Landwehri ausgenommen war. Es ist jedenfalls gut denkbar, dass die Schwyzer im Jahr 1339 auf diesen Alpen unter der Hochflue präsent sein mussten, damit diese nicht von jemand anderem in Beschlag genommen wurden. Hatte möglicherweise Habsburg-Österreich auf diese Alpen noch Besitzansprüche angemeldet und mussten die Schwyzer diese um jeden Preis halten, in dem sie dort Hütten bauen liessen?
In Arth und Goldau wurde erst im Jahr 1353 das Allmendland aus dem Griff der Herzogin von Baden bzw. ihren Verpfändern, den Herzögen von Österreich, gelöst.27QW, Abt. 1, Band 3, Nr. 1084 (s. 792) Ein Jahr später wurden im Arther Wegweisbrief die vormals grundherrlichen Grundstücke unter den Unterallmeindgenossen aufgeteilt (s. unten). Dies ist ein Hinweis, dass vor dem Jahr 1353 die Unterallmeind-Alpen noch im Besitz eines Landesherren, vermutlich Habsburg-Österreichs, waren. Auch die Unterallmeind-Alp Twäriberg in Lauerz dürften zu diesem grundherrlichen Besitz gehört haben. Somit wäre es durchaus nachvollziehbar, dass die Schwyzer im Jahr 1339 die Lauerzer Oberallmeind-Alpen (Egg, Gurgen, Iltis, Ried etc.) unter anderem mit dem Bau von Hütten behaupten mussten, damit sie nicht von einem Adligen beansprucht werden konnten.
Grundsätzlich stellt sich auf Grund des ausgedehnte Besitzes an den Lauerzer Wäldern und Alpen durch die Schwyzer Oberallmeind (heute auch Genossame Lauerz) die Frage, ob diese Alpen am Büelerberg bereits in habsburgischer Zeit durch Schwyzer Landleute genutzt wurden. Dann würde der Eintrag von Lauerz im Habsburgschen Urbar um das Jahr 1306, wo nur vom Dorf die Rede ist, im Umkehrschluss bedeuten, dass der Büelerberg möglicherweise schwyzerisches Gebiet war28Wo die Grenzen des Dorfes Lauerz lagen, ist an Hand des Urbars nicht festellbar. Grundsätzlich ist die Bezeichnung «Dorf» im Habsburgischen Urbar nicht genau umschrieben. Auch Gänggigen (Gem. Arth) wurde beispielsweise als Dorf bezeichnet, obwohl noch heute lediglich einige Höfe dort stehen.. Auch die Urkunde von 1286, wonach der Schwyzer Landmann namens Hesso, die Alp Schwand besessen hatte (s. oben), könnte in diese Richtung deuten. Unterzeichnet ist diese Urkunde nämlich nur von Männern aus dem Talkessel Schwyz und Steinen.
Im Mai 1339 stellten die Schwyzer Landleute eine Ordnung zur Nutzung der Allmenden auf.29QW, Abt. I, Band 3, Nr. 265 (S. 177) Die Oberallmeind und Unterallmeind wurden schon früh unterschieden. Die Allmenden, die «unten», also in Arth lagen, gehörten den Arther Kirchgenossen, also den Unterallmigern. Die Allmenden die oberhalb von Arth lagen, gehörten den Schwyzer Oberallmigern. Die Schwyzer erklärten im August 1358 , dass sich die Arther strafbar machen würden, wenn sie ihr Vieh auf die Alpen der Oberallmend weiden liessen.30Martin Kothing, Landbuch, S. 209 Auch wer Arther Vieh auf Land der Oberallmeind äzen lasse, habe eine Busse zu bezahlen. Umgekehrt werden auch die Arther entsprechende Vorschriften erlassen haben. Auf den Lauerzer Alpen musste diese Regelung jedenfalls gegriffen haben, da hier die Alpen der Unter- und Oberallmeind aneinandergrenzen.
Der Gurgen am Lauerzerberg tauchte im Jahr 1558 in einer Rechnung des Landessäckelmeisters auf.31STASZ, HA.III.1285, S. 101 (p. 105) Er bezahlte den Lauerzern für das Schwänten auf dem Gurgen einen gewissen Geldbetrag. Beim Schwenten musste die Alp von Gestrüpp «gereinigt» werden, damit das Land nicht verwaldete.
Historische Verkehrswege
Da in der Nähe von Verkehrswegen stets historische Siedlungen vermutet werden können, ist auch für Lauerz abzuklären, ob eine solche Route hier entlang führte. In der Tat ist im Inventar historischer Verkehrswege eine Route vom Zugersee nach Schwyz bzw. Brunnen verzeichnet, die dem südlichen Lauerzerseeufer entlang führte. Diese Strecke war Teil der Verbindung vom Mittelland und Zürichsee ins Gotthardgebiet.32IVS, Strecke SZ 5, Seite 1 Die Lauerzer Route dürfte insbesondere wenn der Seeweg Küssnacht-Brunnen-Flüelen, beispielsweise wegen Wettergefahren, nicht schiffbar war, von Bedeutung gewesen sein. Auch für Reisende, die die Überfahrt nicht bezahlen konnten oder wollten, bot die Lauerzer Route eine Alternative. Lauerz lag also an einer Route von teilweise nationaler Bedeutung. Ebenfalls können die urgeschichtlichen Keramiken von der Schwanau darauf hindeuten, dass in der Nähe ein nicht unbedeutender Verkehrsweg verlief. Zudem liegt der Schluss nahe, dass die Burganlage der Schwanau bewusst in umittelbarer Nähe dieses Gotthard-Fussweges errichtet wurde. Noch heute heisst übrigens die Strasse von Buosigen nach Lauerz „Gotthardstrasse“.
Lauerz liegt auch auf der West-Ost Route in Richtung Muotatal. Wer früher vom Mittelland ins Muotatal und ins dortigen Gebirge bzw. Alpen wollte, musste dem Ufer des Lauerzersees entlang wandern. Das Muotathal wurde angesichts der vielen urgeschichtlichen und mittelalterlichen Funde häufig begangen.33Siehe unter anderem: Walter Imhof, Die ersten Muotataler, Triner Schwyz (2013) Der Weg nach Seewen muss auch deshalb eine gewisse Bedeutung gehabt haben, weil bereits im Jahr 1340 erwähnt wird, dass an der engsten Stelle dieses Weges ein Saumtier mit beidseitiger Beladung Platz haben soll. Der Weg von Lauerz nach Seewen war also kein reiner Fussweg, sondern für den Warentransport ausgelegt. Des weiteren ist die ehemalige Kapelle im Otten zu erwähnen, die seit mindestens 163534STASZ, HA.III.20, S. 150 vorhanden war und dem Heiligen Jakobus geweiht wurde. Die Kapelle wurde 1806 durch die Flutwelle des Goldauer Bergsturzes zerstört. Der Heilige Jakobus ist ein ausgesprochener Pilgerheiliger und Beschützer der Wege und Wanderer (siehe Jakobsweg).
Nur regional von Bedeutung war der Saumweg über den Ränggen35IVS, Strecke SZ 212 nach Schränggigen (Gem. Ingenbohl), der im Sommer 1799 wohl eine gewisse Bedeutung erlangte, als Lauerz von französischen und Ingenbohl von kaiserlichern Truppen besetzt war. Zu nennen ist auch der Weg übers Gätterli nach Gersau. Über diesen kleinen Pass konnten die Gersauer sowohl Schwyz, als auch Arth und Steinen erreichen. Dieser Weg war bis Anfang des 19. Jahrhunderts der einzige Saumweg nach Gersau, da das Dorf, abgesehen von einem schmalen Fussweg nach Brunnen36Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, band 163 (2010), S. 117, früher nur per Schiff erreichbar war.
Die Wege wurden meistens von den Anstössern unterhalten. So heisst es zum Beispiel in der Rechnung des Sandessäckelmeisters im Jahr 1559: «Item ußgen 1 kr. Caspar Dietschy um wegen zuo Louwertz.»37STASZ, HA.III.1285, S. 138 (p. 147) Dieser Caspar Dietschi war ursprünglich ein Appenzeller und in Lauerz wohnhaft. Er hat einige Jahre lang die Wege in Lauerz in Stand gehalten. In Buosigen ist zur selben Zeit ein Alexander Gasser nachweisbar, der die dortigen Wege unterhalten hat.38STASZ, HA.III.1285, S. 212 (p. 228)
Die Landstrasse von Lauerz nach Seewen
Die Landstrasse, welche von Lauerz dem See entlang nach Seewen führt, verdient eine vertiefte Betrachtung, ist sie doch bereits vor sieben Jahrhunderten schriftlich bezeugt. Am 1. Mai 1340 erhielt ein Konrad Bruster von den Schwyzer Landleuten ein Allmeindgut am Seeufer in Seewen zu Eigen.39QW, Abt. I, Band 3, Nr. 319 (S. 213) Als Gegenleistung musste er den Weg vom «sewestege» (ein Steg über die Seeweren) bis in den Sitiwald und weiter an den Scheidweg in Stand halten. Der Sitiwald bildet heute die östliche Gemeindegrenze von Lauerz zu Schwyz. Der Scheidweg könnte eine Abzweigung im Otten gewesen sein, wo der eine Weg über das Ottental in Richtung Büelerberg, der andere dem See entlang nach Lauerz führte. Die Strecke bis zu dieser Abzweigung hatte der Landmann Bruster an der engsten Stelle («Engi») und in einem „Loch“ (=Tunnel oder Vertiefung?) so breit zu halten, dass ein Saumpferd mit Lasten auf beiden Seiten diese gut passieren konnte. Falls ein Hochwasser den Weg überschwemmen sollte, musste Bruster keine Haftung dafür übernehmen. Jedoch hatte er die Strasse wieder in Stand zu stellen, falls sie an gewissen Stellen eingebrochen war.
Diese Verpflichtung zum Strassenunterhalt im Jahr 1340 hängt vermutlich mit dem verstärkten Schwyzer Einfluss auf Lauerz und Arth zusammen, der um 1331 und 1338 in den Schriftquellen fassbar wird. Zudem führte dieser Weg vermutlich übers Ottental hinauf zum Büelerberg und den Lauerzer Alpen40STASZ, SG.CIII.42: Noch um 1851 wurde auf einem Plan der Seematt im Otten ein Weg auf die Rigi-Scheidegg eingezeichnet. Die französische Bezeichnung lautete: «Sentier à Scheidegg au mont Rigi»., wobei letztere im Jahr 1339 als Allmendbesitz der Schwyzer in der Schriftquellen auftauchen.
Die Urkunde belegt, dass spätestens im Jahr 1340 ein für Saumtransporte ausgebauter Weg von Seewen nach Lauerz bestand. Mit diesem Beschluss der Schwyzer Landsgemeinde liegt ein weiterer Hinweis vor, dass der Verkehrsweg über Lauerz in spätmittelalterlicher Zeit einen grösseren Stellenwert hatte.
Urkunde im Originalwortlaut:
1. Mai 1340, Schwyz41QW, Abt.1, Band 3, Nr. 319, Umlaute wurden vom Verfasser angepasst
Allen den, die disen brief ansehent oder hörent lesen, künd und und fürgich ich, Konrad Bruster lantman ze Switz, vür mich und min erben aller der dingen und gedingen, so an disem offennen brief geschriben stat. Bi dem ersten, daz ich bin komen uberein mit den lantlüten gemeinlich ze Switz, das si mir und minen êrben gebent heint lideklich jemerme ab ir almi an dem stade ze Sewen, als es mir umbvangen ist mit mark, also mit den gedingen, daz ich oder min erben, ob ich enwere, den weg von dem sewestege bi dem sêwe nider untz in daz Siti untz an den scheidweg behaben und machen sol; vür das loch und die engi, daz ein ross mit zwein soun lêgellen da gan muge ân geverde, und anderswa sol ich oder min êrben, ob ich enwere, den weg truken behaben inrent den ziln, alz da vor geschriben stat. Man sol ouch wüssen, daz ich oder min êrben, ob ich enwere, den vorgenanten weg behaben sol jemerme in der höchi, alz es gezeichnot ist. We aber, das daz waszer vür die höchi uff gienge, alz es gezeichnet ist, daz sol mir noch minen erben einkein schade sin an dem vorgenanten guote. Were ouch, das der vorgenante weg brechi zwischent den ziln, alz da vorgeschriben stat, so sol ich oder min êrben, ob ich enwere, in wider machen, so wir jemer baldest mugen ân alle geverde. […]
Deutsche Übersetzung42Vom Verfasser: Peter Betschart:
Allen denen, die diesen Brief ansehen oder vorgelesen wird, künde und verfüge ich, Konrad Bruster, Landmann zu Schwyz, für mich und meine Erben alle folgenden Dinge und Bedingungen, die in diesem offenen Brief geschrieben stehen. Bei dem ersten, dass ich überein gekommen bin mit den Landleuten von Schwyz, dass sie mir und meinen Erben ledig gegeben haben die Allmeind an dem Gestade in Seewen, aber mit der Bedingung, dass ich oder meine Erben den Weg von dem Seewen-Steg, den See hinab bis in das Siti (=Sitiwald) und bis an den Scheidweg, beheben und instand halten sollen. Für das Loch und das Engnis gilt, dass ein Ross mit zwei Saumlängen dort passieren kann, ohne jede Mühe. Zudem soll ich oder meine Erben den Weg entwässern innert den Weggrenzen, die vorher genannt wurden. Man soll auch wissen, dass ich oder meine Erben den vorgenannten Weg in Stand halten sollen, immer in der Höhe als es angezeichnet wurde. Falls aber das Wasser bis auf die vorgenannte Höhe kommen sollte, wie es angezeichnet wurde, dann soll weder mir noch meinen Erben eine Minderung am vorgenannten erhaltenen Gute entstehen. Falls der Weg zwischen den genannten Grenzen einbrechen sollte, soll ich oder meine Erben ihn wieder herstellen, so bald wir es vermögen. […]
Während der Franzosenzeit inventarisierte die österreichische Armee die wichtigsten Verkehrswege im Raum Zug und Innerschwyz, so auch jener von Seewen über Lauerz nach Arth. Die Verantwortlichen vermerkten „Von Sewen führt ein guter Fahrweg über Lauwerz, Goldau bis Arth, und beträgt 2 ½ Stund“.43Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), S. 116 Angesichts von nur 35% als befahrbar geltende Verkehrswege in der Innerschweiz, war das Attest „guter Fahrweg“ eher die Ausnahme. Im Jahr 1827 wird dieser Fahrweg über Goldau, Buosigen, Lauerz nach Seewen ausgebaut und für moderne Fuhrwerke fahrbar gemacht.44Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), siehe Karte S. 118 Der Ausbau erfolgte zeitlich zusammen mit dem in den Jahren 1820 – 1830 erfolgten Ausbau der Gotthardstrasse im Urnerland.45Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), S. 118-119 Dies deutet darauf hin, dass die Lauerzer Route vom Kanton Schwyz als Teilstück der Gotthardroute angesehen wurde. Abgesehen vom Teilstück Seewen-Schwyz-Brunnen und der Strasse nach Schindellegi, wurden nämlich die meisten anderen Hauptstrassen in Innerschwyz erst in den nachfolgenden Jahren bis Jahrzehnten ausgebaut. Bis zum Bau der Autobahn A4 in den 1970er Jahren wurde die Lauerzer Strasse stark von Reisenden frequentiert, die Richtung Gotthard unterwegs waren. Seither hat die Lauerzerstrasse für den Reiseverkehr stark an Bedeutung verloren.
Weitere Verkehrswege in Lauerz
Ein wichtiger Pilgerweg zum Rigi-Klösterli («Maria im Schnee») führte von Lauerz über die Binzenmatt in Buosigen nach Hinter-Truben, von dort zum Kneuli und dann weiter zum Rigi-Klösterli.46Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 216 Im Jahr 1800 bemerkten Spezialisten der österreichischen Armee zu diesem Weg: „Von Lauwerz führet rechts ein Fussweg auf den Rigi Berg zum Rigi Closter und soll wie jener von Goldau aus, der gemächligste seyn. 3 ¼ Std.“ Bereits im Jahr 1793 schrieb Johann Gottfried Ebel über den Lauerzer Rigi-Weg: «Das Dorf Lauerz liegt an den Ufern dieses Sees; von da führt der beste Weg auf den Rigi».47Johann Gottfried Ebel, Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art der Schweiz zu reisen, Orell, Gessner, Füssli & Compagnie, Zürich (1793), S. 106-107 Noch im Jahr 1873 weiss ein Reisebschrieb über diesen Weg zu berichten: «Von allen Seiten führen Wege auf den Rigi. Die bequemsten und gebrauchtesten sind die auf der Ostseite von Lawerz aus und von Art […]. Den Weg von Lawerz kann man die eigentliche Bergstrasse nennen, und ist den Wanderern zu Fuß am meisten zu empfehlen, da er nur wenige steile Stellen hat.»48«Wegweiser zu einer Fussreise 1873», Unbekannter Autor, Original-Dokument von Willy Dettling, Lauerz Auf Grund seiner gleichmässigen Steigung wurde der Lauerzer Rigiweg wohl von manchem Reisenden geschätzt.
Johann Wolfgang Goethe soll den Lauerzer Rigiweg am 17. Juni 1775 von Lauerz aus gewandert sein, als er die Rigi bestieg. Mauerreste des ehemaligen Pilgerweges finden sich noch in Buosigen.
Ein weiterer Weg führte von Lauerz aus über Chälenbüel, Ledi, Langerli zum Gätterli nach Gersau.49Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 230.2 Ein anderer Weg kam von Seewen her übers Ottental hinauf zur Äbnet, weiter zu Spätzeren , Heubühl, Chilebann, Ried übers Gätterli nach Gersau oder die Rigi Scheidegg. Beide Wege erschlossen auch die Lauerzer Alpen von Twäriberg, Gurgen, Egg bis Schwand.50Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 228 Ebenfalls zum Gätterli führte ein Weg ab dem Neuhof in Buosigen, dieser nahm dem Weg dem Teubertsbach entlang, querte den Bach anschliessend, stieg zum Ledigütsch hinauf und mündete in den vorher genannten Lauerzer Weg zum Gätterli.51Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 230.1
Der sogenannte «Artherweg» kam von Goldau über Buosigen, verlief dann Richtung Teuberts über den Teubertsbach und stieg dann die Ledi hinauf. Dort ging es weiter zum Langerli Richtung Twäriberg und Gätterli.
Auch bestand von Lauerz aus ein Vieh und Fussweg über den Ränggen nach Schränggigen (Gem. Ingenbohl).52Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 212 Dieser führte vom Dorf Lauerz ins Oberdorf, dann übers Buechensitli und Unter Äbnet zum Heimwesen Schwändi. Von dort aus ging es steil den Einschnitt zum Ränggen hinauf. Auf der Ingenbohler Seite ist dieser Weg vom Weiler Schränggigen bis zum Punkt 629 (Landeskarte 1:25‘000) noch in seiner historischen Substanz erhalten und mit Steinplatten ausgelegt.53Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 212.1.1
Des weiteren führte ein Weg ab dem heutigen Restaurant Waage durch den Sägel nach Steinen. Ein weiterer Fussweg durch den Sägel – der bereits vor dem Bergsturz von 1806 bestand – führte von der Niedermatt in Lauerz in gerader Richtung nach Norden über den Sägel und mündete anschliessend in die Landstrasse nach Steinen ein.54Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 218; sowie Karte STASZ, SG.CIII.30 und Karte von Carl Zay, Goldau
Für Reisende und Warentransporte, die den Lauerzersee mit dem Schiff überqueren wollten, gab es in der Niedermatt einen Landungsplatz, auch «Ablagerungsplatz» genannt.55Amtsblatt von 1916, S. 128 Der damalige Besitzer der Niedermatt musste den Weg von der Landstrasse zu diesem Landungsplatz das ganze Jahr offen und ca. drei bis vier Meter breit halten. Vermutlich war auch Goethe, als er den Lauerzersee von Seewen her überquerte, in der Niedermatt mit dem Boot angelandet, wo er anschliessend den Pilgerweg Richtung Buosigen und die Rigi in Angriff nahm.
Wann diese Wege angelegt wurden, ist nicht mehr auszumachen. Jene am Lauerzerberg und von Buosigen auf die Rigi dürften auf Viehwege zurückzuführen sein und ins Mittelalter oder in die frühe Neuzeit zurückreichen.
Ein Lauerzer Gefallener im Gefecht zu Buonas
Wegen Kriegsgefahr schlossen am 1. Mai 1351 die drei Waldstätte mit Zürich und Luzern ein Bündnis und gelobten, sich mit Waffen beizustehen.56QW, Abt. I, Band 3, Nr. 945 (S. 600) Im Oktober 1351 erhob Herzog Albrecht von Österreich Ansprüche auf Abgaben und Rechte in Arth und im Land Schwyz.57QW, Abt. I, Band 3, Nr. 966 (S. 640) Die Schwyzer anerkannten diese jedoch nicht mehr. Ende des Jahres 1351 besetzten die Schwyzer, Urner, Unterwaldner, sowie die Zürcher das Land Glarus und schlossen mit den Glarnern am 4. Juni 1352 einen Bund.58QW, Abt. I, Band 3, Nr. 989 (S. 658) In demselben Jahr fand im Raum Küssnacht bzw. Buonas ein Gefecht zwischen den Eidgenossen und den Verbündeten Habsburgs statt. Die habsburgischen Truppen wurden dabei in die Flucht geschlagen. Unter den gefallenen Eidgenossen befand sich auch ein «Ulrich Lübis von Lowertz»59QW, Abt. I, Band 3, Nr. 975 (S. 651). Aus dem Jahrzeitbuch Arth, im Jahr 1640 erneuert. .
Lauerz und Buosigen im Arther Wegweisbrief
Fünf Monate nach dem Kauf des ehemals habsburgischen Arther Hofs durch die Arther Kirchgenossen, teilen die Arther die Grundstücke im Talboden und an den Talhängen unter den Genossen auf. Es erfolgt also eine Art «Privatisierung» des dortigen Allmendlandes. Von dieser Urkunde ist leider jener Teil nicht mehr vorhanden, in dem die Grundstücke erwähnt gewesen wären.60Erich Ketterer, Wer sind die «Unterällmiger», in Jubiläumsschrift, S. 25 Erhalten blieb einzig der sogenannte Arther Wegweisbrief vom 16. Mai 1354. Darin wurde vorgeschrieben, wie die Wege im Arthertal in Stand zu halten seien. Auch zwei Wegstücke in Lauerz bzw. Buosigen wurden beschrieben: «Item der wäg zu Louwertz gatt ob dem Eignen unntz uff die Huwelle, unnd dan den holtzweg uff unntz In das Holtz.»61Geschichtsfreund, Band 11 (1855): S. 178 Es könnte sich hier um einen Viehweg oder Transportweg für Holz gehandelt haben. Das Wort «unntz» kann mit «bis» übersetzt werden. Beim genannten „Eignen“ ist nicht klar, wo dieses lag. Die Huwelle kann als das Heimwesen Huelen, westlich von Lauerz, identifiziert werden. Mit Holz war ein Waldstück gemeint. Auf Grund der Wegbeschreibung können wir auf einen Weg schliessen, der insbesondere für den Holztransport der Arther Kirchgenossen wichtig war. Denn der Weg endete ja im „Holtz“. Möglicherweise haben wir hier einen Weg vor uns, der von der Huelen zum Twäriberg, bzw. zu dem unterhalb liegendem Waldstück, führte. Der Twäriberg und der Wald unterhalb davon gehört nämlich noch heute der Arther Unterallmeind.
Der Wegbeschrieb in Buosigen ist folgendermassen festgehalten: „Item zu Buoßingen gath der wäg von dem dorff unntz an den Baach uber die wytti uf unntz In dz Holtz ob des Glarners Matten“62Geschichtsfreund, Band 11 (1855): S. 179. Mit „dorff“ ist vermutlich das vom Bergsturz verschüttete Unter-Buosigen gemeint, das südöstlich des heutigen Goldseelis lag. Der Weg führte von dort vermutlich zum Hof Ober Lindenmoos63Carl Zay, Goldau, Karte von Fidel Zay. Dort ist ein Wegstück von Unter-Buosigen nach Ober-Buosigen eingezeichnet, das beim Heimwesen Ober Lindenmoos endet.. Der „Baach“ ist wahrscheinlich mit dem Chlausenbach identisch, da er der einzig grössere Bach in Buosigen ist. Mit der genannten „Wytti“ war wohl ein Ried in der Nähe der Binzenmatt gemeint64Aus einer Gült aus dem Jahr 1645: «[…] und einem riedt Wyty genant samt dem Wintzenmattli», STASZ, HA.II.4213. Das Grundstück „Glarners Matten“ gibt es heute nicht mehr, jedoch muss es sich unterhalb eines Waldes befunden haben. Auch beim Weg in Buosigen handelt es sich vorrangig um einen Weg für den Holztransport, denn er endet, wie der Lauerzer Weg, im „Holtz“, möglicherweise im Buosigerban.
Gült aus Buosigen
Eine der ältesten Gülten im Staatsarchiv Schwyz stammt aus Buosigen.65STASZ, HA.II.192 Am 7. Dezember 1366 urkundete ein Johans Streuli von Arth, Landmann von Schwyz, dass er dem Ulrich Hessin von Arth, Landmann von Schwyz, „zwei Teile von Lütold’s Riedmatten zu Buosingen «mit dem Dorf» zu kaufen gegeben, worauf der Buochi jährlich 2 Pfund Pfenning Gelds, Stebler Münz, hat, und ein weiteres Stück in derselben Riedmatte, worauf Wernher von Steina 20. Gl. hat. Als «miner Herren Amptmann» von Hünaberg wird genannt Ulrich Hengeller. Zeugen: Heinrich am Hofe von Lauartz, Ulrich Stälzing von Buosingen, Rudolf von Artha und Ruodi, sein Sohn, Johans Scherring von Artha und Ulrich Hengeller. – Siegler: Heinrich von Hünaberg.“
Bei diesem Heinrich am Hofe (= Imhof) könnte es sich um einen Vorsteher der Lauerzer gehandelt haben. Er taucht auch im vorgenannten Arther Wegweisbrief von 1354 auf, wo er unter den 21 ehrbaren Männern genannt wird, die zur Teilung des Allmendbesitz im Arthertal berufen wurden. Im Jahrzeitbuch der Pfarrei Schwyz (der Lauerz bis ca. 1600 angehörte) tauchen die Imhof aus Lauerz mehrmals auf, in den meisten Fällen unter dem Namen „Jützer“66STASZ, HA.II.192, der ein Übername für die Imhof war. So zum Beispiel „Heinrich Jützer von Lauwertz“67Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 80. Im Schwyzer Jahrzeitbuch sind leider keine Geburtsdaten vermerkt, aber dem Namen nach ist es wahrscheinlich, dass der dort vermerkte Ratsherr Heinrich Jützer (=Imhof) aus Lauerz, mit dem in der Urkunde von 1366 erwähnten „Heinrich am Hofe von Lauartz“, wenn nicht gar identisch, dann zumindest ein Nachkomme desselben sein könnte.
Aus welchem Grund besiegelte ein Adliger, nämlich Heinrich von Hünenberg diese Urkunde? Die Hünenberger hatten bis 1377 den St. Georgs Hof in Arth, mitsamt dessen Rechten, inne.68Andreas Meyerhans, Arth, S. 139, sowie STASZ HA.III.1885 Zu diesen Rechten dürfte auch gehört haben, bestimmte Güterverkäufe im Raum Arth zu besiegeln.
Gült aus Lauerz
Zitat aus der Gült: „Am 20. Dezember 1368 verkauft Seph von Louwertz und Hemma seine Frau und Lutzmann, ihr Sohn haben ihr Gut Rüti alldort um 34 Pfund Stebler Münz dem Wernher Lillin, Landmann zu Schwyz. Als Richter zu Zug wird genannt Heinrich von Hünenberg. – Siegler ist Johann Am Veld, Landmann zu Schwyz.
Gegeben an St. Thomas Abend.“69STASZ, HA.II.197
Das Landwirtschaftsgebiet Rüti gibt es heute noch und liegt rund 100 Meter über dem Dorf Lauerz. In diesem Liegenschaftsverkauf taucht wiederum Heinrich von Hünenberg auf, allerdings nicht mehr als Siegler, sondern als Richter in Zug. Es könnte sein, dass er als unabhängiger Schiedsrichter fungierte, der von keinem der beiden Parteien vereinnahmt werden konnte. Als Siegler70Das Wappen im Siegel ähnelt jenem der Imfeld, einem Landleutegeschlecht aus Obwalden. taucht Johann Am Veld auf, der bereits in einer Urkunde von 1338 (s. oben) als Schwyzer Vertreter aufgeführt ist. Es dürfte kein Zufall sein, dass in Lauerz nicht mehr der Hünenberger siegelte, sondern der Schwyzer Vertreter namens Am Veld. Lauerz war, anders als Buosigen, nicht Arther Gebiet, wo die Hünenberger noch Rechte hatten. Dieser Johann Amfeld (oder Imfeld) könnte ein Ammann in jenem Viertel gewesen sein, zu dem auch Lauerz damals gehörte. Der Verkäufer der Liegenschaft, Seph von Louwertz, wohnte zwar in Lauerz, gehörte aber vermutlich keinem Schwyzer Landleutegeschlecht an, sonst wäre dies, wie in der Gült aus Buosigen, erwähnt worden.
Ein Ablassbrief für die Lauerzer Kapelle
Bischof Otto von Konstanz stellte im Dezember 1420 für die vier Filialkirchen der Pfarrkirche Schwyz einen Ablassbrief aus: St. Aegidius im Tschütschi, St. Anton zu Ibach, St. Leohard zu Ingebohl und St. Theodul zu Lauerz.71Alois Dettling, Geschichtskalender, 1918/78 Um 1420 gehörte Lauerz noch zur Pfarrei Schwyz und der erste Kirchenpatron der Lauerzer Kapelle war St. Theodul.
Bannung des Sitiwaldes zwischen Seewen und Lauerz
Im Jahr 1442 („mitte fasten des Jars“) wird das Tannenholz im Sitiwald an der Gemeindegrenze zu Lauerz gebannt.72Martin Kothing, Schwyzer Landbuch: S. 211 Die Waldgrenze wird wie folgt beschrieben: Fängt an am See, bei der Engi und geht immer mehr hinauf bis an die Fluh. An derselben niederen Flu «durchuss hin» bis an die oberste Fluh. Und von dieser Fluh wiederum den Kreuzen entlang zum «Langen Zug». Und vom selben Zug hinunter an den See.
Die hier genannte «Engi» wird bereits in der oben beschriebenen Weg-Urkunde von 1340 erwähnt. Dieses Engnis wird sich unterhalb des heutigen Steinbruchs Zingel befunden haben. Die niedere Fluh lag vermutlich oberhalb des heutigen Steinbruchs. Die obere Fluh ist die eigentliche Zünggelenflue. Die genannten Kreuze waren von Menschenhand gezeichnete Grenzpunkte, wohl im Gebiet Ränggen. Der Langzug war bis ins letzte Jahrhundert ein oft genutzer Reistzug hinunter zum Lauerzersee. Er endete etwa 200 Meter östlich vom Otten und verlief teilweise entlang der heutigen Gemeindegrenze Lauerz-Schwyz. Der Sitiwald war lange Zeit ein Bannwald, zur Schirmung der darunter verlaufenden Landstrasse.73STASZ, HA.III.50, S. 253 (p. 825) 08.10.1711: Zur Beschirmung der Landstrasse dürfe man weder grosses, noch kleines Holz, noch Stauden im Sitiwald neben dem Lauerzersee schlagen. Ansonsten würde man für jeden gehauenen Stock gebüsst. Dieser Bannbrief ist wohl die erste Beschreibung der Gemeindegrenze von Lauerz zu Seewen bzw. Schwyz. Noch heute ist übrigens der Sitiwald im Besitz der Oberallmeind.
Gefallene Lauerzer im Alten Zürichkrieg
Der Alte Zürichkrieg dauerte von 1440 bis 1450 und war eine Auseinandersetzung zwischen Habsburg und Zürich einerseits und Schwyz, Glarus und den anderen Eidgenossen andrerseits. Auslöser war ein Erbschaftsstreit, der durch die unsicheren Zusagen des verstorbenen Grafen von Toggenburg entstand. Sowohl Schwyz und Glarus, als auch der Stadtort Zürich sahen sich berechtigt, das Erbe des toggenburgischen Grafen anzutreten. Weil Diplomatie nichts mehr half, kam es zum Krieg, wobei Zürich sich mit dem damaligen Todfeind der Eidgenossen, den Habsburgern, verbündete. Das rief auch die anderen Eidgenossen auf den Plan, die sich ab 1443 den Schwyzern und Glarnern anschlossen. Dieser Bürgerkrieg währte mit Unterbrechungen ganze zehn Jahre lang bis 1450 und endete mit der Niederlage Zürichs und Habsburgs.
Am 22. Mai 1443 kam es zu einem Gefecht zwischen den Schwyzern und Zürchern in Freienbach. Die Zürcher Kriegsknechte versuchten in Pfäffikon mit Booten anzulanden, wurden jedoch nach heftigen Kämpfen von Schwyzern und Glarnern zurückgeschlagen. Bei diesem Gefecht verlor ein Ueli Eberhard74Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 125 aus Buosigen sein Leben. Die wohl eindrücklichste Schlacht des gesamten Krieges, fand am 26. August 1444 bei St. Jakob an der Birs, vor den Toren Basels statt. Die Eidgenossen wurden von einer vierfachen französischen Übermacht in einem Siechenhaus eingekreist und kämpften bis annähernd zum letzten Mann in berserkerhaften Raserei gegen die französischen Söldner. Bei diesem brutalen Kampf kamen auch zwei Lauerzer ums Leben: Hans Jützer75Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 125 (=Imhof) und Ueli Gasser76Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 239. Ende Januar 1445 griffen mit Habsburg verbündete Truppen das St. Gallische Städtchen Wil an und töteten in einem Gefecht unter anderem zwei Schwyzer. Die Schwyzer, ihre verbündeten Eidgenossen, Toggenburger und Appenzeller, beschlossen daraufhin die Besitzung der habsburgischen Verbündeten, nämlich der Herren von Werdenberg und Herren von Brandis, anzugreifen. Die Eidgenossen marschierten bis nach Koblach im Vorarlberg und erstürmten dort in einem ersten Schritt die Burg „Neuburg“ und töteten deren Besatzung. Bei dieser Erstürmung Ende Januar 1445 fand Ueli Suter77Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 126 aus Lauerz den Tod.
Streit zwischen Schwyzer und Arther Pfarrer wegen Lauerz
Im Jahr 1462 kam es zu einem Streit zwischen dem Schwyzer Pfarrer, Johann Wänck und dem Arther Pfarrer Ulrich Lilli betreffend der Abgabe des Zehnten (=Steuer) von Seite der Lauerzer.78STASZ, HA.II.539 und Joseph Schneller, Regesten, S. 318 Sowohl der Schwyzer, als auch der Arther Pfarrer beanspruchten diesen Zehnten für sich. Landamann Ital Reding mussten im Auftrag des Konstanzer Bischofs die Sache klären. Er kam zum Schluss, dass „die Lauerzer seit alters her“ Kirchgenossen von Schwyz gewesen seien und auch die vier Opfer dorthin entrichteten. Im Gegenzug musste der Schwyzer Pfarrer die Lauerzer mit den heiligen Sakramenten versehen. Bei Unwetter oder anderer Hinderungsgründen hatte der Arther Pfarrer einzuspringen. Aus diesem Grund sollen die Lauerzer an beide Pfarrer den Zehnten entrichten.
Erneuter Ablass, ein Kapellenbrand und der Bau der zweiten Kapelle
Im Februar 1480 erhielt die Kapelle in Lauerz von drei Kardinalbischöfen, drei Kardinalpriestern und einem Kardinaldiakon einen 100-tägigen Ablass.79Alois Dettling, Geschichtskalender, 1906/9 Erneut wurde im Jahr 1504 ein Ablass für 50 Tage ausgestellt.80Alois Dettling, Geschichtskalender, 1910/52 In beiden Ablassbriefen wurde die Lauerzer Kirche noch als Tochterkirche der Pfarrkirche in Schwyz bezeichnet.
Im Frühjahr 1506 brannte diese vermutlich erste Lauerzer Kapelle ab. Um ein neues Gotteshaus zu bauen, wurde den Lauerzern ein Almosenbrief seitens des Landamanns und der Räte in Schwyz ausgestellt. Mit solchen Almosenbriefen wurde den Brandgeschädigten gestattet, Geld für den Neubau zu sammeln. In dieser Urkunde vom Karsamstag 1506 steht über die Lauerzer Kapelle folgendes: Die Kapelle sei aus Unsorgnis (=Fahrlässigkeit) vollständig abgebrannt und war Maria der Himmelskönigin und dem Heiligen Theodul geweiht. In der Feuersbrunst wurden auch alle Glocken, Messgewänder und anderer Zierrat zerstört.81Mitteilungen, Heft 6 (1889), S. 143-144
1508/1509 82Patrick Bürgi, Stefan Kälin, Marzell Camenzind, Röm. kath. Kirche Lauerz „St. Nikolaus“ – Ein Blick in unsere Kirche, 2. Auflage, 2011, S. 16 soll der Bau der neuen Kirche erfolgt sein. Thomas Fassbind berichtete in seiner Religionegschichte, dass diese neue Kirche an «der Landstrass nach Art zur Lingken» gestanden habe, «wo hingegen die alte [Kirche] ihr zur rechten gestanden, aber in einiger Entfernung von selber». Von dieser alten Kirche, die anno 1506 abgebrannt war, sei nur noch der Name der Matte geblieben, auf der sie gesanden habe. Deshalb heisse es dort noch heute «Kapellmatt».
Kirchenpatron der neuen Kirche war offenbar wieder St. Theodul, in der Mundart St. Joder83Schwyzer Geschichtskalender, 1925/09. 2. Februar 1617: „Jakob Fuster, Landsäss der Kirche zu Lauerz zu St. Joder“ genannt. Im Gotteshaus waren vermutlich drei Altäre aufgestellt84Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 327, er nimmt Bezug auf Johann Kaspar Lang, Historisch-Theologischer Grund-Riß, Band 1, S. 813. In der Kapelle befand sich auch eine farbig verzierte Altartafel aus Gold und Silber, vermutlich gotischen Stils. Von dieser Altartafel wissen wir nur, weil der Pfarrer in Sisikon im Jahr 1517 eine solche bei einem Handwerker in Zug bestellte und ausdrücklich erwähnte, sie solle gleich gestaltet sein, wie jene in Lauerz85Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Archidiakonat Aargau, Dekanat Luzern, Teil 4, Kanton Uri und Nidwalden, in Geschichtsfreund, Band 47 (1892), S. 327.
Ein Lauerzer Gefallener bei Marignano
Die Schlacht von Marignano von 1515 ist die wohl die bekannteste Schlacht der eidgenössischen Italienfeldzüge. Sie war auch der Anfang vom Ende der eidgenössischen Expansionspolitik in Oberitalien. Je rund 30‘000 Eidgenossen und Anhänger des französischen Königs Franz I. standen sich in Marignano (südlich von Mailand) gegenüber.86Florian Messner und Hagen Seehase, Ennetbirgische Feldzüge, S. 78 Anders als die Franzosen, verfügten die Eidgenossen jedoch über keine Kavallerie und nur unbedeutende Artilleriegeschütze. Am 13. September um 15.00 Uhr begann die Schlacht der Giganten, wie sie auf Italienisch auch genannt wird. Der Zuger Amman Werner Steiner nahm eine Handvoll Erde vom Boden und besprengte damit die erste Schlachtreihe der Eidgenossen mit den Worten „Das ist im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das soll unser Kirchhof sein“. Im darauffolgenden Nahkampf konnten die Eidgenossen vorerst die Franzosen und Landsknechte zurückdrängen, allmählich wurden sie aber durch die gegnerische Artillerie stark dezimiert. Ein heftiger venezianischer Reiterangriff am nächsten Morgen besiegelte schliesslich die Niederlage der Schweizer Krieger. Unter hohen Verlusten musste sie sich nach Mailand und schliesslich über die Alpen zurückziehen. Mindestens ein Lauerzer kam bei dieser bekannten Schlacht ums Leben. Im Jahrzeitbuch der Pfarrkirche Schwyz steht an einer Stelle geschrieben„Werner Imhof von Lauerz […], Hans, sein Sohn, verloren vor Mailand“87Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 275. Im Original: Werni Im Hoff von Louwertz […], Hans, sin sun, verlor vor Melannd“. Verloren heisst hier: das Leben verloren.
Wer ist der ältere Lauerzer Kirchenpatron: St. Theodul oder St. Nikolaus?
Heute ist St. Nikolaus der Patron der Lauerzer Pfarrkirche. Im Jahr 1794 wurde jedoch in einem offiziellen Katalog des Bistums Konstanz die alte Lauerzer Pfarrkirche als dem St. Nikolaus und St. Theodul geweiht erwähnt.88Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 96 Offenbar gab es damals noch ein Doppelpatronat für die alte Pfarrkirche, das heute verschwunden ist. Sowohl der hl. Nikolaus, als auch der hl. Theodul (Sant Joder) sind ausgesprochene Alpenheilige.
Wer war der heilige Theodul?
Verschiedentlich wird die Anschauung vertreten, es handle sich bei St. Joder um einen Patron der Walser. Diese seien ursprünglich aus dem Wallis gekommen und hätten den dortigen Landespatron gleich mitgenommen. Gemäss Christian Caminada, dem späteren Churer Bischof, genoss St. Theodul jedoch im ganzen Alpenraum und darüber hinaus Verehrung. Er ist damit kein reiner Walser-Patron89Christian Caminada, Die Bündner Glocken, Anmerkung auf S. 66, sondern ein typischer Alpenheiliger.
Die historische Gestalt des hl. Theodul ist schwierig zu greifen und verschwimmt oftmals mit Legenden. Das Hauptproblem dabei ist, das der Bischof Theodul bzw. Theodor in drei Personen vorkommt. Christian Caminada fasste es wie folgt zusammen „Die ‚Valesia christiana‘ des Domherrn Sebastian Briguet [von Sitten, VS] unterscheidet einen Theodor I., ums Jahr 318, und einen Theodor II., ums Jahr 513, welche den Bischofssitz in Martinach [Martigny, VS] inne hatten. Ferner hat er einen Theodor III., welcher ums Jahr 802 Träger der bischöflichen Würde in Sitten war. Dieser gleiche Schriftsteller bezeichnet den hl. Theodul oder Theodor III. als den Glockenheiligen.“90Christian Caminada, Die Bündner Glocken, Anmerkung auf S. 67
Einer der beiden Bischöfe namens Theodul soll auch die Gebeine der Thebäischen Legion in St. Maurice, Kt. Wallis, ausgegraben haben und dort eine Basilika gestiftet haben. Dieser Theodul soll in Martigny begraben worden sein. Nach der Verlegung des Walliser Bischofssitz von Martigny nach Sitten, sollen auch die Gebeine des Bischofs nach Sitten überführt worden sein. In Sitten erscheint St. Theodul im Jahr 999 als Kirchenpatron.91Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 111
Im Volksglauben gibt es einige Legenden über St. Joder. So soll es ihm gelungen sein, den Teufel zu überlisten, damit dieser ihm eine Glocke von Rom über den Theodulspass nach Sitten trug. Der Teufel soll darüber so erbost gewesen sein, dass er die Glocke in tausende Stücke zerschlug. Diesen Glockenstücken wurde die Kraft nachgesagt, vor Unwettern zu schützen. Deshalb wurden sie später in viele weitere Kirchenglocken eingeschmolzen. Auch soll der Bischof Theodul durch ein Wunder aus wenigen Traubenbeeren viel Wein gewonnen haben. Deshalb wird St. Theodul oft mit einer Glocke, einem kleinen Teufel und mit einer Traube dargestellt.92Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 114 Er ist der Patron des Viehs und der Winzer, sowie Schutzpatron gegen dämonische Anfechtungen.93Ernst Tremp, Theodor v. Octodurus, in Lexikon für Theologie und Kirche, Band 9, Herder, Freiburg (2000), S. 1415 In der Lauerzer Pfarrkirche steht er rechts vom Hochalter in seinem bischöflichen Ornat, in der rechten Hand hält er die Bibel, in der linken den Bischofsstab. Zu seinen Füssen sitzt ein Teufel, der ihm die Glocke hinhält. Das bartlose Gesicht St. Theoduls ist für einen Bischof wohl denkwürdig, er wird aber auch in anderen Kirchen ohne Bart dargestellt.
Die Verehrung von St. Joder hängt in unserer Region mit seiner Rolle als Glockenpatron zusammen. Die Valesia-Glocke in Sitten, die Bischof Theodul der Legende nach durch einen Teufel von Rom nach Sitten tragen liess, soll helfen, Unwetter abzuwehren. Das Glockenläuten als Wetter- und Unheil-abwehrendes Mittel, wird beim Wetterläuten noch heute praktiziert. St. Theodul ist deshalb der Glockenpatron vieler Kirchenglocken. Die Bedeutung der St. Theodulsglocken zeigt uns eine Anekdote von Bischof Caminada aus dem Bündnerland: „Wenn das schwarze, unheilverkündende Gewitter sich von den Bergen löst und wie ein unheimliches Schlachtheer heranrrückt gegen Haus, Hof, reifende Kornäcker und Vieherden auf den Alpen, dann bangt es dem Bauer, das Herz will vor Angst und Ratslosigkeit zerspringen. Er hebt seine Arme, als wollte er dem Unwetter sich entgegenstemmen; aber sie fallen ihm kraftlos in den Schoss. Da löst sich der Ton der Glocke vom Turme und stellt sich dem rollenden Ungewitter im Namen Gottes entgegen. Voran läutet die siegesstarke St. Theodorsglocke, dann fallen auch die anderen ein und kämpfen, Schwert gegen Schwert kreuzend.“94Christian Caminada, Bündner Glocken, S. 96 Die Bedeutung des Glockenläutens ist im Volksglauben nicht zu unterschätzen. Gerade die Wetterglocken wollen durch ihr starkes Läuten den Menschen die Furcht vor dem Unwetter nehmen. Die Glocke ist im Christentum ein Symbol des Guten. Wir stossen sogar in der Sagenwelt auf die wundersame Kraft der Glocke, etwa wenn das Morgenglöcklein die Marchsteinversetzer, Hexen und bösen Geister zu vertreiben vermag.
Im Jahr 1407 wird ein grosses Stück der verehrten Theodulsglocke aus dem Wallis nach Schwyz gebracht.95H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (19286), S. 278 Von hier sollen Stücke in alle Schwyzer Kirchgänge verteilt worden sein, dabei sicher auch nach Lauerz, dessen Kapelle ja um 1420 als dem Hl. Theodul geweiht genannt wird. Eine alte Kirchenglocke in der Schwyzer Pfarrkirche wurde 1444 zu Ehren des hl. Joder geweiht.96Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Teil 2, S. 303
Schauen wir uns in der Nachbarschaft von Lauerz um, so finden wir in Innerschwyz kein einziges Patrozinium von St. Theodul97Nur in der Kapelle in Wilen (Ingenbohl), die im Jahr 1595 erbaut wurde, reiht sich der hl. Theodul in die Versammlung weiterer Schutzpatrone dieses Gotteshauses ein. Quelle: Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Teil 3, S. 86. In Unterwalden und Uri werden wir jedoch fündig. Zuerst nach Unterwalden: in Engelberg findet sich die älteste Verehrung des hl. Theodul in der Innerschweiz, nämlich im 12. Jahrhundert.98Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 113 In der alten Klosterkirche (im Jahr 1729 abgebrannt), standen beim Hochaltar zwei grosse Statuen des Hl. Nikolaus und Theodul99Pater Adalbert, Der Klosterbrand von Engelberg, in Geschichtsfreund, Band 31 (1876), S. 232 (wie übrigens heute in Lauerz). Der Engelberger Aa entlang liegt das nidwaldische Wolfenschiessen. Dort soll Theodul etwas später, im 13. Jahrhundert, verehrt worden sein.100Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 113 In Altzellen, das noch zu Wolfenschiessen gehört, wurde die Kapelle zu Ehren St. Joder im Jahr 1482 eingeweiht.101Robert Durrer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden, Birkhäuser Verlag, Basel (1928, 1971), S. 18-19 Die Mutter von Bruder Klaus stammte aus Altzellen. Auch die Pfarrkirche im obwaldischen Sachseln, wo ihr Sohn, Niklaus von Flüe, begraben liegt, ist dem hl. Theodul geweiht. Auf den Spuren von Bruder Klaus finden sich immer wieder Hinweise auf St. Theodul.
Auch im Urnerland ist St. Theodul als Kirchenpatron vertreten, unter andem in der Pfarrei Isenthal102H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (1986), S. 278 und in Unterschächen bei der Kapelle auf dem Biel103Marion Sauter, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri. Schächental und unteres Reusstal. Band III, Bern (2017), S. 237. Das erste Theodulsbild im Kanton Uri ist für das Jahr 1350 in Seedorf nachgewiesen.104H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (1986), S. 148
Wenn wir uns das zeitliche Auftreten der Theoduls-Verehrung in Unterwalden und Uri anschauen, liegen wir sicher nicht daneben, wenn wir das erste Lauerzer Patrozinium von St. Theodul ins 13. bis 14. Jahrhundert verlegen.
Das Fest des St. Joder wird am 16. August begangen. Ab dem 17. Jahrhundert soll der Kult des Hl. Theodul nachgelassen haben, weswegen viele neue Kirchen „modischeren“ Heiligen geweiht wurden.105Ulrich Nachbaur, Der heilige Theodul als „Walser Patron“, in Verba volant, Onlinebeiträge des Vorarlberger Landesarchivs, S. 6 Dies könnte ein Grund sein, weshalb St. Nikolaus in Lauerz in der neuen Pfarrkirche zum Kirchenpatron ernannt wurde, obwohl er als ursprünglich byzantinischer Heiliger ganz und gar nicht „neu“ war.
St. Nikolaus, der Patron des Wassers und der Kinder
Der Heilige Nikolaus von Myra war ursprünglich ein byzantinischer Heiliger der Ostkirche106Michael Benzenrath, Byzantinisch-orientalische Patrone, Heiligenpatrone aus der Kreuzzugszeit und dem Spätmittelalter, in Freiburger Geschichtsblätter, Jahrgang 20 (1913), S. 157, der besonders im 12. und 13. Jahrhundert eine weite Verbreitung im Abendland fand107Ebd. S. 161. Er wirkte als Bischof im 4. Jahrhundert im kleinasiatischen Myra (heute Türkei) und starb um das Jahr 343. Nikolaus ist ein häufig anzutreffender Heiliger in der christlichen Welt und wird insbesondere wegen seiner wundertätigen Hilfsbereitschaft und Menschenliebe verehrt. Er ist der Beschützer der Kinder, Jungfrauen, Flösser, Fischer, Schiffer, sogar der Schnapsbrenner und vieler weiterer Berufe. Vor allem in der Gestalt des Samichlauses kennen wir heute St. Nikolaus, wenn er an seinem Fest am 6. Dezember die Kinder lobt und ermahnt und sie mit Geschenken erfreut.
Viele Legenden kennt der Volksglaube von St. Nikolaus: Er rettete zum Beispiel Schiffer, die in Seenot gerieten; schenkte drei mittellosen Mädchen drei wundersam erschaffene Goldkugeln, damit die Mädchen heiraten konnten; er erweckte auch ein ertrunkenes Kind wieder zum Leben und liess einen gefangen gehaltenen Knaben durch ein Wunder wieder zu seinen Eltern zurückkehren.108Legenda aurea, S. 26 – 34 An seinem Grab soll zu seinem Haupt ein Brunnen aus Öl, zu seinen Füssen eine Wasserquelle entsprungen sein.109Ebd. S. 31
Im Alpenraum ist St. Nikolaus besonders häufig anzutreffen. Er ist der Namensgeber von verschiedenen schweizerischen Ortschaften und Pässen. Er wird hier als Beschützer vor Naturgewalten, besonders vor den Gefahren des Wassers, angesehen. Viele seiner Gotteshäuser in der Innerschweiz liegen an Seen, Flüssen oder Bächen. So zum Beispiel St. Niklausen im Seebecken von Luzern, ihm gegenüber liegt die Inselkapelle St. Niklausen bei Meggen; östlich der Treib befindet sich ein Bildstock bei der Klausenegg110Bauen am See, S. 98; am Zugersee in Oberwil ist die alte Kapelle ebenfalls St. Niklaus geweiht; ein Chlauseneggen gibt es auch bei St. Adrian am Zugersee, bei dem der Chlausenbach vom Gänggigerberg in den See fliesst. In der Bundeskapelle in Brunnen ist der auf der Seeseite gelegene, südliche Seitenaltar dem hl. Nikolaus geweiht.111Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Teil 3, S. 87 Nicht verwunderlich, wurde auch in Lauerz der hl. Nikolaus der Patron unserer Pfarrkirche, hat doch unsere Gemeinde naturgemäss einen starken Bezug zum Wasser. Sowohl durch den See, als auch durch die vielen Bäche, die beide bei Unwettern schon manche Not verursacht haben. Das grosse Quellwasservorkommen in Lauerz zeugt ebenfalls von der Bedeutung des Wassers für unsere Gemeinde. Die im 19. Jahrhundert errichtete Kapelle im Langberg ist wie unsere Pfarrkirche dem hl. Nikolaus geweiht. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass der Chlausenbach in Buosigen und Lauerz seinen Namen von St. Nikolaus erhalten hat. Der Bezug dieses Gewässers zum Lauerzer Kirchenpatron liegt auf der Hand. Allgemein ist auffallend, wie in der Umgebung der Rigi die Flurnamen und auch die Festbräuche einen starken Bezug zu St. Nikolaus aufweisen. Rund um die Rigi, in Gersau, Vitznau, Küssnacht und Arth sind die Chlausbräuche besonders stark verankert.112Josias Clavadetscher, Triichle und Chlepfe, S. 75
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 4 verso
2
Thomas Fassbind, Religonsgeschichte, p. 5 recta
3
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 9 recta
4
QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1485
5
QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1486
6
Viktor Weibel, Namenbuch, Band 4, S. 353
7
Carl Zay, Goldau, S. 260
8
Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum, 1. Abt., Band VII/3, 1286, S. 60 und 61
9
QW, Abt. 1, Bnd. 1, Nr. 1485
10
Aufzählung gemäss Wilhelm Oechsli, Anfänge, Regesten S. 86, Nr. 294
11
HU, Band I., S. 213
12
HU, Band II, 2, S.547
13
HU, Band II, 2, S.547
14
Thomas Glauser, Die Bevölkerung im ausgehenden Mittelalter, Geschichte SZ, Band 2, S. 182
15
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 1084 (S. 792-794)
16
Hans Stadler-Planzer, 900 Jahre Oberallmeinkorporation, S. 16
17
Ebd. S 18
18
Geschichtskalender, 1918/78
19
Geschichtskalender, 1907/64
20
Josef Wiget, Morgarten, S. 39
21
QW, Abt. I, Band 2, Nr. 1600 (S. 783)
22
Bruno Meyer, Hochmittelalterliche Grundlagen, in Geschichtsfreund, Band 100 (1947), S. 32
23
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 203 (S. 139): Am 8. Februar 1338 fordert ein von Stoffeln, habsburgischer Pfleger in Rothenburg, von den Arther Hofleuten 500 Pfund ausstehende Zinsen und Abgaben in Raten abzubezahlen. In dieser Urkunde ist die Rede davon, dass die fünf Arther Bürgen diesen Betrag in einem Wirtshaus in Arth abliefern sollen und dies soll «nach des landes recht und gwonheit ze Swiz» geschehen.
24
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 231 (S. 158)
25
STASZ, HA.II.197
26
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 274 und STASZ HA.II.113
27
QW, Abt. 1, Band 3, Nr. 1084 (s. 792)
28
Wo die Grenzen des Dorfes Lauerz lagen, ist an Hand des Urbars nicht festellbar. Grundsätzlich ist die Bezeichnung «Dorf» im Habsburgischen Urbar nicht genau umschrieben. Auch Gänggigen (Gem. Arth) wurde beispielsweise als Dorf bezeichnet, obwohl noch heute lediglich einige Höfe dort stehen.
29
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 265 (S. 177)
30
Martin Kothing, Landbuch, S. 209
31
STASZ, HA.III.1285, S. 101 (p. 105)
32
IVS, Strecke SZ 5, Seite 1
33
Siehe unter anderem: Walter Imhof, Die ersten Muotataler, Triner Schwyz (2013)
34
STASZ, HA.III.20, S. 150
35
IVS, Strecke SZ 212
36
Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, band 163 (2010), S. 117
37
STASZ, HA.III.1285, S. 138 (p. 147)
38
STASZ, HA.III.1285, S. 212 (p. 228)
39
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 319 (S. 213)
40
STASZ, SG.CIII.42: Noch um 1851 wurde auf einem Plan der Seematt im Otten ein Weg auf die Rigi-Scheidegg eingezeichnet. Die französische Bezeichnung lautete: «Sentier à Scheidegg au mont Rigi».
41
QW, Abt.1, Band 3, Nr. 319, Umlaute wurden vom Verfasser angepasst
42
Vom Verfasser: Peter Betschart
43
Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), S. 116
44
Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), siehe Karte S. 118
45
Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, in Geschichtsfreund, Band 163 (2010), S. 118-119
46
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 216
47
Johann Gottfried Ebel, Anleitung auf die nützlichste und genussvollste Art der Schweiz zu reisen, Orell, Gessner, Füssli & Compagnie, Zürich (1793), S. 106-107
48
«Wegweiser zu einer Fussreise 1873», Unbekannter Autor, Original-Dokument von Willy Dettling, Lauerz
49
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 230.2
50
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 228
51
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 230.1
52
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 212
53
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 212.1.1
54
Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz, Strecke SZ 218; sowie Karte STASZ, SG.CIII.30 und Karte von Carl Zay, Goldau
55
Amtsblatt von 1916, S. 128
56
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 945 (S. 600)
57
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 966 (S. 640)
58
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 989 (S. 658)
59
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 975 (S. 651). Aus dem Jahrzeitbuch Arth, im Jahr 1640 erneuert.
60
Erich Ketterer, Wer sind die «Unterällmiger», in Jubiläumsschrift, S. 25
61
Geschichtsfreund, Band 11 (1855): S. 178
62
Geschichtsfreund, Band 11 (1855): S. 179
63
Carl Zay, Goldau, Karte von Fidel Zay. Dort ist ein Wegstück von Unter-Buosigen nach Ober-Buosigen eingezeichnet, das beim Heimwesen Ober Lindenmoos endet.
64
Aus einer Gült aus dem Jahr 1645: «[…] und einem riedt Wyty genant samt dem Wintzenmattli», STASZ, HA.II.4213
65
STASZ, HA.II.192
66
STASZ, HA.II.192
67
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 80
68
Andreas Meyerhans, Arth, S. 139, sowie STASZ HA.III.1885
69
STASZ, HA.II.197
70
Das Wappen im Siegel ähnelt jenem der Imfeld, einem Landleutegeschlecht aus Obwalden.
71
Alois Dettling, Geschichtskalender, 1918/78
72
Martin Kothing, Schwyzer Landbuch: S. 211
73
STASZ, HA.III.50, S. 253 (p. 825) 08.10.1711: Zur Beschirmung der Landstrasse dürfe man weder grosses, noch kleines Holz, noch Stauden im Sitiwald neben dem Lauerzersee schlagen. Ansonsten würde man für jeden gehauenen Stock gebüsst.
74
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 125
75
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 125
76
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 239
77
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 126
78
STASZ, HA.II.539 und Joseph Schneller, Regesten, S. 318
79
Alois Dettling, Geschichtskalender, 1906/9
80
Alois Dettling, Geschichtskalender, 1910/52
81
Mitteilungen, Heft 6 (1889), S. 143-144
82
Patrick Bürgi, Stefan Kälin, Marzell Camenzind, Röm. kath. Kirche Lauerz „St. Nikolaus“ – Ein Blick in unsere Kirche, 2. Auflage, 2011, S. 16
83
Schwyzer Geschichtskalender, 1925/09. 2. Februar 1617: „Jakob Fuster, Landsäss der Kirche zu Lauerz zu St. Joder“
84
Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 327, er nimmt Bezug auf Johann Kaspar Lang, Historisch-Theologischer Grund-Riß, Band 1, S. 813
85
Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Archidiakonat Aargau, Dekanat Luzern, Teil 4, Kanton Uri und Nidwalden, in Geschichtsfreund, Band 47 (1892), S. 327
86
Florian Messner und Hagen Seehase, Ennetbirgische Feldzüge, S. 78
87
Josef Wiget, Jahrzeitbuch Schwyz, S. 275. Im Original: Werni Im Hoff von Louwertz […], Hans, sin sun, verlor vor Melannd“
88
Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 96
89
Christian Caminada, Die Bündner Glocken, Anmerkung auf S. 66
90
Christian Caminada, Die Bündner Glocken, Anmerkung auf S. 67
91
Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 111
92
Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 114
93
Ernst Tremp, Theodor v. Octodurus, in Lexikon für Theologie und Kirche, Band 9, Herder, Freiburg (2000), S. 1415
94
Christian Caminada, Bündner Glocken, S. 96
95
H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (19286), S. 278
96
Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Teil 2, S. 303
97
Nur in der Kapelle in Wilen (Ingenbohl), die im Jahr 1595 erbaut wurde, reiht sich der hl. Theodul in die Versammlung weiterer Schutzpatrone dieses Gotteshauses ein. Quelle: Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, Teil 3, S. 86
98
Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 113
99
Pater Adalbert, Der Klosterbrand von Engelberg, in Geschichtsfreund, Band 31 (1876), S. 232
100
Die Schweizerischen Heiligen des Mittelalters, S. 113
101
Robert Durrer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden, Birkhäuser Verlag, Basel (1928, 1971), S. 18-19
102
H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (1986), S. 278
103
Marion Sauter, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri. Schächental und unteres Reusstal. Band III, Bern (2017), S. 237
104
H. Gasser, Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Die Seegemeinden, Band II, Birkhäuser Verlag, Basel (1986), S. 148
105
Ulrich Nachbaur, Der heilige Theodul als „Walser Patron“, in Verba volant, Onlinebeiträge des Vorarlberger Landesarchivs, S. 6
106
Michael Benzenrath, Byzantinisch-orientalische Patrone, Heiligenpatrone aus der Kreuzzugszeit und dem Spätmittelalter, in Freiburger Geschichtsblätter, Jahrgang 20 (1913), S. 157
Auf dem Lauerzer Gemeindegebiet befindet sich eine der schönsten Inselburgen der Schweiz. Unzweifelhaft hat die Schwanau dank ihrer Lage einen romantischen Charme, den sie nur mit wenigen anderen Inseln der Schweiz teilen muss. Heute beeindruckt die Schwanau die Besucher mit der mittelalterlichen Burg, der Kapelle und dem Gasthaus im Schwyzer Bauernhausstil.
Sowohl die grosse, als auch die kleine Insel bestehen aus Schrattenkalk, der stark zerklüftet ist. Besonders auf der kleinen Insel ist das Gestein teilweise erzhaltig. Der Name der Insel hat vermutlich nichts mit den Schwänen zu tun. Swandow ist der älteste Namensbeleg für die Insel und bezeichnet eine geschwendete, das heisst gerodete, Au.1Viktor Weibel, Namenbuch, Band 1, S. 129 Au ist ein Gebiet mit Wasseranstoss und kommt häufig als Namensteil von Inseln vor (z.B. Ufenau, Lützelau, Reichenau etc.).
Die Schwanau und ihre Geschichte gibt bis heute Rätsel auf. Was sich im Mittelalter und davor auf der Insel ereignete, ist uns leider nur in Bruchstücken überliefert. Die bisher wertvollsten Hinweise lieferte eine archäologische Ausgrabung im Jahr 1960, als die Insel detailliert untersucht wurde. Aber auch diese konnte wichtige Fragen, wie etwa den Zeitraum und die Umstände beim Verlassen der Burg, nicht abschliessend beantworten. Auch über die Bedeutung der Insel in vormittelalterlicher und urgeschichtlicher Zeit ist sehr wenig bekannt. An Hand der Ergebnisse der Ausgrabung von 1960 und den vorhandenen schriftlichen Quellen, soll trotzdem versucht werden, die Geschichte soweit als möglich wiederzugeben.
Die Schwanau in urgeschichtlicher Zeit
Die erste Begehung der Insel Schwanau reicht mindestens bis in die Bronzezeit (ca. 1200 v. Chr.)2Wernerkarl Kälin, Die Insel und Burg Schwanau, Schwyzer Hefte 18 (1980), S. 11 zurück. Während den genannten Grabungsarbeiten in den Jahren 1959/60 wurden wenige Fragmente von prähistorischer Keramik gefunden.3Hugo Schneider, Böse Türnli, 1984, S. 137 Sie lagen in der untersten Bodenschicht, unmittelbar über dem schrattigen Kalkfelsen.4Hugo Schneider, Nachrichten, in ZAK, Band 20 (1960), Heft 4, S. 233 Die Magerungen einzelner Scherben5Funde DB Schwanau, Schweizerisches Landesmuseum, Inventarnummer LM-84419.2-17, sowie eine plastische Leistenzier, finden sich in dieser Art oft bei Keramik aus der späten Jungsteinzeit (Horgenzeit).6Archeolog, Objektliste Schwanau, Staatsarchiv Schwyz Ebenfalls wurde im nordwestlichen Teil der Anlage ein Graben freigelegt, der aus urgeschichtlicher Zeit stammen könnte.7Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 137 Zu welchen Zwecken dieser Graben gedient haben könnte, wissen wir nicht. Dass Inseln in früherer Zeit bevorzugt von Menschen aufgesucht wurden, ist beispielsweise von den Inseln Ufenau und Lützelau in Ausserschwyz bekannt. Auf Inseln befanden sich oftmals auch religiöse Kultstätten. Auf der Ufenau ist zum Beispiel ein gallorömischer Tempel belegt. Könnten auch die urgeschichtlichen Funde auf der Schwanau mit einem solchen Kultort in Zusammenhang stehen?
Auf der Insel Schwanau wurde vor Mitte des 19. Jahrhunderts mindestens eine Münze gefunden, die aus Lyon stammte, aus Mittelbronze geprägt war und den römischen Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.) abbildete.8STASZ: SG.CIX.50.4.10.2, sowie P. Emanuel Scherer, Die vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Altertümer der Urschweiz, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 27 (1924), S. 218 (30) Nach Felix Donat Kyd (1793-1869) sollen weitere römische Münzen durch einen Fischer namens Abury gefunden worden sein.9Martin Trachsel, Die Zeit der Römer, in Geschichte SZ, Band 1, S. 113. Dieser Fund konnte bis heute nicht überprüft werden.
Die Schwanau und angrenzende Verkehrswege
Die Lage der Festung inmitten des Lauerzersees wirft die Frage auf, weshalb ausgerechnet auf der Schwanau eine Burg errichtet wurde. Abgesehen davon, dass geschützte Insellagen seit jeher begehrt waren, können uns die Verkehrswege im Schwyzer Talkessel eine Antwort geben. Im Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz wird dem Weg von Schindellegi-Rothenthurm-Seewen-Brunnen10IVS, Strecke SZ 2, Seite 1, sowie der Route Arth-Goldau-Lauerz-Brunnen11IVS, Strecke SZ 5, Seite 1 eine wichtige Bedeutung zugemessen. Beide Routen waren Teil der wichtigen Verbindung vom Mittelland und Zürich nach dem Gotthard. Die Insel Schwanau lag also an einer verkehrstechnisch bedeutsamen Stelle, da in ihrer unmittelbarer Nähe die beiden Routen zusammen liefen. Noch weiter in der Geschichte zurück liegend, in urgeschichtlicher Zeit, war der Lauerzersee vermutlich der Seeweren entlang mit dem Vierwaldstättersee verbunden.12Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 77, Abb. 3.30 Damalige Menschen hatten somit Anschluss an das Gotthardgebiet und das Mittelland. Die prähistorischen Funde von der Schwanau belegen, dass die Insel in urgeschichtlicher Zeit von Menschen aufgesucht wurde. Im Mittelalter wird die Insel auf Grund ihrer Lage an den oben genannten Verkehrsrouten als Stützpunkt für einen adligen Landesherren wichtig gewesen sein.
Es ist aus diesem Grund nicht auszuschliessen, dass sich zum Beispiel am gegenüberliegenden Ufer der Insel eine Zollstätte befand, wie das der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind um 1800 in seiner Religionsgeschichte angenommen hatte.13Martin Ochsner, Schwyz und der Verkehr über den St. Gotthard, in Mitteilungen, Heft 36 (1929), S. 48 Nicht minder wichtig war vermutlich die Bedeutung der Burg als Repräsentationsbau. Sie war sichtbares Zeichen, dass ein Landesherr hier ein Gebiet, möglicherweise das Arthertal oder sogar den Schwyzer Talkessel, beanspruchte.
Die bauliche Datierung der Burg
Gemäss Hugo Schneider (1916-1990), der die archäologische Ausgrabung im Jahr 1960 leitete und dokumentierte, dürfte die Erbauung der Burg kurz vor dem Jahr 1200 erfolgt sein.14Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 137 Schneider führt für diese Annahme die Art der Mauerung und den Kantenschlag an den Eckverbände des Turmes an, die sich auch an anderen Wehranlagen der Zentral- und Ostschweiz aus dieser Zeit finden liessen.
Der Burgenforscher Daniel Reicke geht hingegen davon aus, dass die Burg erst um die Hälfte bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut wurde, da grosse Ähnlichkeiten mit dem um 1240 datierten kyburgischen Turm in Richensee und dem um 1254 begonnen Turm in Moosburg bestehen.15Daniel Reicke, Flüejen, S. 69 Der Baubeginn der Burganlage, sei er nun kurz vor dem Jahr 1200 oder um 1240, könnte zeitlich zur Eröffnung der Schöllenschlucht passen, womit die Gotthardroute bekanntlich eine grössere Bedeutung erlangte. Die Erschliessung dieses wichtigen Verkehrswegs für den Handel und das Militär war für den adligen Erbauer der Schwanau wohl ebenfalls ein wichtiger Faktor zum Bau der Burganlage.
Die Erbauung der Burg
Die Mauersteine der Schwanau, vornehmlich Findlinge, wurden mit grosser Wahrscheinlichkeit aus dem Gebiet Weidstein-Flüeliboden-Chlostermatt auf die Insel geschafft. Nebst der kurzen Transportstrecke sprechen für diese These auch die Gesteinsarten (viel Gneis, Granit), die vom Reussgletscher antransportiert und in grosser Zahl in diesem Gebiet abgelagert wurden. Ob die Erbauung der Burg nur im Winter, bei zugefrorenem See, erfolgte16Hugo Schneider, Ausgrabungen Schwanau, S. 20, darf hinterfragt werden, denn erstens fiel die Erbauung in die mittelalterliche Warmzeit, was die Eisbildung im See erschwerte, zweitens gab es keine Garantie, dass das Eis genügend stark gefroren war, um über eine Tonne schwere Blöcke17Ebd. zu transportieren und drittens hätte sich die Fertigstellung stark in die Länge gezogen, wenn der Transport des Materials nur bei Tiefsttemperaturen hätte stattfinden können. Zum Transport der Steine über den See könnten starke Flösse gedient haben.
Beschrieb der Burganlage18Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 129ff. Die nachfolgenden Ausführungen wurden an Hand des Grabungsberichts von Hugo Schneider zusammengefasst.
Die einstige Burganlage ist heute nur noch unvollständig erhalten. Der Turm misst ca. 10 Meter im Quadrat und ist heute an der höchste Stelle ca. 9 Meter hoch. Früher dürfte er etwa 5 Meter19Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 3. Dr. Robert Durrer schreibt am 27.10.1903 in einem Brief an die Gesellschaft für Erhaltung historischer Kunstdenkmäler: «Der Turm wurde vor etwa 40 Jahren um etwa 5 Meter abgetragen und mit dem betreffenden Material der Innernraum völlig ausgefüllt». höher gewesen sein und einen hölzernen Aufbau besessen haben20Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 133, . Die oberen Geschosse hat man 1850 abgetragen und den Turm damit aufgefüllt.21Linus Birchler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band. 2, Schwyz II. (1930), S. 346 Eine nach aussen verjüngte Scharte befindet sich, von unten kaum sichtbar, an der Nordseite des Turmes. Sie könnte als Lichtschacht oder gar für einen knienden Armbrust- oder Bogenschützen genutzt worden sein, der so den Toreingang sichern konnte. Auf der Nordseite war nämlich auch das schmale Eingangstor eingebaut, welches vermutlich mit einem Fallgatter versehen war. Der heutige Fussweg vom Gasthaus zur Burg führt direkt durch das ehemalige Tor.
Knappe 20 cm Oberkant der genannten Scharte befinden sich in die Mauern eingelassen je sechs Balkenlöcher in den Ost- und Westmauern des Turms. Die vorgesehenen Balken trugen eine hölzerne Etage, mittels welcher man zur Scharte, welche einen Stock tiefer lag, gelangte. In den vier Ecken des Turminnern konnten pro Ecke je ein ausgemörteltes Pfostenloch festgestellt werden. Vielleicht waren sie während dem Bau des Turms für einen hölzernen Baukran vorgesehen. Diese Pfosten trugen später vermutlich jene Etage, auf der sich die Scharte in Richtung Eingangstor befand. Unterhalb dieser letzten Etage für die Scharte, also ganze 6 Meter über dem Bodenniveau, befanden sich keine Stockwerke mehr. Möglicherweise diente dieser Raum als Verlies, ähnlich dem Luzerner Wasserturm. Der Oberteil des Turmes, der heute nicht mehr sichtbar ist, war vermutlich aus Holz und aus der Mauer vorkragend. Der Turm diente vornehmlich zur Verteidigung und nicht zur Bewohnung. Der Turmeingang ist heute nicht mehr sichtbar, war aber vermutlich über die südliche Festungsmauer erreichbar.
Wenn wir im inneren des Burghofes stehen, befindet sich in Richtung Mythen (=Osten) der trapezförmige Palas, der durch vier Mauern eingefasst ist. Er wird als Wohntrakt gedient haben. Kurz vor dem Eingang zum Palas befindet sich in der Nordmauer ein etwa 1 Meter breiter Einschnitt. Dieses Pförtchen könnte zur Beschaffung von lebensnotwendigem Trinkwasser aus dem See gedient haben. Eine Zisterne konnte nämlich auf der Schwanau bis heute nicht nachgewiesen werden.
Zum Palas ist folgendes zu sagen: Dieses Wohngebäude war auf die drei Aussenmauern aufgesetzt und wird einige Meter höher gewesen sein, als die Aussenmauer. Auf einen höheren Bau weisen Fundamentverstärkungen in der Nordost- und Südostecke hin. Auch die hofseitige Quermauer von 1.9 Metern Dicke lässt ein höheres Gebäude vermuten. Das Gebäude kann als Wohntrakt angesprochen werden, da in diesem Bereich viele archäologischen Kleinfunde gemacht wurden, unter anderem eine Ofenkeramik (Röhrenkacheln), aber auch eine Zange, Hufeisen, Glöcklein, zwei Armbrustbolzen und vier Pfeileisen.22Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 1 Die im Innern des Palas gefundenen Ziegelfragemente belegen, dass der Palas einst mit halbrunden Ziegeln eingedeckt war.23Hugo Schneider, ZAK, Band 20 (1960), Heft 4, S. 233
Die Aussenmauer misst auf der Südseite 32 Meter in der Länge und ist mit 2.0 – 2.8 Metern bedeutend stärker, als auf der Nordseite, wo sie nur noch 1.2 Meter stark ist.24Die Nordmauer wurde vermutlich durch die Flutwelle des Bergsturzes eingedrückt. Siehe Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 135 Die bedeutend stärkere Mauerdicke auf der Südseite weist darauf hin, dass von dort ein möglicher Angriff erwartet wurde. Von der Nordseite, die mehr oder weniger durch den See geschützt wurde, war mit einem Angriff mit Fernwaffen weniger zu rechnen. Die Südseite, die nur ca. 200 Meter vom Festland getrennt ist, konnte hingegen von einem Feind besser mit Belagerungswaffen bzw. mit Booten erreicht werden.
Besitzverhältnisse im Mittelalter
Die mittelalterlichen Besitzverhältnisse der Schwanau sind in den historischen Quellen nicht auffindbar. Wir wissen also nicht mit absoluter Sicherheit, wem die Insel gehörte, wer die Burg erbaut und bewohnt hat. Eher unwahrscheinlich ist, dass das Kloster Murbach (im Elsass) Besitzerin der Schwanau war, wie das noch bei Ägidius Tschudi, Carl Zay und Thomas Fassbind erzählt wird. Dass die Burg von einem Adelsgeschlecht erbaut wurde, scheint offensichtlich.
Wenn wir dem Burgenforscher Daniel Reicke folgen, dürfte die Burg kurz vor oder in der Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut worden sein.25Daniel Reicke, flüejen, S. 69 Als «Burgenbauer» in unserer Region kommen zu dieser Zeit vor allem die Kyburger in Frage. Folgen wir der Datierung von Reicke dürfte der Erbauer Graf Hartmann IV. von Kyburg gewesen sein.26Andreas Meyerhans, Arth, S. 66 Der Bauherr hat jedenfalls keinen Aufwand gescheut, um die Burg zu errichten. Sie war nämlich eine der grössten Burgen in den vier Waldstätten.27Werner Meyer, Burgenbau und landesherrliche Territorialbildung, in Böse Türnli, S. 191 Es darf davon ausgegangen werden, dass Lehensleute eines Landesherrn auf der Burg ihren Sitz hatten.
Nach dem Ableben der letzten beiden kyburgischen Grafen Hartmann IV. und Hartmann V. in den Jahren 1263 und 1264 könnte die Insel im Jahr 1273 durch Heirat an die Habsburger Hauptlinie übergegangen sein.28Andreas Meyerhans, Arth, S. 87 Allerdings wird im Habsburger Urbar, dem wichtigsten Dokument von habsburgischen Besitzungen um das Jahr 1306, weder die Insel, noch die Burg Schwanau erwähnt.29HU, Band I, S. 212 / 213 Hingegen werden darin andere verlassene Burgplätze30Wener Meyer, Siedlung und Alltag, in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft, Band 2, S. 266 jeweils genannt. Der Historiker Wilhelm Oechsli (1851–1919) hatte vermutet, dass ein Werd, welches im Habsburger Urbar unter Steinen genannt wird, die Schwanau sein könnte.31Wilhelm Oechsli, Anfänge, Regest Nr. 457 (S. 147*) Werd ist Mittelhochdeutsch und konnte eine Insel, aber auch eine Landzunge oder Halbinsel bezeichnen.32Köbler, Gerhard, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 2014. Abgerufen unter https://www.koeblergerhard.de/mhd/mhd_w.html am 23.01.2021 Bei der Vermutung von Oechsli stellt sich aber die Frage, weshalb der Schreiber des Urbars die Burg auf diesem Werd nicht hätte erwähnen sollen? Sie wäre ja, selbst als Ruine, für die Habsburger wichtiger gewesen als die von Kalkfelsen verschrattete Insel. Mit der Annahme, dass die Schwanau im Habsburger Urbar nicht aufgeführt wurde, ergeben sich mehr Fragen, als Antworten: Ging die Insel überhaupt jemals in habsburgische Hände über? Falls ja, wurde sie vor Aufzeichnung des Habsburger Urbars um 1306 veräussert oder wollte gar der Schreiber des Urbars die Burg bewusst nicht erwähnen?
Das «Ende» der Burg Schwanau
Vorneweg muss man konstatieren, dass bis heute ein genaues Datum für das Ende der Burg Schwanau nicht belegt ist. Es gibt allerdings drei verschiedene Thesen, wonach die Burg entweder in der Mitte des 13. Jahrhunderts, im Jahr 1291 oder im Jahr 1315 verlassen bzw. zerstört wurde.
1. These: Mitte des 13. Jahrhunderts
Dafür spricht, dass die Schwanau im Habsburger Urbar um das Jahr 1306 nicht erwähnt wird, aber auch die bisherige Datierung der ausgegrabenen Fundgegenstände. Der Ausgrabungsleiter von 1960, Hugo Schneider, verwies darauf, dass die Kleinfunde nicht über die Mitte des 13. Jahrhunderts hinausreichen.33Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 138 Er fügte jedoch an, dass «ohne weiteres auch ein späterer Abgang, zu Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jahrhunderts, angenommen werden»34Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 13 könne. Der Burgenforscher Werner Meyer berichtete 1977, dass die jüngsten Funde aus dem beginnenden 14. Jahrhundert stammen.35Werner Meyer, Burgenbuch, S. 109 In späteren Publikationen ging auch er von einem Verlassen der Burg Schwanau um Mitte des 13. Jahrhunderts aus.36Werner Meyer, Die Eidgenossen als Burgenbrecher, in Geschichtsfreund, Band 145 (1992), S. 84 Der Burgenforscher Daniel Reicke geht handkehrum von einer Erbauung der Burg kurz vor oder Mitte des 13. Jahrhunderts aus (s. oben). Dies widerspricht der These Meyers, der ein Verlassen der Burg während demselben Zeitraum angenommen hatte. Eine genauere Datierung bzw. Einordnung der einzelnen Fundgegenstände wäre, soweit nicht bereits geschehen, eine zusätzliche Hilfe, um den ungefähren Auflassungszeitpunkt der Burg Schwanau zu ermitteln und das «Ende» der Burg in einen geschichtlichen Kontext einbetten zu können.
Ein Verlassen der Burg in der Mitte des 13. Jahrhunderts würde bedeuten, dass Habsburg-Österreich noch nicht in deren Besitz gelangt wäre. Als örtliche Landesherren in dieser Zeit kämen wohl die Kyburger oder die Habsburg-Laufenburger in Frage.
In die Zeit von 1239 – 1250 fällt die Auseinandersetzung von Kaiser Friedrich II mit dem Papst. In Schwyz und Obwalden kam es vermutlich in den Jahren 1239/1240 zu einem ersten Aufstand gegen die papsttreuen Kräfte in der Region.37Bruno Meyer, Ältesten eidgenössischen Bünde, S. 12 und 23 Die Schwyzer standen auf der Seite des Kaisers, der ihnen im Jahre 1240 eine gewisse Reichsunmittelbarkeit zubilligte. In diesem Konflik zwischen Friedrich II. und dem Papst wechselten die Kyburger spätestens ab dem Jahr 1243 ins päpstliche Lager.38Roger Sablonier, Kyburgische Herrschaftsbildung , in Grafen von Kyburg, S. 41 Auch die Habsburg-Laufenburger standen treu zum Papst. Am 28. August 1247 bedrohte Papst Innozenz IV. die Schwyzer und Obwaldner wegen ihrer Kaisertreue mit Kirchenbann und Interdikt.39Acta pontificum helvetica, Band 1, Nr. 395 (S. 243) Sie hatten sich gegen ihren papsttreuen Landesherrn, Graf Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg, aufgelehnt. Dies weist auf einen ernst zu nehmenden Konflikt zwischen den Waldstätten und Habsburg-Laufenburg hin.
Aus diesen Gründen ist es gut möglich, dass die Schwyzer bereits Mitte des 13. Jahrhundert das Ziel hatten, sich der grundherrlichen Herrschaft (sowohl der kyburgischen, wie der habsburgischen) zu entledigen und deren Herrschaftssitze in der Region angriffen.
Auch die vor dem Jahr 1421 abgefasste Berner-Chronik des Konrad Justinger gibt den Hinweis, dass nicht nur die beiden Linien Habsburg-Österreich und Habsburg-Laufenburg zeitweise Gegner der Waldstätten waren, sondern auch die Kyburger:
«Vor alten, langen Ziten, vorhin eh daß Bern wurde angefangen, hatten großKrieg in dry Waldstädte, Ure, Switz und Unterwalden, des ersten mit der Herrschaft von Kyburg, darnach mit den Herren von Habsburg, und am letsten mit der Herrschaft von Oesterich, und war der Kriegen Ursprung, als die von Switz und Unterwalden zugehören sollten (als man seit) einer Herrschaft von Habsburg, und Ure an das Gotshus zu Frowen-Münster zu Zürich.»40Emanuel Stierlin, Justinger, S. 61
2. These: Im Jahr 1291
Bereits im 20. Jahrhundert haben Historiker versucht, das «Ende» der Schwanau durch die quellenkritische Methode zu ermitteln. Am bedeutendsten hierin war wohl Karl Meyer (1885-1950), der in seinem Buch «Die Urschweizer Befreiungstradition» auch kurz auf die Schwanau einging. Er tat dies vorrangig an Hand des Kapitels über die Schwyzer im Werk «De nobilitate et rusticitate dialogus» von Felix Hemmerli, einem pro-österreichischen Chronisten während des Alten Zürichkrieges. In diesem um 145041Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 41 entstandenen Text schilderte Hemmerli, wie die Schwyzer aus Rache den Schwanauer Vogt töten und die Burg zerstören (s. ganze Erzählung unten). Dass der habsburgfreundliche Hemmerli die Erzählung in allen Teilen frei erfunden hat, ist nach Karl Meyer sehr unwahrscheinlich. Meyer ging davon aus, dass Hemmerli sich bei seiner Schwanauer Erzählung nicht auf Hörensagen, sondern auf österreichische Quellen abstützte.42Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 50/51 Hemmerli fokussierte sich gemäss Meyer auf die publizistische Verteidigung der Habsburger Hauptlinie und schöpfte aus deren Quellen. Der Chronist bemühte sich deshalb, die Aufstände der Eidgenossen, insbesondere der Schwyzer, als rechtswidrig hinzustellen und damit das rechtliche Fundament der Eidgenossenschaft als Ganzes in Frage zu stellen. Insbesondere kam Hemmerli dabei der Angriff auf die Schwanau gelegen, da hier die Schwyzer einen schweren Rechtsbruch begingen, als sie diese Burg auf habsburgischem Territorium angriffen. Durch seine quellenkritische Methode kam Meyer zum Schluss, dass sich der Burgenbruch der Schwanau im Jahr 1291 abgespielt haben könnte.43Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 59 Jedenfalls deuten der Bundesbrief vom August 1291 und das militärische Bündnis zwischen Schwyz, Uri und Zürich im Oktober 1291 in diese Richtung. Auch gemäss dem Historiker Jean-Daniel Morerod weist eine Urkunde aus dem Jahr 1293, die von einer vorangegangenen Sperrung des Gotthard-Warenverkehrs durch die Habsburger berichtet, sowie eine starke Zunahme des Warenverkehrs über die Walliser Pässe während den Jahren 1291-1293, darauf hin, dass sich in diesen Jahren in der Innerschweiz eine anti-habsburgische Koalition gebildet hatte.44Jean-Daniel Morerod, Aus dem Schattendasein ins Licht – eine bis anhin wenig beachtete Urkunde aus der eidgenössischen «Frühgeschichte», in Geschichtsfreund, Band 171, 2018, S. 111 Letztendlich ist aber eine Zerstörung der Burg im Jahr 1291 schwer beweisbar, da hierfür keine eindeutigen Indizien vorliegen.
3. These: Im Jahr 1315
Bruno Meyer (1911-1991), Historiker und Schüler von Karl Meyer, nahm ebenfalls auf Grund seiner quellekritischen Herangehensweise an, dass der Burgenbruch in der Innerschweiz tatsächlich stattgefunden hatte.45Bruno Meyer, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, der Stand der heutigen Anschauungen, in Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Band 2, Heft 2 (1952), S. 193 Anders als sein gleichnamiger Mentor Karl Meyer, schloss Bruno Meyer allerdings das Jahr 1291 für einen Burgenbruch aus, da eine gewaltsame Auseinandersetzung mit Habsburg zu dieser Zeit gefehlt habe. Hingegen spreche der Bundesbrief von 1315 in einem mehr kämpferischen Geist, als jener von 1291, was auf eine Zeit der Auseinandersetzung mit Habsburg hindeute. Grundsätzlich komme für einen Burgenbruch nur eine Zeit in Frage, in der entweder die landesherrliche Herrschaft Habsburgs schwach war oder bereits ein kriegerischer Konflikt mir ihr bestand. Anders hätten es die Leute der Wäldstätten nicht wagen können, die Burgen anzugreifen. Meyer verlegt den Burgenbruch deshalb ins Jahr 1315, also ins Jahr der Schlacht von Morgarten, als es tatsächlich zu einem Krieg mit Habsburg kam.46Ebd. S. 198 Die Mitte des 13. Jahrhunderts komme gemäss Meyer für die Zerstörung der Burgen nicht in Frage, da ansonsten die Burgen während der habsburgischen Herrschaft wieder aufgebaut worden wären.
Die Gedankengänge Bruno Meyers sind nachvollziehbar und einleuchtend. Allerdings stellt sich bei dieser These die Frage, weshalb die Schwanau mit keinem Wort im Habsburgischen Urbar um das Jahr 1306 erwähnt wurde. Bei einem Bruch der habsburgischen Burgen im Jahr 1315 hätte die Schwanau im österreichischen Urbar einige Jahre zuvor auftauchen müssen.
Deutung der Fundgegenstände und Brandspuren
Für eine Burganlage sind die Fundgegenstände aus dem Mittelalter nicht sehr zahlreich. Dies könnte auf eine Plünderung hindeuten. Der Archäologe Werner Meyer hielt es auch für möglich, dass man die Burgbewohner vertrieben oder erschlagen hat und anschliessend die Inneneinrichtung der Burg demolierte. Dies hätte in den Ausgrabungsbefunden keine Spuren hinterlassen.47Werner Meyer , Burgenbuch, S. 110 Auch ein Anzünden der Burg liegt auf Grund der Brandspuren im Bereich des Möglichen.48Werner Meyer, Die Eidgenossen als Burgenbrecher, in Geschichtsfreund, Band 145 (1992), S. 88 Im Turminnern wurde nämlich unter dem heute bestehenden Terrain eine durchgehende Brandschicht gefunden. Auch beim Wohngebäude (Palas) und längs der südlichen Ringmauer fanden sich Brandschichten. 49Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 138 Obwohl es wahrscheinlich ist, dass diese Brandschichten im Zusammenhang mit einem Angriff auf die Burg stehen, gibt es keine Datierung dieses Ereignisses. Eine Radiokarbonmethode könnte heute, anderes als bei der Ausgrabung im Jahr 1960, Klarheit über den Zeitraum des Brandes schaffen.
Deutung des Burgenbruchs der Schwanau
Sowohl eidgenössische Quellen wie das Weisse Buch von Sarnen, als auch habsburgische Chronisten wie Felix Hemmerli berichten von einem Burgenbruch. Zwischen ihren Berichten und einem möglichen Zeitraum für den Burgenbruch liegen 140 – 200 Jahre. In der damaligen Gesellschaft muss der mündlichen Überlieferung ein hoher Stellenwert zugekommen sein, zumal die wenigsten Menschen lesen und schreiben konnten. Im besten Fall hätte die Geschichte vom Burgenbruch von drei bis vier Generationen weiter erzählt werden müssen, um im 15. Jahrhundert aufgeschrieben zu werden. Freilich kann es dabei passiert sein, dass die zeitliche Einordnung, chronologische Abfolge und gewisse Details des Burgenbruchs verwechselt oder vergessen wurden, aber das Ereignis des Burgenbruchs selbst musste doch einen starken Eindruck auf die damaligen Menschen gemacht haben und dürfte daher im Kern wahrheitsgetreu weitererzählt worden sein. Eine blanke Erfindung des Burgenbruchs ist eher unwahrscheinlich. Die berechtigten Fragen sind jedoch, welche Burgen der Innerschweiz hiervon betroffen waren und ob gewisse Burgen auch ohne Kampfhandlungen in die Hände der Eidgenossen übergingen. Im Fall der Schwanau spricht jedenfalls einiges dafür, dass ein Burgenbruch stattgefunden hatte. Nebst der vom Habsburg-freundlichen Hemmerli um 1450 aufgeschriebenen Erzählung vom Schwanauer Vogt deuten auch die geringe Anzahl Fundgegenstände und die Brandspuren in diese Richtung. Die Frage, wann dieser Burgenbruch der Schwanau stattgefunden hat, ist damit natürlich nicht beantwortet. Darauf eine eindeutige Antwort zu finden, ist an Hand der heute vorliegenden Erkenntnisse unmöglich und daher muss eine Antwort auf diese Frage vorläufig ausbleiben.
Gewissheit über das zeitliche «Ende» der Burg Schwanau wäre meines Erachtens ein Schlüssel, um die Entstehung des Landes Schwyz im 13. und frühen 14. Jahrhundert besser verstehen zu können.
Die Schwanau in den ersten Chroniken
Den ältesten Bericht über die Schwanau gibt uns das Weisse Buch von Sarnen. Mittels Quellenkritik kam der Historiker Bruno Meyer (1911 – 1991) zum Schluss, dass dieses Buch auf einem Original basiert, das zwischen 1417 und 1427 von einem Schreiber aus Obwalden verfasst wurde.50Bruno Meyer, Weisses Buch, S. 171 Im Weissen Buch ist von der Zerstörung der Burg Schwanau durch die Eidgenossen wie folgt die Rede:
Nach dem Tod Gesslers da wurde die Stauffachergesellschaft so mächtig, dass sie anfingen den Herren die Hüser zu brechen. Bevor sie das jeweils taten, fuhren sie zum Beraten in die Alp Treichi (südlich Stanserhorn). Da wo böse Türmli waren, da brachen sie sie und fingen zu Uri am ersten an die Hüser zu brechen. Auf einem Büehl bei Amsteg hat der Herr (=Gessler) einen Turm angefangen, den wollte er Zwing Uri nennen. Diesen und andere Hüser brachen sie. Danach Swandow (=Schwanau) und etliche zu Schwyz und etliche zu Stans und mit Namen das auf dem Rotzberg, das wurde nachher durch eine Jungfrau eingenommen.51Origrinaltext in Mittelhochdeutsch siehe QW, Abt. 3, Band 1, S. 19 (449). Der mittelhochdeutsche Text wurde vom Verfasser abgeändert und in neues Deutsch mit schweizerdeutscher Färbung übertragen
In einem vorherigen Abschnitt erwähnt das Weisse Bauch auch den Mädchenraub, jedoch in einem allgemeinen Kontext und nicht spezifisch auf die Schwanau bezogen:
«Die neuen Vögte bauten Burgen, um von Ihnen aus die Länder als Eigenleute beherrschen zu können. So zwangen sie die Leute, taten ihnen viel zu leid und wo einer eine schöne Frau oder Tochter hatte, holten sie sie und behielten sie auf ihren Schlössern, so lange sie wollten. Wenn jemand etwas dagegen sagte, nahmen sie ihn gefangen, büssten ihn und nahmen ihm Hab und Gut.»52Bruno Meyer, Das Weisse Buch von Sarnen. Wortlaut und Übersetzung des Chroniktextes. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Obwalden. Sarnen (1984), S. 35
Das Weisse Buch schildert auch, welchen Weg Tell vom Axenstein zur Hohlen Gasse gelaufen ist:
«Dann lief er (=Tell) so schnell er konnte durch Schwyz und auf der Schattenseite dem Berg entlang bis zur Hohlen Gassen bei Küssnacht, wo er vor dem Vogt ankam und wartete. Als dieser daher geritten kam, stand er hinter einen Strauch, spannte die Armbrust, schoss einen Pfeil auf ihn und lief dann zurück über die Berge nach Uri.»53Bruno Meyer, Das Weisse Buch von Sarnen. Wortlaut und Übersetzung des Chroniktextes. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Obwalden. Sarnen 1984. S. 46. Abgerufen unter: https://www.ow.ch/dl.php/de/5409b89275813/Text_und_Uebersetzung_Chronik_Weisses_Buch.PDF,
Im Originalwortlaut heisst es: «nd luf dür Switz hinn schattenhalb dür die berg vs vntz gan Küsnach in die Holen Gass». Mit Schwyz war hier nicht das Dorf gemeint, sondern das ganze Tal. Gemäss dem Schreiber des Weissen Buches lief also Wilhelm Tell vom Axenstein (Tellsplatte) über Lauerz nach Küssnacht. Es ist dies ein weiterer Hinweis, dass der Weg über Lauerz im Spätmittelalter als Alternativroute zum Wasserweg von Flüelen nach Küssnacht bekannt war.
Über die Schwanau berichtet um 1450 der Zürcher Felix Hemmerli, ein Parteigänger Habsburg-Österreichs. Seine Erzählung der Schwanau wurde 1846 von Balthasar Reber aus dem Lateinischen54Felix Hemmerli, De nobilitate et rusticitate dialogus, ca. 1450, Kapitel 33, fol. CXXIX ins Deutsche übersetzt:
Der Graf von Habsburg, welcher den erlauchtesten Herzogen von Österreich des Ursprungs gegeben, war der natürliche Herr der Schwyzer im Tale Arth, und hatte einen Burgvogt (lateinisch: Castellanum) in eine Burg Lovurz gesetzt zum Verwalter des ganzen Tals; diesen erschlugen zwei Schwyzer, Brüder einer Schwester, an welcher der Vogt sich vergangen zu haben verdächtig war; da nun der Graf diese (Schwyzer) vorforderte (=herbeizitierte), so verschworen sich mit ihnen zwei andere verwandte Schwyzer gegen die Herrschaft, und mit diesen wieder andere zehn, mit welchen abermals zwanzig andere, und so allmählig verschworen sich alle Bewohner des Tals, gegen ihren Herren, und zerstörten die Burg, deren Trümmer noch jetzt zu sehen sind mitten in einem See.55Balthasar Reber, Felix Hemmerli von Zürich. Neu nach den Quellen bearbeitet, Zürich 1846, S. 253. In neues Deutsch übertragen vom Verfasser.
Soweit der pro-habsburgische Chronist Hemmerli. Abgesehen vom anti-eidgenössischen Unterton, wird diese Sage auch in späterer Zeit sehr ähnlich erzählt. Die Erzählung wird später als Theaterstück unter dem Titel „Gemma von Arth“ bekannt. Der Schwyzer Sagenforscher Hans Steinegger hat mehrere Variationen56Hans Steinegger, Schwyzer Sagen, Band III, S. 137 – 141 der Schwanau-Erzählung in seiner Buchreihe «Schwyzer Sagen» veröffentlicht. Sie sind wohl alle jünger als die Version Hemmerlis. Manche sind mit Details ausgeschmückt, die wohl ursprünglich nicht vorhanden waren. Zum Beispiel dürfte der Name Gemma des Mädchens und die Nebenerzählung mit dem Rachegeist später hinzugekommen sein. Die Erzählungen unterscheiden sich in manchen Details, sie haben jedoch immer denselben Kern: Der habsburgische Burgherr der Schwanau habe eine einheimische Frau auf die Burg verschleppt und missbraucht, daraufhin sei er aus Rache von ihren Verwandten bzw. den Schwyzern getötet und die Burg zerstört worden.
Melchior Russ war Chronist des Standes Luzern und begann im Jahr 1482 seine eidgenössische Chronik zu schreiben. Er behandelt darin auch die Befreiungsgeschichte der Waldstätte und Wilhelm Tell, allerdings in einer Art und Weise die teilweise stark von Conrad Justinger und dem Weissen Buch von Sarnen abweicht. Russ schildert, wie Wilhelm Tell vom Landvogt gefangen genommen wurde und nach Schwyz in «das schloss im sew» gebracht werden sollte:
„Nun merckent eben wie wilhelm Thell die undätt als Ir vorghehör handt, so Im vonn dem landvogt beschechen was rechenn wolt, dan er das nit lenger mer erliden mocht, und fur gon Ure und sammelten da die gemeinde, und klagte Inen das mit weynenden ougen und mit Jemerlichem clagen wye es Im ergangen was, und noch fürer teglich gienge das vernam der landvogt und vien In, und ließ Im ally vier zu sammen binden, In der meynung das er In gon schwitz In das schloss Im sew füren wölt […]57Joseph Schneller, Melchior Russen, Ritters von Lucern, Eidgenössische Chronik; geschrieben im Jahre 1482, Verlag von C. A. Jenni, Sohn, Bern (1834), S.63
Melchior Russ kann mit diesem Schloss nur die Schwanau gemeint haben. Im Land Schwyz gab es ansonsten keine andere Festung in einem See. Russ muss zu Lebzeiten auch zu Ohren gekommen sein, dass in der Schwanau einst Gefangene inhaftiert wurden, ansonsten hätte er für Tells Kerker nicht die Schwanau angenommen. Ob dieser Kerker tatsächlich bestand, ist nicht gesichert. Allerdings deuten die wenigen Pfostenlöcher im Turm und der rund 6 Meter hohe Leerraum über dem Bodenniveau im Turminnern darauf hin, dass sich dort ein für wohnliche Zwecke ungeeigneter Raum befand. Möglicherweise diente dieser Raum tatsächlich als Vierlies.
Die Schwanau erscheint später bei den Chronisten Petermann Etterlin 1507; Ulrich Hugwald (Mutius), Basel, 1539; Johannes Stumpf 1548 und fast allen nachfolgenden Geschichtsschreibern58Linus Birchler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band. 2, Schwyz II. (1930), S. 342 im Zusammenhang mit der Befreiungsgeschichte der vier Waldstätte.
Die Waldbrüder auf der Schwanau
Nach der Zerstörung der Burg verdunkelt sich die Geschichte der Schwanau. Sie taucht erst im 17. Jahrhundert im Zusammenhang mit Waldbrüdern wieder auf, die auf der Insel die Abgeschiedenheit suchten. Am 20. Juni 1679 wurde einem Waldbruder auf der Schwanau sechs Stück Bauholz für sein Bauvorhaben (wohl eine Klause) bewilligt.59STASZ, HA.III.35, S. 133 Am 12. Juni 1682 gestatte man ihm zusätzlich den Bau einer Kapelle.60STASZ, HA.III.40, S. 42 Dieser erste Waldbruder hiess möglicherweise Johannes Linder und stammte aus Franken in Deutschland.61Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 31 recta Auch ein Carl Joseph Frischherz wird damals bereits als Eremit auf der Insel gewohnt haben. 1684 erfolgte die Einweihung der Kapelle. Ein Zeugnis dieser Weihe gibt uns eine Urkunde, in der auch eine Fondation von 100 Kronen von Frau Dorothea Reding erwähnt werden. Unterschrieben wurde das Dokument mit Carli Joseph Frischherz, dem Priester und Kaplan auf der Schwanau.62STASZ, HA.II.1507
Am 20. Juni 1682 bat auch ein Karl Oswald Wikard auf der Schwanau ein einsames Leben führen zu dürfen. Der gesessene Landrat entsprach diesem Anliegen. Wikard müsse aber ein Attest vorweisen, dass er auf dem Spittel (Kloster Schwyz oder Luzern?) geweiht worden sei.63STASZ, HA.III.40, S. 72
Auch einem Bruder Johannes bewilligte am 29. April 1684 die Schwyzer Obrigkeit, auf der grossen Insel zu wohnen.64STASZ, HA.III.40, S. 119 Der Bruder Karl Oswald Wikard wurde erneut von der Schwyzer Obrigkeit aufgefordert ein Attest vorzuweisen, dass er auf dem Spittel geweiht wurde. Zudem solle er von seiner eigenen Obrigkeit eine Bestätigung bringen, dass sie ihn wieder zurücknehmen, falls man ihn in Schwyz des Landes verweisen würde. Falls er das nicht könne, würde er entlassen. Vermutlich wurde Bruder Karl daraufhin entlassen. Sein Name taucht später nicht mehr auf.
Ein Grabstein von 1720, welche an der südlichen Wand der Schwanaukapelle steht, zeugt davon, dass ein Pater Johann Schmidig auf der Insel gelebt hatte. Er soll das ehemalige Fischerhäuschen, ein Vorgänger des heutigen Gasthauses, erbaut haben. Auch soll er die nötigen Paramente für die hl. Messe angeschafft haben und nach seinem Ableben die Kapelle mit 495 Gulden dotiert haben. Der Zins soll gemäss dem Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind für den Unterhalt der Kapelle verwendet worden sein.65Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 32 verso
Am 30.07.1729 wurde ein Waldbruder Steffen erwähnt, der die Insel verlassen habe. Um das Vorhandensein und den Zustand der Gegenstände in der Einsiedelei zu überprüfen, hatten der Kirchenvogt und der Landschreiber von Schwyz ein Inventar auf der Schwanau aufzunehmen.66Schwyzer Geschichtskalender, 1905/40
Am 25. März 1730 bewohnte ein Bruder Jakob Blaser die grosse Insel Schwanau.67Schwyzer Geschichtskalender, 1902/17
Am 2. Juni 1740 gestattete die Schwyzer Obrigkeit den Waldbrüdern Franz Domini Wiget aus Lauerz68Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht, S. 5 und Anton (?) Schuler aus Steinen, in der Einsiedelei Schwanau vorläufig für ein Jahr zu wohnen. Bruder Franz Wiget wurde 1709 geboren und war im Jahr 1738 Vikar («Vicarius Provincia») für Schwyz und Unterwalden69Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Kirchen-Regiment, S. 219.
Trotz der Wohnerlaubnis für die beiden Eremiten, mussten jedoch die oberen beiden Zimmer des Hauses der Obrigkeit vorbehalten werden.70Schwyzer Geschichtskalender, 1904/29
Am 20. Juli 1745 wurde der kleine Waldbestand auf der Schwanau gebannt. Holzhauen war bei 25 Gulden Busse verboten.71Schwyzer Geschichtskalender, 1911/44
Im Jahr 1750 lebte vermutlich ein Bruder Johannes Friedrich Geisler, geboren 1709 in Preussen, als Eremit in Lauerz, vermutlich auf der Schwanau. Er wurde als «Custodes», also als Sigrist bezeichnet.7272Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Kirchen-Regiment, S. 219[/mfn]
Einem Felchlin von Arth wurde am 30. Januar 1767 erlaubt, neben Waldbruder Franz Wiget auf der grossen Insel Schwanau zu wohnen.73STASZ, HA.III.245, S. 214
Auf der kleinen Insel lebte ebenfalls ein Waldbruder. Ihm wurde am 28. Juni 1771 ein Tanne aus dem Sitiwald für das Schindelmachen bewilligt.74STASZ, HA.III.90, S. 68
Dem Johannes Gasser wurde am 18.05.1776 bewilligt, neben dem Bruder Wiget wohnen zu dürfen, da Gasser ebenfalls Waldbruder werden wollte.75STASZ, HA.III.100, S. 245
Der Waldbruder Franz Wiget verliess vor dem 6. April 1782 die grosse Schwanau. Die Insel wurde nun dem Waldbruder Anton Marty anvertraut.76Schwyzer Geschichtskalender, 1902/19 Auf der Insel standen nebst dem Eremitenhaus auch Obstbäume und ein Garten für die Waldbrüder. Damit der Eremit und die Insel von «schlechtem Volk» geschirmt wurde, schlug die Obrigkeit in Lauerz und Steinen ein Warnungsmandat an. Darin wurde das «Tanzen, Vollsaufen und anderes Luderleben» auf der Insel, sowie der Zutritt für minderjährige Knaben bei hoher Strafe verboten (diese erlaubten sich wohl manchen Lausbubenstreich mit den Eremiten). Jedoch solle jedermann mit guter Absicht sich auf der Insel verweilen und den dortigen Aufenthalt geniessen dürfen.77STASZ, HA.III.115, S. 102
Am 4. April 1784 wurde dem Andreas Hasler, Konvertit aus dem reformierten Zürichbiet, bewilligt, sich mit dem Bruder Johannes Gasser auf der Insel aufzuhalten.78STASZ, HA.III.120, S. 68
Am 25.02.1786 erkrankte Bruder Johannes Gasser und wurden in den Spittel nach Schwyz überwiesen.79STASZ, HA.III.120, S. 214 Der Ratsherr Dettling hatte anschliessend das Inventar über die Gerätschaften von Bruder Johannes aufzunehmen.
Zirka von 1780 – 1790 lebte der Eremit Joseph Anton Marty auf der Insel Schwanau. Am 11. März 1786 wird ihm vom Schwyzer Samstag-Rat gestattet, sich von der grossen auf die kleine Insel zu begeben.80STASZ, HA.III.120, S. 220 Die Gerätschaften sollte er auf der grossen Insel lassen, den Kelch und weitere Praetiosa (Kostbarkeiten) aber auf die kleine Insel mitnehmen81STASZ, HA.III.125, S. 10. Am 2. September 1786 wurde Anton Marty gestattet, wieder von der kleinen auf die grosse Insel zu ziehen. Er soll auf seinen Wunsch hin keine fremden Eremiten bei sich beherbergen müssen.82STASZ, HA.III.125, S. 44
Im Jahr 1787 bewohnte kein Eremit, sondern ein Oswald Büeler die kleine Insel. Er dürfe die dortige Behausung nutzen, bis wieder ein Eremit einkehre. Jedoch müsse er den dortigen Ofen und den Kamin wieder in Stand stellen, damit keine Brandgefahr davon ausgehe.83STASZ, HA.III.125, S. 116
Am 5. April 1788 folgte wieder ein Wiget auf der kleinen Insel. Dieses Mal ein Bruder Josef Anton Wiget, geboren im Jahr 1750 in Schwyz84Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 229. Er durfte vorerst für 8 Tage auf der kleinen Insel wohnen.85STASZ, HA.III.130, S. 33 Bis im April 1790 wohnte auf der grossen Insel nämlich Joseph Anton Marty.86STASZ, HA.III.135, S. 99 Nach dem Verlassen der Insel durch Eremit Marty, wird dem Eremiten Wiget am 21. August 1790 bewilligt, die grosse Insel zu bewohnen. Der Aufenthalt auf der kleinen Insel wird ihm weiterhin gestattet, bis dort ein neuer Einsiedler einziehe.87STASZ, HA.III.135, S. 152 Noch im Jahr 1794 wird Wiget vom Bistum Konstanz als Eremit der Schwanau erwähnt.8888Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 229 Josef Anton Wiget diente vor seinem Ermitenleben als Soldat bei den Hundertschweizern, der Schweizergarde des französischen Königs.89Georg Bernhard Depping, Die Schweiz, S. 34
Der waadtländer Reisende Philippe Sirice Bridel besuchte zwischen den Jahren 1797 und 1798 den Eremiten Joseph Anton Wiget auf der Insel Schwanau. Er berichtet in seinem Buch «Fussreise durch das Innere der Schweiz» folgendes über diese Begegnung auf der kleinen Insel:
„Ein grosser Mann mit einem schwarzen Bart, in einem langen Einsiedler-Rock, der schon vor uns angelandet war, empfängt uns am Gestade, führt uns in seine Hütte, und anerbietet uns alles was in seinem Vermögen steht: Es war ein alter Cent Suisse (Hundertschweizer), welcher, der Vorzimmer von Versailles und des dortigen Schweizerdienstes müde, sich zum Einsiedler umschuf, und nun seit zwei Jahren in dieser romantischen Einsamkeit lebt. Seine Zelle, sein Betzimmer, und ein kleiner Garten zum Spazieren, machen seine ganze Besitzung aus. Er kennt übrigens die Welt und scheint viel Kummer und Mühe darin gehabt zu haben; sein Umgang ist unterhaltend, und seine Manieren kündigen einen Mann an, der gute Gesellschaft gesehen hat. Auch seine Kleidung war eher angenehm als widerlich. Seine Wohnung möchte man fast mit ihm theilen; und er besitzt das Talent, seine Lebensart, womit er selber so zufrieden zu sein scheint, auch anderen von der gefälligsten Seite vorzustellen. Jetzt band er wieder sein Schiff los, um uns auf die grössere Insel zu begleiten, welche nur einen Büchsenschuss von der kleineren entfernt ist. Viel geräumiger und von dem Ufer entfernter, fasst jene eine Kapelle, eine zweite sehr bequeme Einsiedelei, und einen alten Turm in sich, Schwanau, genannt, der eine edle und majestätische Form hat, von Tannen beschattet, und von eine melancholischen Horde Raben und anderer Nachtvögel bewohnt ist. […]
Mittlerweile brach der Abend ein. Ganze Herden von Raben flogen krächzend rings um die Tannen des Burgstocks; der Mond fieng an, die Fluthen des ruhigern Sees zu beleuchten; und die Mischung seines ungewissen Lichts mit den Riesenschatten der Berge, schien die Gegend ganz mit phantastischen Bildern zu bevölkern. […] Ich schiffte mich wieder ein; der Ermite begleitete uns in seinem eigenen Nachen. Am anderen Ende des Sees, im Dorfe Lauwerz, stieg’ ich wieder aus, und nehme mit Schmerzen Abschied von meinem Einsiedler so wohl als von meinem alten Schiffer.»90Bridel, Philippe Sirice: Kleine Fussreisen durch die Schweiz. Zürich : bey Orell, Gessner, Füssli und Compag., 1797-1798. Zentralbibliothek Zürich, NLE 436-NLE 437, https://doi.org/10.3931/e-rara-29927 / Public Domain Mark, Erster Teil, S. 97 – 107
Ab Mitte 1792 bewohnte ein junger Eremit namens Josef Fach die kleine Insel91STASZ, HA.III.145, S. 77. Noch vor dem Herbst 1796 ist er verstorben, denn seine Schwester erbte das Holz, welches er bei seiner Klause gelagert hatte.92STASZ, HA.III.165, S. 76, 77 und 78 Möglicherweise wurde das Häuschen später ans Ufer versetzt, wie das der Goldauer Kaplan Martin Ulrich in seinem Bergsturzbuch berichtet.93Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
Im Sommer 1799 wurde der Talkessel Schwyz zum Kriegsschauplatz von Franzosen und Österreichern. Die Kapelle auf der Schwanau wurde in dieser Zeit von französischen Soldaten beschädigt.
Am 23. Juli 1800 verlangt Sebastian Annen auf der grossen Insel Schwanau wohnen zu dürfen.94Schwyzer Geschichtskalender, 1922/32 Dies wird ihm von der Munizipalität Schwyz (Besatzungsbehörde) mit Fürsprache des Lauerzer Pfarrers gestattet. Am 23. Juli 1800 wird ihm auch das Holzen von zwei Trämeln aus dem Sytiwald (Seewen) für den Bau eines Schiffleins bewilligt.95Schwyzer Geschichtskalender, 1913/46
Beim Bergsturz am 2. September 1806 lebte ein Bruder Gedeon auf der grossen Insel.96Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113 Er war am Tag des Bergsturzes abwesend und konnte so dem möglichen Tod entkommen.
Am 11. Juli 1807, also im darauffolgenden Jahr des verheerenden Bergsturzes, wird dem Trappistenbruder Johann Baptist Fries aus dem deutschen Breisgau der Aufenthalt als Eremiten auf der grossen Insel gestattet.97Schwyzer Geschichtskalender, 1913/44 Bereits vor dem 18. November 1807 muss der Bruder Fries wieder verschwunden sein. Denn nun wird dem Franziskaner Johannes Wintinger aus Schwaben gestattet, ein Eremitenleben auf der Insel zu führen. Zudem wird ihm eine Schiffstanne bewilligt.98Schwyzer Geschichtskalender, 1916/80 Am 2. Januar 1808 bittet der Bruder Johannes um einen Steuerbrief zur Wiederherstellung der ruinierten Kapelle. Dieses Begehren wird jedoch abgeschlagen99Schwyzer Geschichtskalender, 1899/3. Vor dem 2. Februar 1808 wird Eremit Wintinger die Insel in Richtung Bern verlassen haben. Denn die Polizeikomission des Kantons Bern überstellt den Eremiten Wintinger per Express wieder nach Schwyz mit der Mitteilung, dass der Eremit unerlaubt in Bern «gebettelt», sowie «gequacksalber und sich sonst nicht am erbaulichsten aufgeführt habe».100Schwyzer Geschichtskalender, 1899/16
Mit diesem, etwas unrühmlichen Kapitel, ging die Geschichte der Waldbrüder auf der Schwanau zu Ende. Das Wohnhaus der Eremiten wurde in ein Fischerhäuschen und anschliessend in ein Gasthaus umgenutzt. Die Kapelle von 1809 besteht bis heute in mehr oder weniger unverändertem Zustand. Die Turmhaube wurde vor einigen Jahrzehnten ersetzt.
Die zwei Kapellen und das Haus auf der Schwanau
Die ältere der beiden Kappellen stand etwa 5 Meter nördlich der heutigen Kapelle, an jener Stelle, die heute von einem Nebengebäude («Rittehöck») des Gasthauses überbaut ist. Die Fundamente der alten Kapelle wurden gemäss Baudokumentation aus dem Jahr 2012 nicht angetastet.101Hochbauamt Kanton Schwyz: Insel Schwanau – Gesamtsanierung und Neukonzeption, Druck 2012 Die Kapelle hatte eine Länge von ca. 10 Metern und eine Breite von 4.4 Metern und war nach Südosten ausgerichtet.102Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 140 Ein Mauerdurchburch befand sich an der südöstlichen Längswand in Richtung Lauerz. Im westlichen Teil der alten Kapelle wurde ein loser Steinsockel gefunden der im Quadrat 0.8 Meter mass. Hierbei könnte es sich um den Altarsockel gehandelt haben.
Der Zeitzeuge Thomas Fassbind schilderte das Eremitenhaus und die alte Kapelle der Schwanau wie folgt:
«Das jez stehende Haus, so wie es ist, hat er [Eremit Schmidig] bauen lassen, es hat 2 Contignationen [=Stockwerke], jede hat 3 bewohnbare Zimmer mit einem Ofen, einer Kuchel, und 2 Keller. Vom mitlern Boden führte ein bedekter Gang der Kapelle zu, wo ein Fenstl. und Kniebänkl. sich befand um da dem Gebeth obliegen zu könen, weil das Fensterl. seine Richtung grad gegen den Altar hin hatte. Von untenher führte auch ein Gang zur Kapell hin durch eine Thür in selbe hinein, eine gegen dem kleinen schönen Gärtlin, und eine gegen dem Weg hn zum Haus, dan stieg mann aus diesem Gang hin durch etliche Staflen auf die erste Contignation, und durch eine andere Stiege auf die 2. Das Haus hate oberhalb zur Nordseite noch eine Thür, gegen dem alten Schlossthurn ein angenestes Holzhause mit einem ablägen Tach. Auf der Mitag-Seite war dem Haus noch ein kleines Gebaüde angehängt.
Sehr anmuthig war dz Kapellelin. Das Gewölb war mit Stuckator-Arbeit und Gemälden geziert, die die Lebensgeschicht des hl. Josephs vorstellten. Zu jeder Seite befand sich einige Beth-Stühlein, und ein kleines Fenster. Neben dem Altar waren auch 2 Fensterl. Das Altar war von Schnizelwerk, schöne gefast, und vergoldt, das Altarblat stellte die 3 hl. Personen J. M. u. Joseph vor, welches der geschikte Maler Steiner verfertigt hate. An der Kapell Mauren waren verschiedene Gemälde angebracht. Der Stammbaum des hl. Joseph, die Abzeichung dieses Schlosses, wies ehmal beschaft gewesen. Mehrere Votivtaflen. Das Köhrlein war durch eine Palustrata von der übrigen Kapell abgesöndert, und beschlossen. Zu beyden Seiten warn Behältnisse.»103Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 31 verso bis p. 32 verso
Schriftlich wird eine Gnadenkapelle auf der Schwanau am 4. Oktober 1684 erwähnt. Sie wurde vom Weihbischof Sigmund von Konstanz zu Ehren des Hl. Josefs eingeweiht.104STASZ, HA.II.1507 Diese alte Kapelle wurde durch den Bergsturz stark beschädigt und anschliessend abgerissen.
Im Jahr 1809 wurde die neue Kapelle etwas weiter nördlich erbaut. Die heutige Kapelle ist etwas kleiner als das alte Gotteshaus. Zudem ist ihr Chorraum eingezogen.
. Das Altargemälde mit der hl. Familie und den Worten «D.O.M.» (Deo optimo maximo. Übersetzt: Der höchste und grösste Gott) soll noch aus dieser alten Kapelle stammen. Das Altargemälde soll beim Bergsturz im See schwimmend gefunden worden sein.105Ebd. S. 346, Anm. 3
1798/99 wird die Kapelle durch französische Soldaten beschädigt. Eine Rechnung des Landessäckelmeister Heinrich Martin Hediger vom 3. Juli 1803 bis 21. Juni 1805 listet hohe Baukosten für die Renovierung der Kapelle auf.106Schwyzer Geschichtskalender, 1907/37 Ein Jahr später wird die Kapelle erneut in Mitleidenschaft gezogen. Am 2. September 1806 wurde die Nordmauer der Kapelle von der mehreren Meter hohen Flutwelle des Bergsturz eingedrückt.107Carl Zay, Goldau, S. 299. Die Flutwelle soll etwa 30 cm kleiner gewesen, als das einstige Kapellentürmchen. Zay hat am Folgetag des Bergsturzes als Augenzeuge gesehen, wie Holzschindeln, Heu und Rasen sich am Türmchen befunden haben. Das Glockentürmchen stand zwar noch, aber die Mauern waren so stark beschädigt, dass eine Renovierung nicht mehr möglich war. Am 23.06.1807 berichtet Kantonssäckelmeiser und Kirchenvogt Heinrich Martin Hediger, dass die Kapelle auf der Schwanau in einem sehr schlechten zustand sei und die Wiederherstellung derselben bedeutende Kosten verursachen würde.108Schwyzer Geschichtskalender, 1919/33 Die Kapelle hat man deshalb abgetragen und ihre Stiftung mit der Pfarrkirche Lauerz vereinigt.109Anton Nüscheler, Gotteshäuser, S. 89 Im Jahr 1808 verkaufte der Kirchenrat Schwyz die Kapelle mitsamt grosser und kleiner Insel an General Ludwig Auf der Maur (s. unten). Dieser liess kurze Zeit darauf eine neue Kapelle an der heutigen Stelle errichten. Im Innern der Kapelle ist an der Nordwand eine Tafel zu Ehren Ludwig Auf der Maurs eingelassen.
In der neuen Kapelle war ein Messgewand vorhanden, sowie eine Monstranz auf der im gotischem Stil die Jahreszahl 1580 vorhanden war.110Anton Nüscheler, Gotteshäuser, S. 90
Auch soll vor hundert Jahren die Lauerzer Bevölkerung jeweils im Mai einen Gottesdienst auf der Inselkapelle besucht haben.111Schwanau, Benziger, S. 16
Franzosenzeit bis heute
Während der französischen Besatzung ab 1799 lag die Schwanau zeitweise an der Frontlinie zwischen österreichischen und französischen Truppen. Ausgelöst durch den Goldauer Bergsturz 1806 überfluteten Wassermassen die grosse und kleine Insel. Die Flutwelle wird etwa 15 Meter112Bussmann und Anselmetti, Rossbergs landslide, S. 43 hoch gewesen sein und zerstörte die Gebäude auf der kleinen Insel vollständig. Auf der grossen Insel drückte sie die nördliche Festungsmauer ein und beschädigte die Nordmauer der Kapelle sowie das Eremitenhaus.
Die Insel, die im Besitz des Alten Landes Schwyz war, gelangte mit dem Ende des Ancien Régime an die Kirchgemeinde Schwyz. Wegen Geldnot verkaufte am 29. Oktober 1808 der Kirchenrat die beiden Inseln an General und Landeshauptmann Ludwig Auf der Maur (1779 -1836).113STASZ, NA.LXX.112.4 Jedoch unter den Bedingungen, dass er die Kapelle wieder aufbaut, eine Jahrzeitstiftung einrichtet, die Burgruine erhält und ihm das Verkaufsverbot an Nichtlandleute auferlegt wird.114Hans Steinegger, Die Insel und Burg Schwanau, in Schwyzer Kalender 2012, S. 43 1967 erwarb der Kanton Schwyz die Insel von den Nachfahren Ludwig Auf der Maurs.115STASZ, NA.LXX.112.2
Die kleine Insel
Im Jahr 1711 wird einem Johanns von Euw und seiner Familie bewilligt, auf der kleinen Insel einen Garten anzulegen116STASZ, HA.III.60, S. 28 (p. 67). Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts lebten auf der Insel Eremiten (s. oben).
1551 berichtet der Berner Chronist Samuel Zehender in einem Reisebuch: «Loubetzer See, sind da die zwo alt burgen, die eyn im wasser die ander am land davon s Lied ist gemacht: zwüschen zewyen burgen da lit ein dieffer see». Ob er die zweite Burg an Land selber sah, ist mehr als fraglich. Schliesslich ist er der einzige, der von einer zweiten Burg auf dem Festland nahe der Schwanau berichtet.
Die kleine Insel liegt südlich der grossen Schwanau. Der Name «kleine Burg» wird noch in einem Ratsprotokoll um 1786117STASZ, cod. 125: Ratsprotokolle 1786-1787: Dort heisst es, dass der Eremit Anton Marti den Kelch und übrige Praetiosa auf der kleinen Burg aufbewahren solle. erwähnt. Als Roggenberg bezeichnet sie Thomas Fassbind um 1800.118Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte: fol. 31 r (S. 79) Er berichtet auch, dass Bruder Johannes Salzmann aus Preussen (oder Franken?) von der Schwyzer Obrigkeit die Erlaubnis erhielt auf der kleinen Insel zu leben. 1613 sollen noch Reste von Mauern auf dieser Insel zu sehen gewesen sein, so Fassbind. Er meint, dass es sich dabei um eine Burg gehandelt haben dürfte. Die Mauerreste sollen dann gemäss Fassbind zur Errichtung der Erzschmelze im Otten verwendet worden sein.119Linus Birchler, Kunstdenkmäler: S. 347. Birchler verweist auf «Ratsprotokoll Schwyz; Marty und M. Waser, Schwyz und seine Umgebung 1891, S. 46» Im Zuge der archäologischen Ausgrabungen von 1960 auf der grossen Insel, wurden auch auf der kleinen Insel 24 Sondierschnitte vorgenommen.120Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 131 Gefunden wurde offenbar nichts. Hugo Schneider, der damalige Ausgrabungsleiter, schreibt bereits in einem ersten Bericht, dass die kleine Insel nicht befestigt war.121Hugo Schneider, Ausgrabungen Schwanau, S. 20
Beim Bergsturz Goldau von 1806 wurde durch die ausgelöste Flutwelle die kleine Insel überflutet und die Gebäude der Eremiten zerstört.122Carl Zay, Goldau, S. 297 und 299
Der Schwyzer Schriftsteller Meinrad Inglin (1893 – 1971) schrieb in seiner Erzählung «Die entzauberte Insel»: «Der See mit seinen stillen, von Schilf, Ried und Wald begrenzten, von Bergen hoch umgebenen Ufern glänzte im frühsommerlichen Nachmittagslichte. Die Insel lag dem westlichen Waldufer gegenüber auf einer Klippe, einem unregelmässig aus dem Wasser ragenden Felskopf, den seit Menschengedenken eine kleine Wildnis bedeckte»123Meinrad Inglin, Die entzauberte Insel. Ammann Verlag Zürich. Gesammelte Werke, Erzählungen, Band 1, S. 25. In Inglis Erzählung ist die Insel der Schauplatz vom Ende der Kindheit und der Übergang zur Jugend. Die Insel diente ihm als Gleichnis für das idyllische, geschützte und unbeschwerte Dasein im Kindesalter. Die Insel Schwanau könnte ihm dabei als Vorlage gedient haben124Heinz Horat, Bauen am See, S. 58, existieren doch Fotografien von Inglin auf dem Lauerzersee.
Die historische Schwanau bei den Schriftstellern
Jeremias Gotthelf, der bekannte Berner Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, widmet der Schwanau in seiner Erzählung «Der Knabe des Tell» ebenfalls einige Zeilen: «Sarnen und Rotzberg wurde von den Unterwaldnern gebrochen, Schwanau auf Lowerzersee machte Stauffacher mit seinen Schwyzer unwohnlich. Noch sieht die Ruine, wer von Goldau besucht; sie steht am Eingang des eigentlichen Schwyzerlandes, ein aufgehobener Finger, zu warnen, den Eingang nicht zu versuchen, anders als in freundlichem Sinne. Darum verschonte der alte Berg (=Rossberg), als er das blühende Goldau und einen Teil von Lowerz verschüttete, dieses alte Warnungszeichen; solche alte Zeichen kann man nicht mehr erbauen, wenn sie nicht mehr sind, wohl aber neue Häuser bauen und Schuttfelder wandeln in Kornfelder».125Jeremias Gotthelf, Erzählungen und Kalendergeschichten, Band 1, S. 621
Auch Meinrad Inglin beschreibt den Untergang der Burg Schwanau ausführlich in seiner Erzählung «Jugend eines Volkes»: «Die Switser zogen bei finsterer Nacht in drei Rotten über den zugefrorenen Lowerzer See. […] Während etliche Mannen am Ufer der Schwanau gegenüber sich leise der Stallungen der Rossknechte bemächtige, umringten die übrigen lautlos wie Schatten die Insel. […] Die Ausgelosten stiegen in die Fensterluken der Burg hinein, um auf ein Hornzeichen bei Tagesanbruch in die Räume zu stossen und, von andern gefolgt, die Besatzung zu überwältigen; doch ein Turmwächter schlug Lärm, und Stauffacher hornte schon im frühesten Zwielicht. […] Verworrener Lärm durchbrauste die Burg, Knechtsflüche, Waffengeklirr, unbändiges Jauchzen, Beilschläge, Dirnengekreisch, auf Gängen und Treppen stiessen Menschen gegeneinander, der Turmwart lief mit einer Fackel herum. […] Die zwei jungen Arther Bauern Walter und Lütfried kamen mit dem gebundenen Vogt von der Insel herab, die Switser traten schweigend beiseite und liessen sie durch. Auf der Mitte des Sees hielt Walter an und schlug mit dem Beil ein breites Loch ins Eis. Lütfried band den Gefangenen los. «Erweck Reu und Leid, wenn du willst!» gewährte er barsch. Der Vogt, dem die Bauern Kriegstracht anzulegen befohlen hatten, damit die Genossen den erbeuteten Wolf im gewohnten Balg sähen, kniete beim Eisloch nieder, legte den Helm neben sich, faltete die Hände und neigte den Kopf. Nach einer Weile begann er laut zu beten. Über den östlichen Bergen graute ein bleicher Tag, von der Waldrändern des Urmiberges strichen Krähen ab und warfen sich vor dem dumpfen Lärm der Insel wild durcheinander […]. Der arme Mann erhob sich von den Knien und trat inbrünstig betend in sein kaltes Grab. Gegen Mittag hatten die Switser alles Brauchbare aus der Burg geschleppt und liessen es durch die gefangenen Knechte nach Swits tragen. Abends legten sie Feuer an die inneren Räume und schwärmten die Nacht durch spielend, trinkend, tanzend mit Frauen und Töchtern im Brandschein um die Insel.»126Meinrad Inglin, Jugend eines Volkes, Atlantis Verlag, Zürich, 1981, S. 138 – 139
Prominente Besuche
Johann Wolfgang Goethe besuchte am 17. Juni 1775 die Insel. Er schrieb darüber in seinem Tagebuch: «Um ein Uhr nachmittags von Schwyz weg, gegen die Rigi zu; um zwei Uhr auf dem Lowerzersee herrlicher Sonnenschein. Vor lauter Wonne sah man gar nichts. Zwei tüchtige Mädchen führten das Schiff; das war anmutig, wir liessen es geschehen. Auf der Insel langten wir an, wo sie sagten: hier habe der ehemalige Zwingherr gehaust; wie ihm auch sei, jetzt zwischen die Ruinen hat sich die Hütte des Waldbruders eingeschoben.»127Goethezeitportal, http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/johann-wolfgang-von-goethe/goethes-erste-schweizer-reise-von-1775.html. Stand 22.01.2021 Die Goethestube im Gasthaus Schwanau zeugt noch heute vom Besuch des Dichters.
Goethe reiste anschliessend von Lauerz auf die Rigi. Dabei muss er den alten Pilgerweg über Buosigen genommen haben. Dieser Pilgerweg zum Rigi-Chlösterli führte über die Binzenmatt nach Hinter-Truben, von dort zum Kneuli und anschliessend zur Wallfahrskirche Maria im Schnee.
Im Jahr 1797 bereiste Goethe abermals die Schweiz. Er wanderte von Einsiedeln über die Haggenegg nach Schwyz, als er folgendes notierte: «Wir traten nun wieder aus der Nebelregion heraus, sahen der Lowerzer See, die Berge, die einschliessen, den schönen Raum, in welchem die Häuser von Schwyz liegen, und das angenehme Tal nach Brunnen hin. Die Berggipfel waren alle mit vielfachen Wolken und Nebeln bedeckt, so dass ihre Massen selten durchblickten und meist nur geahnt werden konnten. Ein seltsamer Schein in den Wolken und Nebeln zeigte den Untergang der Sonne an. Diese Hüllen lagen so gehäuft über einander, dass man bei einbrechender Nacht nicht glaubte, dass es wieder Tag werden könnte.»128Johann Wolfang von Goethe, Sämtliche Werke, 25. Band, S. 130
Am 4. Juli 1881 besuchte auch König Ludwig II. von Bayern die grosse Insel. Der Erbauer des Schlosses Neuschwanstein wollte sich beim Besuch der Schwanau über deren Geschichte und Sage unterrichten lassen. Angeblich war der Märchen-begeisterte König über die Schwanau besser unterrichtet, als der Reiseleiter, der sie ihm erzählen sollte.129Die Insel Schwanau im Lowerzer See, Benziger, Einsiedeln (1884): S. 8
Der englische Maler William Turner besuchte Lauerz im Jahr 1843 und malte hier ein kleines Aquarellbild von der Schwanau. Turner war damals 68 Jahre alt und auf einer Reise durch die Schweiz. Die Bilder, die Turner während seinen Schweizerreisen in den frühen 1840er Jahren malte, gelten als seine besten. Das Bild vom Lauerzersee entstand in den frühen Abendstunden, das Mondlicht beleuchtete die Bergketten und schimmerte auf der Seeoberfläche.
Dieses erste Bild von der Schwanau diente Turner als Vorlage für eine zweite Version aus dem Jahr 1848. Die erste Version ist in Privatbesitz, die jüngere Version befindet sich im Victoria and Albert Museum in London. Die Bilder haben heute einen Wert von schätzungsweise einer bis eineinhalb Millionen US-Dollar.130Sotheby’s, Master Paintings Evening Sale, New York, 28. Januar 2016, Lot 61. Webseite: https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2016/master-paintings-evening-sale-n09460/lot.61.html, Stand 30.07.2022
William Beattie und der Zeichner William Henry Barlett, beides Zeitgenossen von William Turner und ebenfalls Briten bereisten 1835 die Schweiz und schrieben in ihrem Reisenbeschrieb über den Lauerzersee und die Schwanau:
«From the town of Schwyz, a very short walk brings us to the borders of Lowerz – a small but beautiful lake, enclosed by scenery pastoral in its most poetical acceptation, and embodying one of the most delicious scenes imaginable. The islet of Schwanau, which apperas to float on its surface, contributes not a little to heighten the romance of the picture, and the stranger, who proceeds along the valley is everywhere met by fascinating objects, which, seen in a fine afternoon summer, offer the richtest materials for the construction of an Alpine paradise»131WS. William Beattie, William Henry Bartlett, Switzerland, Vol. 1, George Virtue, London (1835), S. 154
William Turner kannte vielleicht den Reisebschrieb seiner beiden Landsmänner. So malte er in Lauerz die Schwanau, den See und den ihn umgebenden Bergkranz, kurzum jene Szene, welche seine beiden Vorgänger als das «Alpine paradise» beschrieben hatten.
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
Viktor Weibel, Namenbuch, Band 1, S. 129
2
Wernerkarl Kälin, Die Insel und Burg Schwanau, Schwyzer Hefte 18 (1980), S. 11
3
Hugo Schneider, Böse Türnli, 1984, S. 137
4
Hugo Schneider, Nachrichten, in ZAK, Band 20 (1960), Heft 4, S. 233
5
Funde DB Schwanau, Schweizerisches Landesmuseum, Inventarnummer LM-84419.2-17
STASZ: SG.CIX.50.4.10.2, sowie P. Emanuel Scherer, Die vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Altertümer der Urschweiz, in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, Band 27 (1924), S. 218 (30)
9
Martin Trachsel, Die Zeit der Römer, in Geschichte SZ, Band 1, S. 113. Dieser Fund konnte bis heute nicht überprüft werden.
10
IVS, Strecke SZ 2, Seite 1
11
IVS, Strecke SZ 5, Seite 1
12
Jakob Gasser, 200 Millionen Jahre Erdgeschichte, in Geologie und Geotope, S. 77, Abb. 3.30
13
Martin Ochsner, Schwyz und der Verkehr über den St. Gotthard, in Mitteilungen, Heft 36 (1929), S. 48
14
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 137
15
Daniel Reicke, Flüejen, S. 69
16
Hugo Schneider, Ausgrabungen Schwanau, S. 20
17
Ebd.
18
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 129ff. Die nachfolgenden Ausführungen wurden an Hand des Grabungsberichts von Hugo Schneider zusammengefasst.
19
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 3. Dr. Robert Durrer schreibt am 27.10.1903 in einem Brief an die Gesellschaft für Erhaltung historischer Kunstdenkmäler: «Der Turm wurde vor etwa 40 Jahren um etwa 5 Meter abgetragen und mit dem betreffenden Material der Innernraum völlig ausgefüllt».
20
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 133,
21
Linus Birchler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band. 2, Schwyz II. (1930), S. 346
22
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 1
23
Hugo Schneider, ZAK, Band 20 (1960), Heft 4, S. 233
24
Die Nordmauer wurde vermutlich durch die Flutwelle des Bergsturzes eingedrückt. Siehe Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 135
25
Daniel Reicke, flüejen, S. 69
26
Andreas Meyerhans, Arth, S. 66
27
Werner Meyer, Burgenbau und landesherrliche Territorialbildung, in Böse Türnli, S. 191
28
Andreas Meyerhans, Arth, S. 87
29
HU, Band I, S. 212 / 213
30
Wener Meyer, Siedlung und Alltag, in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft, Band 2, S. 266
31
Wilhelm Oechsli, Anfänge, Regest Nr. 457 (S. 147*)
32
Köbler, Gerhard, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 2014. Abgerufen unter https://www.koeblergerhard.de/mhd/mhd_w.html am 23.01.2021
33
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 138
34
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 141, Anm. 13
35
Werner Meyer, Burgenbuch, S. 109
36
Werner Meyer, Die Eidgenossen als Burgenbrecher, in Geschichtsfreund, Band 145 (1992), S. 84
37
Bruno Meyer, Ältesten eidgenössischen Bünde, S. 12 und 23
38
Roger Sablonier, Kyburgische Herrschaftsbildung , in Grafen von Kyburg, S. 41
39
Acta pontificum helvetica, Band 1, Nr. 395 (S. 243)
40
Emanuel Stierlin, Justinger, S. 61
41
Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 41
42
Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 50/51
43
Karl Meyer, Befreiungstradition, S. 59
44
Jean-Daniel Morerod, Aus dem Schattendasein ins Licht – eine bis anhin wenig beachtete Urkunde aus der eidgenössischen «Frühgeschichte», in Geschichtsfreund, Band 171, 2018, S. 111
45
Bruno Meyer, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, der Stand der heutigen Anschauungen, in Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Band 2, Heft 2 (1952), S. 193
46
Ebd. S. 198
47
Werner Meyer , Burgenbuch, S. 110
48
Werner Meyer, Die Eidgenossen als Burgenbrecher, in Geschichtsfreund, Band 145 (1992), S. 88
49
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 138
50
Bruno Meyer, Weisses Buch, S. 171
51
Origrinaltext in Mittelhochdeutsch siehe QW, Abt. 3, Band 1, S. 19 (449). Der mittelhochdeutsche Text wurde vom Verfasser abgeändert und in neues Deutsch mit schweizerdeutscher Färbung übertragen
52
Bruno Meyer, Das Weisse Buch von Sarnen. Wortlaut und Übersetzung des Chroniktextes. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Obwalden. Sarnen (1984), S. 35
53
Bruno Meyer, Das Weisse Buch von Sarnen. Wortlaut und Übersetzung des Chroniktextes. Herausgegeben vom Regierungsrat des Kantons Obwalden. Sarnen 1984. S. 46. Abgerufen unter: https://www.ow.ch/dl.php/de/5409b89275813/Text_und_Uebersetzung_Chronik_Weisses_Buch.PDF,
54
Felix Hemmerli, De nobilitate et rusticitate dialogus, ca. 1450, Kapitel 33, fol. CXXIX
55
Balthasar Reber, Felix Hemmerli von Zürich. Neu nach den Quellen bearbeitet, Zürich 1846, S. 253. In neues Deutsch übertragen vom Verfasser.
56
Hans Steinegger, Schwyzer Sagen, Band III, S. 137 – 141
57
Joseph Schneller, Melchior Russen, Ritters von Lucern, Eidgenössische Chronik; geschrieben im Jahre 1482, Verlag von C. A. Jenni, Sohn, Bern (1834), S.63
58
Linus Birchler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band. 2, Schwyz II. (1930), S. 342
59
STASZ, HA.III.35, S. 133
60
STASZ, HA.III.40, S. 42
61
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 31 recta
62
STASZ, HA.II.1507
63
STASZ, HA.III.40, S. 72
64
STASZ, HA.III.40, S. 119
65
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 32 verso
66
Schwyzer Geschichtskalender, 1905/40
67
Schwyzer Geschichtskalender, 1902/17
68
Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht, S. 5
69
Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Kirchen-Regiment, S. 219
70
Schwyzer Geschichtskalender, 1904/29
71
Schwyzer Geschichtskalender, 1911/44
72
72Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Kirchen-Regiment, S. 219
73
STASZ, HA.III.245, S. 214
74
STASZ, HA.III.90, S. 68
75
STASZ, HA.III.100, S. 245
76
Schwyzer Geschichtskalender, 1902/19
77
STASZ, HA.III.115, S. 102
78
STASZ, HA.III.120, S. 68
79
STASZ, HA.III.120, S. 214
80
STASZ, HA.III.120, S. 220
81
STASZ, HA.III.125, S. 10
82
STASZ, HA.III.125, S. 44
83
STASZ, HA.III.125, S. 116
84
Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 229
85
STASZ, HA.III.130, S. 33
86
STASZ, HA.III.135, S. 99
87
STASZ, HA.III.135, S. 152
88
88Martin Wagner, Catalogus personarum ecclesiasticarum, S. 229
89
Georg Bernhard Depping, Die Schweiz, S. 34
90
Bridel, Philippe Sirice: Kleine Fussreisen durch die Schweiz. Zürich : bey Orell, Gessner, Füssli und Compag., 1797-1798. Zentralbibliothek Zürich, NLE 436-NLE 437, https://doi.org/10.3931/e-rara-29927 / Public Domain Mark, Erster Teil, S. 97 – 107
91
STASZ, HA.III.145, S. 77
92
STASZ, HA.III.165, S. 76, 77 und 78
93
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
94
Schwyzer Geschichtskalender, 1922/32
95
Schwyzer Geschichtskalender, 1913/46
96
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
97
Schwyzer Geschichtskalender, 1913/44
98
Schwyzer Geschichtskalender, 1916/80
99
Schwyzer Geschichtskalender, 1899/3
100
Schwyzer Geschichtskalender, 1899/16
101
Hochbauamt Kanton Schwyz: Insel Schwanau – Gesamtsanierung und Neukonzeption, Druck 2012
102
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 140
103
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 31 verso bis p. 32 verso
104
STASZ, HA.II.1507
105
Ebd. S. 346, Anm. 3
106
Schwyzer Geschichtskalender, 1907/37
107
Carl Zay, Goldau, S. 299. Die Flutwelle soll etwa 30 cm kleiner gewesen, als das einstige Kapellentürmchen. Zay hat am Folgetag des Bergsturzes als Augenzeuge gesehen, wie Holzschindeln, Heu und Rasen sich am Türmchen befunden haben.
108
Schwyzer Geschichtskalender, 1919/33
109
Anton Nüscheler, Gotteshäuser, S. 89
110
Anton Nüscheler, Gotteshäuser, S. 90
111
Schwanau, Benziger, S. 16
112
Bussmann und Anselmetti, Rossbergs landslide, S. 43
113
STASZ, NA.LXX.112.4
114
Hans Steinegger, Die Insel und Burg Schwanau, in Schwyzer Kalender 2012, S. 43
115
STASZ, NA.LXX.112.2
116
STASZ, HA.III.60, S. 28 (p. 67)
117
STASZ, cod. 125: Ratsprotokolle 1786-1787: Dort heisst es, dass der Eremit Anton Marti den Kelch und übrige Praetiosa auf der kleinen Burg aufbewahren solle.
118
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte: fol. 31 r (S. 79)
119
Linus Birchler, Kunstdenkmäler: S. 347. Birchler verweist auf «Ratsprotokoll Schwyz; Marty und M. Waser, Schwyz und seine Umgebung 1891, S. 46»
120
Hugo Schneider, Böse Türnli, S. 131
121
Hugo Schneider, Ausgrabungen Schwanau, S. 20
122
Carl Zay, Goldau, S. 297 und 299
123
Meinrad Inglin, Die entzauberte Insel. Ammann Verlag Zürich. Gesammelte Werke, Erzählungen, Band 1, S. 25
124
Heinz Horat, Bauen am See, S. 58
125
Jeremias Gotthelf, Erzählungen und Kalendergeschichten, Band 1, S. 621
126
Meinrad Inglin, Jugend eines Volkes, Atlantis Verlag, Zürich, 1981, S. 138 – 139
127
Goethezeitportal, http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/johann-wolfgang-von-goethe/goethes-erste-schweizer-reise-von-1775.html. Stand 22.01.2021
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Johann Wolfang von Goethe, Sämtliche Werke, 25. Band, S. 130
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Die Insel Schwanau im Lowerzer See, Benziger, Einsiedeln (1884): S. 8
130
Sotheby’s, Master Paintings Evening Sale, New York, 28. Januar 2016, Lot 61. Webseite: https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2016/master-paintings-evening-sale-n09460/lot.61.html, Stand 30.07.2022
131
WS. William Beattie, William Henry Bartlett, Switzerland, Vol. 1, George Virtue, London (1835), S. 154
In einem Schreiben vom 24. Januar 1518 an den Probst in Zürich liess Papst Leo X. überprüfen, ob in Lauerz ein eigener Kaplan angestellt werden könne. Bis anhin mussten die Kirchgänger in Lauerz jeweils nach Schwyz in die heilige Messe. Ein wichtiges Argument der Lauerzer für einen eigenen Kaplan war die weite Wegstrecke nach Schwyz, die insbesondere bei ungestümer Witterung mühsam war. Dadurch waren oftmals zu taufende Kinder und Sterbende von den Kirchensakramenten ausgeschlossen. Im Schreiben, das Papst Leo X. an den Propst Felix Fry in Zürich richtete, steht über die Beweggründe der Lauerzer folgendes:
«Dass genanntes Dorf (Lauerz) von der Kirche der Pfarrei (Schwyz) […], ziemlich weit entfernt sei, dass daher wegen dieser Entfernung, und wegen der Rauheit des Weges, namentlich, zur Winterszeit, die dortigen ansassend Bewohner, zumal Greise, und Leute die sich von ihren Krankheiten erholen und schwangere Frauen die genannte Pfarrkirche behufs Anhörung des Gottesdienstes und Empfang der Kirchensakramente nicht besuchen, sowie auch die kleinen Kinder zur Taufe nicht dorthin gebracht werden können, von woher die genannte Bewohnerschaft von Zeit zu Zeit die empfindlichsten Schädungen und Ungelegenheiten erwachsen und dann und wann Kinder ungetauft, und andere ohne Empfang der Kirchensakramente absterben, sowie es auch vorkomme, dass die Leichname der Verstorbenen in den Häusern und an Orten, wo sie der Tod erreichte, wohl auch für einige Tage liegen bleiben, nicht ohne grosse Gefahr für die Bewohnerschaft. Die genannten Abgesandten haben daher den Wunsch eröffnet, es möchte der vorgenannten Bewohnerschaft zur Abwendung dieser Gefahren und ärglichen Vorkomnisse gestattet werden, von sich aus für eine Kapelle genannten Dorfes einen Kaplan, den sie nach ihrem Gutfinden wieder entlassen können, anzustellen, der daselbst an Sonn- und Festtagen die Messe lese und den Gottesdienst halte und ihnen die Kirchensakramente spende.»1Pfarrarchiv, Nr. 2.1.5.0, Übersetzung von Kantonsschreiber Kälin am 20. Januar 1874 aus dem lateinischen Original.
Am 28. Oktober 1520 erfolgte dann die offizielle Erlaubnis, dass die Lauerzer fortan einen eigegen Kaplan anstellen dürfen. Eine vollständige Abkurung war damit noch nicht erreicht, sondern erst der Status einer Kurat-Kaplanei. Die Lauerzer mussten nämlich nach wie vor den Zehnten und die Heiligtagopfer an den Schwyzer Pfarrer entrichten und an hohen kirchlichen Feiertagen, namentlich am Palmsonntag, Hohen Donnerstag, Karfreitag, Maria Lichtmess und Allerseelen weiterhin nach Schwyz in die Kirche. Ferner mussten die Lauerzer «an die Reparatur, den Bau und Unterhalt und die Ausstattung mit kirchlichen Ornamenten» der Schwyzer Pfarrkirche beitragen und beisteuern. Offenbar konnte man in Schwyz nicht ganz auf die Kirchenspenden der Lauerzer verzichten.
Der Entscheid für einen eigenen Kaplan in Lauerz wurde im Zürcher Grossmünster besiegelt. Anwesend waren für diesen wichtigen kirchenrechtlichen Akt der Zürcher Probst Felix Fry, die «hochachtbaren» Zeugen Johannes Niesslin und Johann Wydmar, der Notar Arnold Winterswik, der Schwyzer Pfarrer Heinrich Baumli, der Arther Pfarrer Balthasar Trachsel, der Vorsteher der Kirchgemeinde Schwyz Egidius Reichmuth und der Vorsteher der Lauerzer, Heinrich Imhof.
Erst am 13. August 1581, also 63 Jahre später, gestattete der Konstanzer Bischof, Markus Sittikus, den Lauerzern, dass ihre Kinder in der hiesigen Kapelle getauft und die Toten in ihrem neu errichtet, neben der Kirche liegenden, Friedhof beerdigt werden dürfen. Jedoch sollen die Lauerzer weiterhin die Rechte der Schwyzer Kirche und des dortigen Leutpriesters in Lauerz beachten und befolgen.2Pfarrarchiv, Nr. 2.1.6.1, Übersetzung von Kantonsschreiber Kälin am 18. Januar 1874 aus dem lateinischen Original.
Im Jahr 1581 soll gemäss Carl Zay auch die Grenze zwischen der Pfarrei Arth und Lauerz entlang einem Bach festgelegt worden sein.3Carl Zay, Goldau, S. 96 Aus dem Text von Zay geht nicht klar hervor welcher Bach dies war, aber er meinte damit höchstwahrscheinlich den Teubertsbach, der noch heute die Gemeindegrenze zwischen Arth und Lauerz bildet.
Das alte Beinhaus
Auf dem Friedhof der alten Lauerzer Kirche, die 1806 durch den Bergsturz zerstört wurde, stand auch ein Beinhaus, das ebenfalls beim Bergsturz zu Grunde ging. Diese kleine Kapelle wurde gemäss Pfarrer Thomas Fassbind im Jahr 1589 eingeweiht. Anno 1730 soll dieses abgebrochen und ein neues Beinhaus erbaut worden sein. Der neue Kerchel wurde wiederum der Gottesmutter Maria und dem Erzengel Michael geweiht. Den Dorfbrand von 1763 überstand das Beinhaus ohne grössere Schäden, jedoch wurden die hölzernen Säulen angebrannt.4Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 28 verso
Die Kapelle im Otten
Im 17. Jahrhundert wurde eine Kapelle im Otten erstellt, die 1648 zu Ehren des heiligen Jakob geweiht wurde.5Pfarrarchiv, Nr. 2.1.6.2 Die Kapelle stand an der heutigen Hauptstrasse, wohl in der Nähe des Otten-Baches6Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 10 verso. Über die Grenzen der Pfarrei Lauerz zu Schwyz schrieb Fassbind: «Gegen Aufgang, oder gegen der Pfarr Schwyz scheidt der Bach am Otten, der hieher der Capell vom Buelerberg her sich in See ergiesst […]». und eines ehemaligen Reistzugs namens «Langen Zug»7STASZ, HA.III.50, S. 222: Am 31. Mai 1704 wird von einer «Capell an dem Lauerzer See under dem langen Zug» berichtet. Der Langzug war ein Reistzug, der etwas östlich vom Otten lag.. Die Kapelle war 25 Schuh8Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 29 recta lang (= zirka 7.5 Meter). Es könnte sein, dass diese Kapelle bereits im Jahr 1604 erbaut wurde. Am 26. April 1604 wurde nämlich einem Hans Dietschi das Bauen einer Sägerei, „by dem Lauwertzersee under dem Cappelli“ bewilligt.9STASZ, HA.III.10, S. 135 Aus einem Protokoll vom Schwyzer Landrat von 1635 erfahren wir, dass die Erbauung dieser Lauerzersee-Kapelle auf ein denkwürdiges Ereignis zurückzuführen war. Einem Mann namens Lilli soll an der Stelle, wo die Kapelle stand, «etwas widerfahren» sein und er soll anschliessend versprochen haben, dort ein Gotteshaus zu bauen und zu erhalten. Was genau geschehen ist, erfahren wir aus dem Ratsprotokoll leider nicht. Es ist gut möglich, dass der Bau dieser Kapelle mit einem Vogelangriff zusammen hing, der weiter unten geschildert wird. Jedenfalls wird im selben Protokoll daran erinnert, dass nun der Landvogt Riget die Kapelle am Lauerzersee im Andenken an dieses Ereignis wiederum eröffnen und gebührlich unterhalten soll.10STASZ, HA.III.20, S. 150 Im Jahr 1679 soll die Kapelle erneut repariert worden sein.11Geschichtskalender, 1924/46
In den Jahre 1798 und 1799 wurde die Kapelle von französischen Soldaten als Wachtposten missbraucht. Das Bild der drei Tellen, das an der Aussenmauer der Kapelle aufgemalt war, sollen sie verwüstet haben.12Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 29 verso Im Jahr 1806 wurde die Otten-Kapelle durch die Flutwelle des Bergsturzes zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Dass es am Otten auch ungeheuerlich zu und her gehen konnte, zeigt eine Anekdote aus dem Jahr 1611: ein Mann soll im Otten von einem ungeheuer grossen Vogel angegriffen worden sein, so dass es ihm unmöglich war, sich selber zu befreien. Sein Retter kam mit einem Schwert zu Hilfe und erlegte das Untier, bei dem es sich um einen Geier handelte und der eine Flügelspannweite von 1.5 Klaftern hatte.13Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 2, fol 81 r (S. 533) Auf der obigen Karte von 1645 ist dieses Ereignis am Ostende des Lauerzersees abgebildet. Der Vorfall muss bei den damaligen Zeitgenossen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, sodass man es gar für würdig hielt, ihn auf einer Karte festzuhalten. Dieser Vogelangriff ist vermutlich der Grund, weshalb später die Otten-Kapelle erbaut wurde.
Die Pestzüge von 1611 und 1628
Der Pestzug, der im Jahr 1611 von Italien und dem Tessin in die Innerschweiz gelangte, war für den ganzen Kanton Schwyz verheerend.14Oliver Landolt, «ein mercklicher unerhörter grusamer sterbend» : die Pest und ihre Auswirkungen im Länderort Schwyz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in Mitteilungen, Heft 104 (2012), S. 50 In Steinen und Arth sollen je 300 Menschen daran gestorben sein, im Hauptort Schwyz gar deren 2’000.15Ebd. In Lauerz um die 90 Personen, was wohlmöglich einem Drittel der damaligen Bevölkerung entsprach.16Geschichtkalender, 1909/47
In den Jahren 1628/29 zog erneut eine Pestwelle über den Kanton Schwyz. Es wurden Vorsichtsmassnahmen erlassen, so zum Beispiel ein Einreiseverbot für Händler, aber auch das Marktfahren der Einheimischen an Orte, wo die Pest wütete, wurde verboten.17Oliver Landolt, «ein mercklicher unerhörter grusamer sterbend» : die Pest und ihre Auswirkungen im Länderort Schwyz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in Mitteilungen Heft 104 (2012), S. 54 Der Müller in Lauerz Namens Konrad Heinrich Büeler hatte gegen diese «Ordnung, so von der Pestilenz halben gemacht» verstossen und wurde mit einer Geldstrafe gebüsst.18STASZ, HA.III.15, S. 186 Was genau er verbrochen hatte, wissen wir nicht.
Der Kirchenbau im Jahr 1675
Im Jahr 1675 wurde der Bau einer neuen Kirche in Angriff genommen.19Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 328 Weshalb eine neue Kirche gebaut wurde, wissen wir leider nicht. Jedenfalls war diese Kirche von 1675 der Vorgängerbau der heutigen Pfarrkirche. Die Landsgemeinde Schwyz überliess bereits ein Jahr davor, im Mai 1674, den Lauerzern ein Stück Allmendland (Wald) zuoberst im Gurgen für den Kirchenbau.20STASZ, HA.III.35, S. 74 Im Jahr 1680 war die Kirche noch im Bau, denn dem Lauerzer Kirchenvogt Hans Balthasar Dettling wurden für den Kirchenbau 3’000 Ziegel zugesprochen.21Geschichtskalender, 1904/14 Die Glockenweihe von zwei Glocken erfolgte bereits Ende Oktober 1680 durch den Einsiedler Abt Augustin Reding.22KAE, A.BA.13 Am 14. Oktober 1684 wurde die Kirche und der Hochaltar vom Konstanzer Weihbischof Georg Sigismund zu Ehren der früheren Kirchenpatrone (wohl Theodul und Nikolaus) eingeweiht. Die drei Seitenaltäre weihte er der Gottesmutter Maria zum Rosenkranz, Engeln und anderen Heiligen.23Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 328, er nimmt Bezug auf Johann Kaspar Lang, Historisch-Theologischer Grund-Riß, Band 1, S. 813 Der Rat von Luzern spendete bei der Fertigstellung einige Glasschilder und Fenster für das neue Gotteshaus.24Geschichtskalender, S. 1906/57 Der Kirchenschatz beinhaltete im Jahr 1770 unter anderem ein Antependium (=Altartuch) aus rotem Samt mit drei Säulen von drap d’or (=Goldgewebe), auch mit zwei gewirkten Schildern mit Goldborten und dem herzoglichen Wappen des Hauses Savoyen.25Geschichtskalender, 1930/59 Im Jahr 1692 erhielt die Lauerzer Kirche Reliquien der Hl. Märtyrer Lucidus und Severus vom Einsiedler Abt Raphael Gottrau.26KAE, A.VD.20 Dieser hatte die Reliquien dem Leonard Dettling, Pfarrer in Wangen, übergeben. Möglicherweise hatte der Pfarrer Dettling Beziehungen nach Lauerz.
Der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind beschrieb als Zeitzeuge diese alte Lauerzer Pfarrkirche wie folgt27Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 13 recta und verso:
«Der Kohr hatte ein steinenes Gewölb, und 3 Fenster, 2 gegen Norden, und eines gegen Süden, zur nemmlichen Seite stahnd der veste Gloggen-Thurn und ein kleines Sacristie, zu bejden Seiten stuhnd schön geschnizelte Presbiterien, man stieg durch 3 Staflen ins Kohr hinauf.
Das Langhaus hate zu jeder Seite 2 lange Fenster, das Gewölb dessen war holzern und verweisset. Hinterhalb war eine empor Kirche. An den Kirchmauern einige Tafeln, ihre ganz Länge betrug 80 Schuh, die Breite 30 und die Höhe verhaltnissmässig. Durch die Kirch hin ein einziger Gang. Ob der Sakriste befand sich ein kleines Sing-köhrlein. Anno 1774 sind grosse Reparationen gemacht worden, ein Gips-Gewölb, neüe Fenster, ein neüer Kanzle, und Taufstein. Dieser stuhnd zur Evang- jener zur Epistel-Seite. Die Altäre aber blieben die nemmliche. Sie waren von Bildhauer Arbeit, mit Saülen, und Bildern der hl. geziert, reich vergoldt, und wohl gefasset.
Vor der grossen Kirch-Porte war ein gewölbtes Portal auf zwo grossen steinernen Saülen. Diese Kirche stuhnd bis auf das Jahr 1806, jenes unvergessliche Jahr.
Anno 1797 im Winterm. hat ein unerhörter Sturmwind die Kirche an Fensteren und Tach, auch den Thurn ungemeine beschädiget, so das etl. 100 Gulden musten verwendt werden, das beschädigte herzustellen. Es war aber mir ein Vorboth des unendl. grösseren Schadens der den Kirchgang anno 1798 durch die Franzosen, und 1806 durch den Berg-Sturz ist zugefügt worden»
Die alte Lauerzer Pfarrkirche überstand den Dorfbrand von 1764 offenbar ohne grössere Schäden. Die Kirche ist auf alten Zeichnungen noch abgebildet. Der Turm trug einen Spitzhelm (ähnlich der heutigen Ingenbohler Kirche) und das Schiff war spiegelverkehrt zur heutigen Kirche gebaut. Das heisst, der Eingang der Kirche lag auf der Westseite; der Chor im Osten (Sonnenaufgang). Ebenfalls auf der Ostseite, quer zur Kirche, stand das Beinhaus. Die Kirche soll im Jahr 1774 repariert worden sein.28Schwyzerische Chronik, S. 142
Im Jahr 1806 wurde das Gotteshaus durch den Goldauer Bergsturz zerstört. Da der Glockenturm noch stand, konnten die Glocken für die neue Pfarrkirche wieder verwendet werden. Zwei der insgesamt vier in unserer heutigen Pfarrkirche hängenden Glocken stammen aus der Zeit vor dem Bergsturz. Eine wurde im Jahr 1797 gegossen, die andere im Jahr 1804. Die Glocke aus dem Jahr 1797 war eigentlich älter und wurde vermutlich 1619 in Zug gegossen. Durch «unvervenüftiges Laüten» bekam sie einen Sprung und wurde 1797 in Zug neu gegossen.29Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 25 verso Sie ertönt beispielsweise beim Stundenschlag, sowie um elf Uhr beim Angelusläuten.30Patrick Bürgi, Stefan Kälin, Marzell Camenzind, Röm. kath. Kirche Lauerz „St. Nikolaus“ – Ein Blick in unsere Kirche, 2. Auflage, 2011, S. 22
Gemäss dem Pfarrer Thomas Fassbind stammte die älteste Lauerzer Kirchenglocke aus dem Jahr 1568 und trug die gotische Aufschrift «Ave Maria gratia plena. + M.D.L.VVIII»31Die Jahrzahl 1568, die Fassbind angibt, stimmt nicht mit der römischen Zahl auf der Glock überein. Die Inschrift auf der Glocke wäre 1563.. Sie wog 5 Zentner und ist heute leider nicht mehr vorhanden.
Die Aufgaben des Lauerzer Sigrist im 18. Jahrhundert
Im Jahr 1748 erstellte die Krichgemeinde Lauerz ein Pflichtenheft für den Sigrist.32Pfarrarchiv, Nr. 7.1.0.0 Nebst diversen Punkte welche zum Beispiel das Glockenläuten, das Auszieren der Kirche oder das Reinigen der Böden und Messgewänder betrafen, wurde unter anderem auch folgendes vorgeschrieben:
«Es solle der Sigrist schuldig sein die Thörley gegen dem Kirchhoff an zu henkhen und die selbige zu erhalten damit der Kirchoff Leichen köne vor allem Vich geschirmbt verbleibe, und er selbigen versorge so vill es möglich ist.»
Bei offenem Friedhofstor nutzte manches Vieh wohl den Friedhof als Weide.
Im Jahr 176633Pfarrarchiv, Nr. 7.1.0.0 wurde das Pflichtenheft des Sigrists erweitert. Es wurde ihm unter anderem untersagt Öl, Kerzen aus Unschlitt (=tierisches Fett) und Wachskerzen für den Eigenbedarf aus der Kirche mitzunehmen. Mit diesen Leuchtmitteln wurde damals das Kircheninnere etwas erhellt. Das Öl gewann man vornehmlich aus den Kernen von Baumnüssen.
Die Kirche schloss der Sigrist oder eine von ihm beauftragte Person am Abend nach dem Rosenkranzgebet jeweils zu. Den Dieben wollte man das Stehlen nicht zu leicht machen.
Die Gräber wurden ebenfalls vom Sigrist gegen eine kleine Bezahlung ausgehoben, jedoch war er nicht zuständig für die Beerdigung der Leichname. Dies gehörte wohl zu den Pflichten der Angehörigen.
Die Kirchgemeinde Lauerz bezahlte dem Sigrist für seine Arbeit diverse vorgeschriebenen Beträge. Zum Beispiel für Taufen, Beerdigungen, für das Glocken-Läuten, für die «Kirchen Zeit», für Jahrzeitstiftungen etc. Auch von den drei Lauerzer Bruderschaften: zum Hl. Sebastian, zur Schmerzhafte Muttergottes und zur Hl. Katharina erhielt er einen fixen Betrag. Man überliess ihm auch ein Stück Allmeindland in der Büelen zur Nutzung.
Lauerzer Greifler im Jahr 1681
An Dreikönigen im Jahr 1681 taucht zum ersten Mal der Greifflet in Lauerz in den Schriftquellen auf. Er dürfte bereits die Jahrhunderte davor ausgeübt worden sein, aber ohne dass sich die Schriftgelehrten sich dafür interessierten (wichtiger waren politische und kirchliche Vorgänge, das Brauchtum war für sie nicht interessant).
An jenem Dreikönigstag im Jahr 1681 waren jedenfalls «junge Gesellen» aus Lauerz nach dem Greifflet nach Arth gezogen, obwohl dies eigentlich verboten war. In Arth sollen sie sich zudem ungebührlich benommen haben. Zur Strafe mussten sie nach Steinerberg pilgern, beichten und Busse tun und vom Pfarrer einen Zettel unterschreiben lassen, dass sie die Kosten bezahlt und des Pfarrers Unterweisung angehört hatten.34STASZ, HA.III.50, S. 93
Schützen von Lauerz werden 1690 erstmals genannt
Nebst dem Greifflet ist auch das Schützenwesen in Lauerz seit mehr als drei Jahrhunderten bezeugt. Früher hatten die Schützen nicht nur eine gemeinschaftsstiftende, sondern auch eine militärische Bedeutung. Sie trainierten letztendlich für den Kriegsfall.
Das älteste Schützenmeister-Schild auf der Figur des Schützenbaschis in der Lauerzer Pfarrkirche trägt die Jahrzahl 1690 mit der Inschrift «Haubmann Kyd».35Schützenwesen, S. 87 Auf dem Schild von 1691 steht der Name von Johann Marti von Euw, der «erste Sebastiansvogt zu Lauerz».36Ebd. 16
Im Jahr 1691 wird den Lauerzer Schützen bewilligt, dass sie, wie die anderen Schützenvereine im Land Schwyz, Schützengaben vergeben dürfen. Die Kasse des Landes solle dadurch aber nicht beschwert werden.37STASZ, HA.III.50, S. 191 Das hiess nichts anderes, als dass die Schützengaben von den Lauerzern selber bezahlt werden mussten.
Im Jahr 1730 wurde den Lauerzer Schützen 15 Gulden vom Land Schwyz zur «Erbesserung ihres Schützenhaus» bezahlt.38STASZ, HA.III.65, S. 138 Im Jahr 1777 baten die Lauerzer Schützen das Land Schwyz um eine Steuer, zur Übersetzung (Verschiebung) ihres Schützenhaus. Auf welchem Grundstück bis ins Jahr 1777 geschossen wurde, ist nicht bekannt. Später stand das Schützenhaus im Oberdorf auf der Mühlimatt.39Mündliche Auskunft von Martin Hubli, Ober Äbnet Geschossen wurde in Richtung Abhang unterhalb vom Chälenbüel. In den 1920er Jahren baute man das heutige Schützenhaus in der Büelern in Bousigen.
Das Eisenerz von Lauerz
Zwischen der Chlostermatt und dem Flüeli-Boden befindet sich der einzige Eisenerzstollen in der Gegend von Arth bis Muotathal. Bereits beim Zustieg durch ein kleines Waldstück fällt die kirschrote Erde auf, die auf erzhaltiges Gestein schliessen lässt. Der Zugang zur Erzgrube misst ca. 5 Meter in der Höhe und reicht rund 12 Meter ins Berginnere.
Das Eisenerz bei der Chlostermatt hatten wohl bereits die ersten Siedler von Lauerz bemerkt. Allerdings wissen wir nicht, ob sie sich an dessen Abbau versucht haben. Bei der Ausgrabung auf der Burg Schwanau in den Jahren 1959/60 kam auch Eisenschlacke zum Vorschein, die auf einen Erzabbau im Mittelalter schliessen lässt.40Funde DB Schwanau, Schweizerisches Landesmuseum, , Inv. Nr. LM-96145 und LM-96146
Am 29. April 1602 bewilligte die Schwyzer Obrigkeit dem Hauptmann Heinrich Madran aus Uri für zehn Jahre im Kanton Schwyz nach Erzvorkommen zu suchen. Madran ist auch der Namensgeber des Madranertales im Kanton Uri. Über die Ergebnisse Madrans sind wir durch die Quellen nicht unterrichtet. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihm das Lauerzer Erzgestein bekannt war. Am 11. Februar 1610 formierte sich eine Gruppe von einheimischen Erzsuchern, unter ihnen Landamman Stocker, Gilg von Hospenthal, Werni Ziltener, Meister Hans Rupp und Jost Mettler. Diese wollten eine bereits existierende Erzstelle wieder in Betrieb nehmen. Aus den Quellen geht nicht hervor, wo sich diese Stelle befand. Da drei der fünf Namen im Artherviertel beheimatet sind41Es sind dies: von Hospenthal, Ziltener und Mettler., ist es gut möglich, dass der beabsichtigte Erzabbau in Lauerz erfolgte. Um das Jahr 1600 werden in den Schriftquellen Personen fassbar, die sich für das Handwerk des Schmieds (Arth) und zur Errichtung einer Hammerschmitte (Brunnen) bewerben.42Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 137 Dies deutet auf eine Zunahme an verfügbarem Eisenerz hin.
Im Jahr 1724 wird der Erzabbau in Lauerz aber eindeutig fassbar. Am 30. April desselben Jahres wurden den Eisenherren Linder und Burckhardt (aus Basel stammend und im Besitz des madranischen Bergwerkes in Uri) von der Schwyzer Landsgemeinde gestattet, Eisenerz in Lauerz abzubauen43STASZ, HA.III.270. Am 2. September wurden auch das dafür benötigte Holz und die Holzkohle bewilligt, welche beide von Rothenthurm und aus dem Muotathal stammten.44STASZ, HA.III.65, S. 43 Vermutlich wurde während den fünf Monaten von Mai bis September die Erzgrube eingerüstet und der Schmelzofen erstellt. Der Schmelzofen sei jedenfalls in einem sehr guten Zustand gewesen, hiess es damals von amtlicher Stelle. Dieser Ofen befand sich vermutlich im Otten, in der Nähe des Seeufers45Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 3 verso und soll vor 200 Jahren noch zu sehen gewesen sein. Der Goldauer Bergsturz bzw. dessen Flutwelle von 1806 zerstörten allerdings die Reste dieses Schmelzofens.46Historisches über den Kanton Schwyz: A – D, in Mitteilungen, Heft 92 (2000), S. 69
Der Schwyzer Chronist Thomas Fassbind berichtet um 1800, dass in Lauerz eine „sehr reiche, vortreffliche Eisenmine“ sei, die man aus Holzmangel allerdings aufgegeben habe.47Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 1, fol 127 r Das verhüttete Lauerzer Eisenerz könnte in der Hammerschmitte in Steinen verarbeitet worden sein, wo eine solche Anlage seit dem 17. Jahrhundert bezeugt ist.48Hansjörg Koller, Steiner Wirtschaftskalender. In Steinen, Verlag Verkehrsverein Steinen (1987): S. 109 Josef Anton Schorno eröffnete Anfangs 1700 in Steinen einen Schmiedebetrieb. Es ist anzunehmen, dass er damals die Hammerschmitte im Steineraatal übernommen hatte.49Robert Schorno, Das Waffen- und Hammerschmiede-Geschlecht der Schorno in Schwyz, in Bergknappe Nr. 54, 4/1990, S. 18-20
Linder führte im 18. Jahrhundert das Lauerzer Erzwerk ohne Burckhardt weiter. Das Unternehmen war jedoch wegen Finanzproblemen nicht von Erfolg gekrönt. Von 300 Gulden Schulden war die Rede, die Eisenherr Linder in Schwyz nicht bezahlen konnte.50STASZ, HA.III.65, S. 84 Dass der eher geringe Eisengehalt des Lauerzer Erzes zum Konkurs von Linders Unternehmen beigetragen hat, ist möglich, aber sicherlich nicht der ausschliessliche Grund.51Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 143 – 144 Linder musste nämlich auch den Betrieb des grösseren Silener Bergwerkes 1729 einstellen und hatte wohl insgesamt Finanzprobleme in seinem Unternehmen. Der Konkurs von Linder leitete auch das Ende des Lauerzer Erzabbaus ein. Spätere Versuche zur Erzgewinnung könnten von 1766 – 1776 erneut gemacht worden sein, als zwei Einheimischen die Erlaubnis erteilt wurde, am Steinerberg nach Steinkohlen zu graben und zur Verhüttung Eisenerz zu verwenden.52Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 144 Im Jahr 1766 bat ein Joseph von Euw um ein Stück Land neben der «Ysenschmelzi»53STASZ, HA.III.250, S. 112 im Otten54STASZ, HA.III.250, S. 237, damit er dort eine Gerberei bauen könne. Dies könnte ein weiterer Hinweis sein, dass die Eisenschmelze in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert noch nicht aufgegeben worden war. Heinrich Zschokke berichtet im Jahr 1805, dass Steinkohle vom Rossberg „schon vorzeiten“ für die Eisenschmelze am Lauerzersee benutzt wurde.55Heinrich Zschokke, Historische Denkwürdigkeiten der helvetischen Staatsumwälzung, Dritter Band, Steinerische Buchhandlung, Winterthur (1805), S. 278 Im Jahr 1858 wurde erneut in Erwägung gezogen, das Lauerzer Werk auszubeuten, jedoch kam es nicht mehr zur Ausführung dieses Plans.56Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. In Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 145
Im 19. Jahrhundert wurde die Lauerzer Erzgrube zur Aufbewahrung von Milch genutzt. Mitte des 20. Jahrhundert, als es noch keine Kehrichtverbrennungsanlagen gab, wurde dort auch Abfall deponiert.57Mündliche Auskunft von Wilfried Annen Dieser wurde 1983 restlos durch Freiwillige des Sportclubs Lauerz entsorgt58Ernst Immoos, Bote der Urschweiz vom 4. Mai 1983, S. 3 und die Erzgrube in dem Zustand freigelegt, wie wir sie heute vorfinden können.
Strafen und Sittenmandate im 17. und 18. Jahrhundert
Aus dem Jahr 1644 kam folgender kurioser Fall aus Lauerz zur Verhandlung in Schwyz: Hans Jakob Müller aus Lauerz wurde wegen Schandreden angeklagt, weil er behauptete, er habe in Luzern mit Pauli Imligs Ehefrau, Magdalena Gut, im selben Bett geschlafen. Zeugen sollen aber ausgesagt haben, dass dies nicht der Fall war und später gestand auch Müller, dass nichts dergleichen geschehen sei. Vom Gericht wurde erkannt, dass Müller «unfründt-, ungüetlich unnd zevil gethan» habe und er zu 20 Kronen bestraft und zu drei Tagen und Nächten mit Wasser und Brot in Gefangenschaft gehalten werden soll.59STASZ, HA.III.30, S. 7
Im Jahr 1675 wird ein Martin Bürgler, Schneider aus Lauerz, mit 10 Pfund Busse bestraft, weil er Schnaps brannte und verkaufte.60STASZ, HA.III.30, S. 149
Ende April 1698 wurde ein Pasquilss (=Spottzettel) an einer Tanne neben dem Lauerzersee aufgehängt. Die Schwyzer Obrigkeit, gegen die sich dieses Schreiben wohl richtete, fahndete nach dem Täter und stellte ein Kopfgeld von 100 Talern aus, für den, der den Macher des Spottzettels anzeigen würde.61STASZ, HA.III.45, S. 130
Die Schwyzer Obrigkeit wollte auch keine ausgelassenen Wirtshausbesuche dulden. Sie verbot in Lauerz im Jahr 1706 während der Advents- und Fastenzeit an Feierabenden, Feiertagen und Samstagen das Verweilen in Wirtshäusern nach 21.00 Uhr.62STASZ, HA.III.55, S. 76 Auch die Kleiderordnung wurde im Jahr 1706 überwacht. In Lauerz wurde dafür der Kirchenvogt Beeler als Aufseher bestimmt.63STASZ, HA.III.55, S.93
Anfangs Januar 1726 kam es zu einer grösseren Schlägerei in Lauerz, woran elf Personen beteiligt waren. Hans Lienhard Wiget Senior (vom Ried) und dessen Sohn kämpften mit einem Tschümperlin, wobei der Vater den Tschümperlin festhielt und sein Sohn auf diesen einschlug. Der Vater wurde gebüsst, weil er nicht Frieden schlichtete, sondern selber an der Schlägerei teilnahm.
Am selben Tag hatten der «Jung» Caspar Dettling dem Caspar Bitzener die Haustür aufgesprengt und war mit «allem Volkh» mit Gewalt in Bitzeners Haus eingedrungen. Mit dabei an dieser Heimsuchung waren auch ein Balz Wiget, Anton Eberhard und Xaver Wiget. Sie wurden zwar nicht gebüsst, mussten aber einen Anteil an den Prozesskosten bezahlen. Insgesamt waren die Geldstrafen alle relativ mild und die Schlägerei hatte für die Betroffenen keine weiteren Folgen.64STASZ, HA.III.65, S. 65 Was der Auslöser für diese Schlägerei war, ist aus dem Protokoll des Schwyzer Landrats leider nicht ersichtlich.
Im August 1764 brach ein Joseph Riehl von Strassburg in das Haus von Ratsherr Dettling in Buosigen ein und entwendete einige Gegenstände. Zur Strafe wurde er eine halbe Stunde lang ausgepeitscht und ausser Landes verwiesen.65STASZ, HA.III.245, S. 147
Im Jahr 1793 mussten ein Kastenvogt Härrig und der Vorsprech Gwerder eine Dublone Busse bezahlen, weil sie trotz obrigkeitlichem Verbot in der Seeweren nackt gebadet hatten.66STASZ, HA.III.150, S. 97
Ende Mai 1797 wurde der Lauerzer Jakob Alois Abegg, 36 Jahre und verheiratet, wegen Diebstählen angeklagt. Zu seiner Verteidigung wurde gesagt, dass er in der Religion «übel unterrichtet» sei. Deshalb suchten einige geistliche Herren das Gespräch mit ihm, was aber offenbar nicht fruchtete. Zur Strafe wurde er zu lebenslänglichem Kriegsdienst verbannt. Falls er desertieren würde, sollte ihm die Leibesstrafe vorbehalten sein. Einige Monate später streifte der desertierte Abegg in den Höfen und in Einsiedeln herum. Die Schwyzer Obrigkeit befahl, ein Auge auf ihn zu halten und ihn bei Gelegenheit nach Schwyz zu senden.
Ertränken als Todesstrafe: Die schaurige Seite des Lauerzersees
Bis ins vorletzte Jahrhundert waren Hinrichtungen die übliche Bestrafung bei schweren Verbrechen. Auch mit Dieben war man nicht zimperlich. Bei wiederholtem Diebstahl sah man Leibes- und Todesstrafen vor. Beispielsweise wurde im Jahr 1738 ein Peter Ignaz Küchler aus dem Wallis beim Diebstahl im Lauerzer Pfarrhaus erwischt. Er wurde verhört und gestand dabei weitere Diebstähle, die er jeweils durchführte, wenn die Einwohner in der Kirche waren. Das Urteil lautete, dass er besser „todt als lebendig“ sei und deshalb mit dem Schwert enthauptet werden soll, und zwar so, dass ein Karrenrad zwischen Kopf und Rumpf zu passen hatte.67STASZ, HA.III.70, S. 67 Mit dieser detaillierten Anforderung wollte man vermutlich sicherstellen, dass der Scharfrichter den Kopf vollständig abtrennte und der Hingerichtete so schnell wie möglich verstarb. Wegen Raub und Diebstahl wurde auch ein Lauerzer, Sebastian Heinrich Annen, 19 Jahr alt, vom Büelerberg, am 27. Oktober 1772 auf der Weidhuob in Schwyz enthauptet.68STASZ, HA.III.95, S. 26
Ein schauriges Kapitel unseres schönen Lauerzersees ist das Ertränken von zum Tode verurteilten Männern und Frauen. Wurde im Alten Land Schwyz das Todesurteil des Ertränkens ausgesprochen, musste dieses auf dem Lauerzersee vollstreckt werden. Auf «Vielweiberei» bei Männern und Diebstahl, Meineid und Gotteslästerung bei Frauen stand die Todesstrafe durch Ertränken.69Martin Styger, Fragmente, S. 10-11 Auch Kindstötung wurde oftmals mit Ertränken bestraft.
Verurteilte Männer wurden „an Händen und Füssen gebunden und in den Lauerzersee geworfen“. Die verurteilten Frauen wurden in einen Sack genäht, auf den See hinaus gefahren und ins Wasser geworfen. Die Leichname wurden offenbar in einigen Fälle aus dem Wasser gezogen und im Erdboden bestattet.70Ebd. S. 47
Im Jahr 1556 steht im Rechnungsbuch des Landessäckelmeisters folgender Eintrag: „Item ußgen 3 s. (Schilling) dem jungen Apenzeller, hett die arm frouw uff den Louwertzsee gfürtt.“71STASZ, HA.III.1285, S. 81 (p. 78) Der junge Appenzeller war der Scharfrichter und musste die „arme Frau“ im Lauerzersee ertränken. Mit „arm“ war nicht eine finanzielle Armut gemeint, sondern eine arme Seele.
Wo genau die Verurteilten ertränkt wurden, ist nicht mehr auszumachen. Vermutlich geschah dies im östlichen Seeteil, wo die Distanz zu Schwyz, dem Ort der Urteilssprechung, am geringsten war, der See am tiefsten ist und auch keine Wohnsiedlungen unmittelbar am Wasser standen.
In der Zeit von 1592 – 1798, also rund 200 Jahre, wurden etwa fünf Personen ertränkt.72Martin Styger, Fragmente, S. 27 Insgesamt dürften während dieser Zeitspanne etwas mehr als 300 Personen hingerichtet worden sein. Das Ertränken war im Land Schwyz somit eine äusserst selten vollzogene Hinrichtungsmethode. Sie verschwand bereits im 18. Jahrhundert ganz und dürfte auch im 17. Jahrhundert nicht mehr häufig angewendet worden sein.
Unwetter und Hochwasser
Ende Juni 1638 gab es in Lauerz und Buosigen ein heftiges Unwetter, so dass viele Brücken und Stege zerstört wurden73STASZ, HA.III.25, S. 3. Am 30. Juni 1642 richtete ein heftiges Hagelgewitter in Lauerz, Goldau, Steinen und am Haggen grossen Schaden an Gras und Bäumen an.74Geschichtskalender 1909/44 Im Juni 1645 hagelte es Mittags dermassen stark, dass Heu, Obst und Bäume grossen Schaden erlitten.75Geschichtskalender 1925/36 Ende Juli 1644 ertranken vier Personen während einem Unwetter im Lauerzersee.76Kaspar Michel, Schiffsunfälle auf Schwyzer Seen, in Dass es keinen Schaden bringt – Historische Katastrophen und Unglücke im Kanton Schwyz, Schwyzer Hefte, Band 94, Verlag Triner, Schwyz (2009), S. 80
Im Jahr 1762 soll «das ganze Dörflein beynahem durch Wasser zugrund gerichtet worden»77Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p.15 recta sein, berichtete der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind. Und weiter: «Bald hernach schlug der Hagel Baum und Garten und Grass in Grund Boden.»78Ebd.
Die Hochwasser am Lauerzersee beschäftigten bereits in früheren Jahrhunderten die Liegenschaftsbesitzer. Ende August 1769 wandten sich einige Lauerzer an die Schwyzer Obrigkeit mit folgender Bitte:
«Herr Gsanten Wüörner und jenigen Intressierten von Lauwerts bringt an, dass der Auslauff des Lauswertssees ihnen und übrigen grossen Schaden zufüöge. Bette desnachen unsere gnädige Herren und Oberen, das sie möchten eine Remedeur verschaffen und theils den Herr Seckhelmeister befehlen, das er die Seweren öffne, theils auch Herr Bauwherr Inderbitzin den Gründtlisbach eröffnen umb damit die Anstösser an dissem See wegen ihren ligenden Gütteren ihres Schadens widerum enthebt werden möchten.»79STASZ, HA.III.250, S. 218
Schon damals war der Abfluss der Seeweren die Ursache für das Hochwasser, so dass man den Anstössern des Lauerzersees und der Seeweren befehlen musste, den «Schlund» der Seeweren offen zu lassen, also zum Beispiel Schwemmholz daraus zu entfernen, damit nicht noch mehr Wasser zurückgestaut wurde. Auch im Jahr 177080STASZ, HA.III.250, S. 269 und vom April81STASZ, HA.III.140, S. 38 und September 179182STASZ, HA.III.140, S. 96 sind solche Aufforderungen an die Liegenschaftsbesitzer dokumentiert.
Wegen dem vermutlich schlimmen Hochwasser im Jahr 1791 wurde im Oktober desselben Jahres der Bau eines neuen Kanals («Abzuggrabens») über die Sewerenallmeind bewilligt. Dieser Kanal sollte zum «bessern Auszug dess Sees» dienen. Zur Oberaufsicht wurde Ratsherr und alt Landvogt Joseph Anton Wiget bestimmt, dem die Arbeitkräfte und der «hoheitlich Schuz und Schirm» von Seite der Obrigkeit zugesichert wurden.83STASZ, HA.III.140, S. 100
Am 4. Oktober 1806, einen Monat nach dem Bergsturz, entschied der gesessen Landrat des Kantons Schwyz, dass die Seeweren abgeteuft werden soll und zwar nicht auf Kosten der Anstösser, sondern auf Kosten des Bezirks.84STASZ, HA.III.330, S. 52
Aus den letzten Tagen des Augusts 1847 berichtet der Lauerzer Pfarrer Loser, dass «eine ungeheure Wasserflut in unsere Gegend hereingebrochen, wo der Wasserstand so hoch war, dass die Streue von hier bis auf Seewen winterlang tief unter Wasser stand. Erdschlipfe besonders in der Gemeinde Schwyz und Steinen in Menge haben greulichst Verwüstung gemacht indessen in unserer Gemeinde Lowerz blieb zur allgemeinen Verwunderung ziemlich verschont. «85Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Loser von 1847, 2.2.4.0
Im Buch des Landessäckelmeisters aus dem Jahr 1574 steht unter anderem folgendes: «Item ußgen 1 gl. eim küstler, hatt wellen den Lowertzsee ußgraben, ana | sin zerig»86STASZ.HA.III.1285, S. 429 (p. 477). Als Küstler oder Künstler bezeichnete man früher Zauberer oder solche, die sich dafür hielten. Diesem Zauberer, der den Lauerzersee eigenmächtig ausgraben wollte, bezahlte der Landessäckelmeister für seine Darbietung ein paar Batzen an die Verpflegung. Offenbar hatten bereits die alten Schwyzer eine gute Portion Schalk.
Lauerz als Teil des Neuviertels
Das Alte Land Schwyz war bis 1798 in sechs Viertel unterteilt. Ein Viertel war eine Gebietseinteilung, die ein bestimmtes, historisch gewachsenes, Territorium des Alten Landes umfasste (s. Karte). Jedem Viertel stand ein «Siebner» vor, der jeweils auch Mitglied der beiden Gerichtsinstanzen, des Siebner- und des Neunergerichts, war. Jedes Viertel sandte auch je 9 Ratsherren in den Landrat nach Schwyz, der die höchste ausführende Gewalt im Alten Land Schwyz war.87Kaspar Michel, Regieren und verwalten, in Geschichte SZ, Band 3, S. 23 und 33-34 Die Viertel hatten auch die Aufgabe, die Mannschaften für den Kriegsfall auszuheben. Zudem waren die Landleute-Geschlechter bestimmten Vierteln zugeordnet. Ursprünglich gab es im Land Schwyz vermutlich nur vier Viertel: Das Muotathaler-, das Steiner-, das Nidwässer- (südlich der Muota) und das Obwässerviertel (nördlich der Muota). Anfangs des 14. Jahrhunderts kam das Artherviertel hinzu, später wurde das Obwässerviertel in ein Altviertel und ein Neuviertel aufgeteilt. Damit entstanden die sechs Viertel des Alten Landes Schwyz, die bis ins Jahr 1798 Bestand hatten. Noch heute werden an der Oberallmeindversammlung im Ring in Hinteribach die Anwesenden in diese sechs Viertel eingeteilt. Lauerz ist dort Teil des Artherviertels.
Im Gegensatz zu heute, wurde Lauerz um das Jahr 1700 nicht dem Artherviertel zugeteilt, sondern als Teil des Neuviertels angesehen. Aus dem Jahr 1698 stammt ein Dokument, worin die Grenzverläufe des Neuviertels beschrieben wurden.88STASZ HA.IV.55.001 Es wurde von Johann Balthasar Mettler, damaliger Siebner des Neuviertels erstellt. Bezüglich der Grenzziehung des Neuviertels zum Artherviertel steht dort folgendes:
«Loblich Neuviertel stoßt an Bach, so den alten Kirchgang Schweytz oder Lauwerz scheidet, dem Bach hinab bis in Lauwerzer See. Item dem Bach hinauf bis Twäriberg, und scheidet der Haag zwüschen dem Gurgen und Twäriberg Arther und Neuviertel Zirck von einander, dergestalten, was ennet dem Haag gegen Arth gehört in Arther Zirck, und was auf der anderen Seiten gegen Schwytz gehört in Neuviertel zirck, und also bis auf die Höhe gegen Gersau.»
Der Bach, der hier als Grenze zwischen dem Neuviertel und Artherviertel genannt wird, ist der Teubertsbach. Er scheidet den alten Kirchgang Schwyz bzw. ab zirka 1600 den neu entstandenen Kirchgang Lauerz vom Kirchgang Arth. Ihm entlang verläuft bis heute die Gemeindegrenze zwischen Arth und Lauerz. Derselbe Bach trennt auch den Twäriberg und das Gebiet des Gurgen bzw. Gurgenried (heute «Riedhütte» genannt).
Lauerz und der ganze Büelerberg lagen offensichtlich um 1700 innerhalb des Neuviertels und nicht im Artherviertel. Da Lauerz bis um 1600 zur Pfarrei Schwyz gehörte, überrascht es nicht, dass man unsere Gemeinde nicht zum Artherviertel, sondern zum Neuviertel zählte, weil ja das Neuviertel auf dem Gebiet der alten Kirchhöre Schwyz lag.
Mit diesem Befund, dass Lauerz dem Neuviertel zugehörte, stimmen übrigens auch folgende Einträge in den Landratsprotokollen überein:
Ist Herr Kirchenvogt Caspar Beller von Lauertz anstatt Herrn Frantzist Mettlerss seeligen in Rath kommen, nach demme solcher zuo vor von dem loblichen nüen Viertel den 10. diss durch dass Glückloss erwehlt worden.
Arth Marty Weber,
Steinen Jo. Jacob Abegg, neüw Vierdtell Hanss Melchior Beller, Lauertz,
alt Vierdtell Hanss Marty Ehrler,
Nidwesser Vierttell Jo. Jörg auf der Muhr,
Muettenthall Jacob Guerder.
Der Dorfbrand im Jahr 1764
Dorfbrände waren auf Grund der Holzbauweise der Häuser und den offenen Herden bzw. Kaminen eine latente Gefahr für die damaligen Dörfer. Auch Kienspäne, die Vorgänger der Kerzen, welche aus harzhaltigem Föhrenholz geschnitten wurden, konnten solche Brände auslösen. Besonders bei Föhn war die Brandgefahr stark erhöht. Wir wissen nicht, ob auch in Lauerz der Föhn tobte, als am 10. oder 17. September 176491Vom 10. September berichtet Johann Jacob Leu, Lexicon, Supplement, 3. Theil, S. 496. Vom 17. September berichtet Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht, S. 5. Vom 19. September berichtet der Schwyzer Geschichtskalender 1912/06 die Häuser im Dorf ein Raub der Flammen wurden. Es war jedenfalls in der Nacht, als rund um die Kirche sechs grosse Häuser, davon ein Wirtshaus, in Flammen standen. 18 Haushaltungen wohnten in diesen Gebäuden.92Geschichtskalender, 1912/06 Da die Häuser allesamt nahe an der Kirche lagen, war auch das Gotteshaus im Begriff, Feuer zu fangen. Es blieb aber zum Glück unversehrt.
Laut einem Büchlein für die Volks-Andacht sollen beim Dorfbrand die Frauen und Kinder zur Schmerzensmutter Maria gebetet haben, damit sie das Gotteshaus verschone. Als Dankbarkeit, dass die Kirche unversehrt blieb, ordnete der Kirchenrat an, die Pietà „ohne Schonung von Unkosten“ mit einem schönen Kleid zu verzieren.93Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht zur Schmerzensmutter Maria von Lauerz, Pfarramt Lauerz / Schwyz, Ausgabe 1955, S. 5 Sie stammte aus der alten Kapelle und überstand nebst dem Dorfbrand auch den Bergsturz von 1806. Bereits Jahr 1530 soll sie «in Gegenwart vielen Volks und zu jedermanns Schreken weinen gesehen worden sein», berichtet Thomass Fassbind.94Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 13 verso. Er nimmt Bezug auf «Decan Lang, hist. Grundriss T. I. f. 816»
Vom Gesessenen Landrat in Schwyz wurde den Brandgeschädigten in Lauerz ein Steuerbrief bewilligt, das heisst, ihnen wurde erlaubt, in der ganzen Eidgenossenschaft Spendengelder zu sammeln.95STASZ, HA.III.245, S. 154 Spenden kamen aus verschiedenen Orten der Eidgenossenschaft, so zum Beispiel aus dem reformierten Bern96Geschichtskalender, 1907/15, aus Luzern97Geschichtskalender, 1912/06, aus Obwalden98Geschichtskalender, 1929/16, aber auch aus der Landschaft March99Geschichtskalender, 1910/26.
Eine bautechnische Folge des Dorfbrandes von 1764 war, dass die neu zu erbauenden Häuser nicht mehr so nah an die Pfarrkirche gebaut werden durften.100STASZ, HA.III.245, S. 154 Der Vorgängerbau des Hauses Ehrler-Föhn (Niedermatt) dürfte bei diesem Brand abgebrannt sein, denn das neue, heute noch vorhandene Haus, trägt im Giebel die Jahreszahl 1766, also zwei Jahre nach dem Dorfbrand.
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
Pfarrarchiv, Nr. 2.1.5.0, Übersetzung von Kantonsschreiber Kälin am 20. Januar 1874 aus dem lateinischen Original.
2
Pfarrarchiv, Nr. 2.1.6.1, Übersetzung von Kantonsschreiber Kälin am 18. Januar 1874 aus dem lateinischen Original.
3
Carl Zay, Goldau, S. 96
4
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 28 verso
5
Pfarrarchiv, Nr. 2.1.6.2
6
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 10 verso. Über die Grenzen der Pfarrei Lauerz zu Schwyz schrieb Fassbind: «Gegen Aufgang, oder gegen der Pfarr Schwyz scheidt der Bach am Otten, der hieher der Capell vom Buelerberg her sich in See ergiesst […]».
7
STASZ, HA.III.50, S. 222: Am 31. Mai 1704 wird von einer «Capell an dem Lauerzer See under dem langen Zug» berichtet. Der Langzug war ein Reistzug, der etwas östlich vom Otten lag.
8
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 29 recta
9
STASZ, HA.III.10, S. 135
10
STASZ, HA.III.20, S. 150
11
Geschichtskalender, 1924/46
12
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 29 verso
13
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 2, fol 81 r (S. 533)
14
Oliver Landolt, «ein mercklicher unerhörter grusamer sterbend» : die Pest und ihre Auswirkungen im Länderort Schwyz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in Mitteilungen, Heft 104 (2012), S. 50
15
Ebd.
16
Geschichtkalender, 1909/47
17
Oliver Landolt, «ein mercklicher unerhörter grusamer sterbend» : die Pest und ihre Auswirkungen im Länderort Schwyz im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in Mitteilungen Heft 104 (2012), S. 54
18
STASZ, HA.III.15, S. 186
19
Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 328
20
STASZ, HA.III.35, S. 74
21
Geschichtskalender, 1904/14
22
KAE, A.BA.13
23
Arnold Nüscheler, Gotteshäuser, S. 328, er nimmt Bezug auf Johann Kaspar Lang, Historisch-Theologischer Grund-Riß, Band 1, S. 813
24
Geschichtskalender, S. 1906/57
25
Geschichtskalender, 1930/59
26
KAE, A.VD.20
27
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 13 recta und verso
28
Schwyzerische Chronik, S. 142
29
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 25 verso
30
Patrick Bürgi, Stefan Kälin, Marzell Camenzind, Röm. kath. Kirche Lauerz „St. Nikolaus“ – Ein Blick in unsere Kirche, 2. Auflage, 2011, S. 22
31
Die Jahrzahl 1568, die Fassbind angibt, stimmt nicht mit der römischen Zahl auf der Glock überein. Die Inschrift auf der Glocke wäre 1563.
32
Pfarrarchiv, Nr. 7.1.0.0
33
Pfarrarchiv, Nr. 7.1.0.0
34
STASZ, HA.III.50, S. 93
35
Schützenwesen, S. 87
36
Ebd. 16
37
STASZ, HA.III.50, S. 191
38
STASZ, HA.III.65, S. 138
39
Mündliche Auskunft von Martin Hubli, Ober Äbnet
40
Funde DB Schwanau, Schweizerisches Landesmuseum, , Inv. Nr. LM-96145 und LM-96146
41
Es sind dies: von Hospenthal, Ziltener und Mettler.
42
Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 137
43
STASZ, HA.III.270
44
STASZ, HA.III.65, S. 43
45
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 3 verso
46
Historisches über den Kanton Schwyz: A – D, in Mitteilungen, Heft 92 (2000), S. 69
47
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 1, fol 127 r
48
Hansjörg Koller, Steiner Wirtschaftskalender. In Steinen, Verlag Verkehrsverein Steinen (1987): S. 109
49
Robert Schorno, Das Waffen- und Hammerschmiede-Geschlecht der Schorno in Schwyz, in Bergknappe Nr. 54, 4/1990, S. 18-20
50
STASZ, HA.III.65, S. 84
51
Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 143 – 144
52
Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. Im Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 144
53
STASZ, HA.III.250, S. 112
54
STASZ, HA.III.250, S. 237
55
Heinrich Zschokke, Historische Denkwürdigkeiten der helvetischen Staatsumwälzung, Dritter Band, Steinerische Buchhandlung, Winterthur (1805), S. 278
56
Hans Walter, Eisenbergbau. Teil 2. In Geschichtsfreund Heft 80 (1925), S. 145
57
Mündliche Auskunft von Wilfried Annen
58
Ernst Immoos, Bote der Urschweiz vom 4. Mai 1983, S. 3
59
STASZ, HA.III.30, S. 7
60
STASZ, HA.III.30, S. 149
61
STASZ, HA.III.45, S. 130
62
STASZ, HA.III.55, S. 76
63
STASZ, HA.III.55, S.93
64
STASZ, HA.III.65, S. 65
65
STASZ, HA.III.245, S. 147
66
STASZ, HA.III.150, S. 97
67
STASZ, HA.III.70, S. 67
68
STASZ, HA.III.95, S. 26
69
Martin Styger, Fragmente, S. 10-11
70
Ebd. S. 47
71
STASZ, HA.III.1285, S. 81 (p. 78)
72
Martin Styger, Fragmente, S. 27
73
STASZ, HA.III.25, S. 3
74
Geschichtskalender 1909/44
75
Geschichtskalender 1925/36
76
Kaspar Michel, Schiffsunfälle auf Schwyzer Seen, in Dass es keinen Schaden bringt – Historische Katastrophen und Unglücke im Kanton Schwyz, Schwyzer Hefte, Band 94, Verlag Triner, Schwyz (2009), S. 80
77
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p.15 recta
78
Ebd.
79
STASZ, HA.III.250, S. 218
80
STASZ, HA.III.250, S. 269
81
STASZ, HA.III.140, S. 38
82
STASZ, HA.III.140, S. 96
83
STASZ, HA.III.140, S. 100
84
STASZ, HA.III.330, S. 52
85
Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Loser von 1847, 2.2.4.0
86
STASZ.HA.III.1285, S. 429 (p. 477)
87
Kaspar Michel, Regieren und verwalten, in Geschichte SZ, Band 3, S. 23 und 33-34
88
STASZ HA.IV.55.001
89
STASZ, HA.III.45, S. 113
90
STASZ, HA.III.45, S. 146
91
Vom 10. September berichtet Johann Jacob Leu, Lexicon, Supplement, 3. Theil, S. 496. Vom 17. September berichtet Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht, S. 5. Vom 19. September berichtet der Schwyzer Geschichtskalender 1912/06
92
Geschichtskalender, 1912/06
93
Josef Konrad Scheuber, Volks-Andacht zur Schmerzensmutter Maria von Lauerz, Pfarramt Lauerz / Schwyz, Ausgabe 1955, S. 5
94
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 13 verso. Er nimmt Bezug auf «Decan Lang, hist. Grundriss T. I. f. 816»
Die Ideen der Aufklärung begannen Ausgangs des 18. Jahrhundert immer weitere Bevölkerungsschichten zu erfassen. Das System der absolutistischen Monarchie, der Standesordnung und Leibeigenschaft begann allmählich zu bröckeln. Die Zeit der Revolutionen war angebrochen. Mit der amerikanischen Revolution 1776 gaben sich die jungen Vereinigten Staaten ihre Verfassung im Stile der aufklärerischen Ideale. Im Jahr 1789 begann in Frankreich die stürmische Zeit der Revolution. Diese verlief blutiger als die amerikanische und artete innenpolitisch in einem Terrorregime aus, aussenpolitisch führte sie zu Angriffskriegen der französischen Revolutionsarmee. Im Jahr 1798 wurde auch die Alte Eidgenossenschaft vom französischen Kriegsfeuer erfasst.
Widerstand der Schwyzer und ehrenhafte Kapitulation
Anfang des Jahres 1798 überschritten französische Revolutionstruppen die Grenze zur Alten Eidgenossenschaft, um die Kantone zur Annahme der profranzösischen, sogenannten Helvetischen Verfassung, zu zwingen.1Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 141 Bis zuletzt glaubten die Obrigkeiten der eidgenössischen Kantone, Frankreich werde niemals einen Angriff auf die Schweiz durchführen. Dementsprechend wurde man ungemütlich überrascht, als die Franzosen im Februar 1798 dennoch angriffen. Am 5. März musste der Kanton Bern nach verlorenen Gefechten kapitulieren. Andere Kantone kapitulierten angesichts der französischen Übermacht kampflos. Schwyz hingegen, zusammen mit Uri, Nidwalden, Glarus und Zug, beschloss die Nichtannahme der Helvetischen Verfassung. An der Landsgemeinde vom 16. April 1798 wandte sich, nebst anderen Klerikern, auch der Lauerzer Pfarrer Zeberg mit kämpferischen Worten an die versammelte Menge: Die helvetische Verfassung sei gegen das Erbe der Vorfahren gerichtet. Es sei die heilige Pflicht eines jeden, für die Erhaltung der alten Freiheit und Religion zu kämpfen.2Dominik Steinauer, Freistaat, S. 182-183 Mit einer Eidesleistung beschloss das Volk den militärischen Widerstand gegen die Franzosen. Am 29. April um 19.00 Uhr wurden die Kirchenglocken in Arth, Lauerz und Steinerberg Sturm geläutet, damit jeder wusste, dass die Sache nun Ernst gilt.3Martin Styger, Denkwürdigkeiten, S. 44 Bei Gefechten in Küssnacht, Schindellegi und in Rothenthurm vom 30. April bis zum 3. Mai 1798 gelang es den Schwyzern unter Landeshauptmann Aloys von Reding die Franzosen abzuwehren. Unter grösster Anstrengung zogen sogar Schwyzer Frauen die Kanonen von Brunnen auf das Gefechtsfeld bei Rothenthurm. Trotz dem Teilsieg gegen die französischen Truppen, stimmte am 4. Mai 1798 die Schwyzer Landsgemeinde der Kapitulation und der Annahme der Helvetischen Verfassung zu. Erschöpfte Soldaten und der Mangel an Material liessen die Fortführung des Kampfes nicht mehr zu. Die Kapitulation sah günstige Bedingungen für die Schwyzer vor, unter anderem wurde der Talkessel Schwyz nicht von französischem Militär besetzt, die Religionsfreiheit wurde gewahrt und die Schwyzer durften ihre Waffen behalten.4Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 143 Die vier gefallenen Lauerzer, die an diesen Kämpfen teilnahmen, kamen mit grosser Wahrscheinlichkeit beim Gefecht in Schindellegi am 2. Mai 1798 ums Leben.5Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Unter dem Eintrag 1798 steht als Todesdatum für die vier Lauerzer der 26. April 1798 «an der Schindellegi». An diesem Tag fanden aber keine Kämpfe in Schindellegi statt, sondern erst am 2. Mai. Insgesamt gab es in Schindellegi auf Schwyzer Seite 24 Tote und 50 Verwundete. Auch der Kommandant Schilter, der das dortige Schwyzer Battalion befehligte, erlitt lebensgefährliche Verletzungen, an denen er kurze Zeit später verstarb.6Heinrich Zschokke, Untergang, S. 326/327
Die letzten Tage des Alten Landes Schwyz
Kurz nach der Kapitulation, am 5. Mai desselben Jahres, marschierten die Franzosen unter einem Vorwand in Arth, Goldau und Lauerz ein. Sie stellten Vorposten bis zur ehemaligen Kapelle im Otten und bis an den Buechenhof in Steinen.7Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 3, P. 108 Der Kommandant der 38. französischen Halbbrigade war an diesem Tag in Lauerz stationiert, als ihm die unterzeichnete Kapitulation der Schwyzer übergeben wurde. Diese enthielt auch die Weisung des französischen Generals Schauenburg, dass keine französischen Truppen Schwyz betreten durften.8Carl Zay, Goldau, S. 86 Daraufhin marschierten am 7. Mai die Franzosen nach Küssnacht ab. Die französischen Soldaten hinterliessen während den zwei Tagen einigen Schaden: Vieh wurde geschlachtet, Gras zertrampelt, Obstbäume beschädigt, Zäune angezündet und Frauen belästigt.9Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 3, P. 109
Am 8. Mai tagte zum letzten Mal der gesessene Landrat des Alten Landes Schwyz. Darunter war auch der Ratsherr Dettling aus Lauerz. Am nächsten Tag gehörte das Alte Land Schwyz der Vergangenheit an. Die Stunde der helvetischen Konstitution, unter dem Schutz französischer Bajonette, hatte geschlagen.
Der Kanton Schwyz wurde zweigeteilt in einen «Kanton Linth» mit Ausserschwyz und einen «Kanton Waldstätten» mit Einsiedeln und Innerschwyz. Nach französischer Manier wurden die Kantone in Distrikte unterteilt. Lauerz lag, zusammen mit Arth, Küssnacht und Steinerberg im Distrikt Arth. Erster Präsident des Distriktsgerichts war Johann Caspar Dettling (1729-1802) von Lauerz.10Aloys Dettling, Geschichtskalender, 1923/46
Lauerz und Buosigen zählten damals zusammen 629 Einwohner und 99 Wohnhäuser.11Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 138
Am 23. August 1798 wurde die Auslieferung von widerständigen Schwyzer Klerikern durch General Schauenburg befohlen. Darunter war auch der Lauerzer Pfarrer Karl Martin Zeberg, der am 16. April vor versammelter Landsgemeinde die Helvetische Verfassung als verabscheuungswürdig bezeichnete.12STASZ, HA.III.285, S. 180 Zusammen mit anderen Männern wurde er zu Gefängnishaft verurteilt und für sechs Tage in Luzern inhaftiert.13Thomas Fassbind, Band 3, p. 141-142
Der Nidwaldner Aufstand und seine Folgen für Schwyz
Am Nidwaldner Aufstand vom 9. September 1798, der von den Franzosen auf brutalste Art niedergeschlagen wurde, beteiligten sich einige hundert Schwyzer. Gemäss einem Verhörprotokoll sagte ein Karl Schindler aus, dass sich in Lauerz 60 Männer dazu entschlossen hätten, den Nidwaldner zu Hilfe zu eilen14Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 40. Abgesehen von Melchior Wiget (s. unten), sind die Namen der weiteren Lauerzer leider nicht auffindbar. Mit der Hilfeleistung der Schwyzer an die Nidwaldner hatten die Franzosen einen Grund gefunden, um am 12. September den inneren Kanton Schwyz zu besetzen. Der damalige Seewner Pfarrer und Augenzeuge Thomas Fassbind berichtete: «Die Feinde rückten dann von drei Orten her ein: von Rothenthurm, von Arth und von Brunnen. Der Zug währte eine ganze Stunde lang: Reiterei, Infanterie und Artillerie, mit allem versehen, was Schrecken einjagen kann. Husaren, Dragoner, Jäger, elftausend Mann stark. Sie überschauten das ganze Land, dehnten sich in alle Winkel aus, stellten allerorten Wachen und Kanonen auf. […] Die Häuser und Gäden waren voll von Soldaten. Unerträglich war ihr Trotz, ihr Mutwille und ihre Ausgelassenheit: mit blossen Säbeln forderten sie von den Leuten Speis und Trank und was ihnen gelüstete. Wer sich weigerte wurde misshandelt, geschlagen, ins Gefängnis geworfen oder ihrer Sache mit Gewalt beraubt»15Thomas Fassbind, Geschichte, Band 3, p. 150, gekürzt und in neues Deutsch übersetzt. Der Talkessel musste für mehrere Monate die Einquartierung französischer Truppen erdulden. Die Vermögenswerte des Landes Schwyz wurden beschlagnahmt, das Zeughaus ausgeräumt.
Viele Schwyzer flohen in die Berge und in abgelegene Orte. Im Zusammenhang mit dem Nidwaldner Aufstand wurde der bereits in den Kämpfen vom Frühling 1798 verwundete Lauerzer Melchior Wiget verhaftet.16Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165-167 Gemäss Verhörprotokoll vom 25. Oktober 1798 war er 24 Jahre alt. Von seinem Bruder Lienhard Wiget (evtl. Ober- oder Unter-Lindenmoos) und Balz Ehrler (evtl. Husmatt, Lauerz) hatte er Flugblätter erhalten, womit er in Oberarth und Arth die Leute aufforderte, den Nidwaldnern zu Hilfe zu eilen. Die Zusammenkünfte von franzosenfeindlichen Schwyzern im Raum Lauerz und Goldau fanden im Haus von Sigrist Melchior Dettling in Unter-Buosigen statt.17Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165
Der Hirthemlikrieg
Als im April 1799 die österreichischen Truppen die Franzosen in der Ostschweiz angriffen, flammte das Feuer des Widerstandes in der ganzen Schweiz auf. Aufstände in der Ostschweiz, Zürich, Solothurn, Luzern, Haslital, Wallis, Graubünden und der Innerschweiz richteten sich gegen das französische Militär. Zu dieser Zeit befanden sich nicht mehr viele Franzosen im Talkessel, da sie in die Ostschweiz abkommandiert wurden. Schwyzer Bauern verabredeten auf den 28. April 1799 einen Aufstand gegen die verbliebenen französischen Truppen. «Auf einmal brachen die bewaffneten Verschworenen von vier Seiten, wie die Löwen, in das Dorf Schwyz hinein und auf die dortigen Franzosen los. Sie bemächtigten sich aller Waffen, drangen mit Gewalt ins Kornhaus ein, wo die meisten französischen Soldaten sich befanden und forderten sie zur Übergabe und Ablegung der Gewehre auf. Als die Franzosen dem nicht folgen wollten, begann ein heftiges Gefecht zwischen den beiden Seiten. Franzosen wurden teils erschossen, mit Knütteln erschlagen und andere gefangen genommen. Viele entflohen nach Brunnen in Richtung Gersau und Luzern.»18Thomas Fassbind, p. 164 – 165, gekürzt und in neues Deutsch übersetzt Der junge Lauerzer Johann Melchior Ehrler wurde bei diesem Aufstand von den Franzosen getötet.19Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799
Die Revolte ging als «Hirthemlikrieg» in die Geschichte ein, weil die Aufständischen als Erkennungszeichen die weissen Hirthemden trugen. Die französische Vergeltung liess nicht lange auf sich warten und erfolgte am 1. und 2. Mai über Rothenthurm-Einsiedeln.20Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145 Rund 2’000 schlecht organisierte Schwyzer stellten sich den Franzosen entgegen und mussten schliesslich kampflos kapitulieren. Nebst anderen Schwyzern, wurde daraufhin Josef Anton Wiget aus Lauerz von den Franzosen erschossen.21Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799 Einige Aufständische schlossen sich nun den Urnern an, die von Flüelen bis an den Gotthard die Franzosen abzuwehren versuchten. Dies tat auch Franz Anton Nideröst aus Lauerz, der am 6. Mai in Altdorf erschossen wurde.22Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799 Im Muotathal wurde vermutlich am selben Tag die 21-jährige Maria Helena Flecklin aus Lauerz von Militärs erschossen.23Martin Dettling, Schwyzerische Chronik, S.268 Viele Schwyzer flohen wiederum ins Gebirge und mussten sich an abgelegen Orten vor den Franzosen verstecken.24Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145 Einige hundert schlossen sich den kaiserlichen Truppen an und bildeten zusammen mit anderen Schweizern die sogenannten Emigrantenregimenter. Darunter waren auch einige Lauerzer (s. unten).
Im Frühling 1799 befand sich der Stand Schwyz «in der erbärmlichsten Lage, in tiefster Trauer, in unbeschreiblicher Bedrängnis: einerseits unter dem Druck despotischer Regenten, die geflissentlich das Bauern- und Landvolk quälten durch allerlei Forderungen. Andrerseits von zahlreichen Militärs bis aufs Blut ausgesogen und damit alles in Armut getrieben wurde», so der Augenzeuge Thomas Fassbind. Im Raum Arth-Lauerz sollen in diesem Sommer mindestens 3’000 französische Soldaten, manchmal auch deren 5’000 einquartiert gewesen sein.25Carl Zay, Goldau, S. 89 Damals hatten Lauerz, Goldau und Arth zusammen gerade mal etwa 2’300 Einwohner.26Carl Zay, Goldau, S. 95
Sommer 1799: Die letzte Schlacht im Talkessel Schwyz
Der von den Franzosen bereits stark gebeutelte Talkessel gelangte Mitte Juni 1799 ein letztes Mal zwischen die Fronten der französischen und kaiserlichen Truppen. Am 14. Juni gelangte kaiserliches Militär über den Pragelpass in den Hauptort Schwyz. Die Franzosen zogen sich zurück und hielten die Linie Gersau-Lauerz-Steinen-Rossberg.27Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145 Der Raum Arth-Lauerz-Steinerberg war von der französische Brigade Boivin besetzt. Das französische Hauptquartier lag in einem Haus zwischen Buosigen und Goldau.28Haus 40 auf der Karte von Carl Zay, Goldau. Gemäss Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 149 In Buosigen und bei der Ebene des Sägels lagen französische Truppen. Lauerz war der äusserste Vorposten der Franzosen auf der Nordseite der Rigi.29Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 149 Der Grat oberhalb des Twäribergs war ebenfalls von Franzosen besetzt. Im Gebiet Weidstein-Ränggen lag hingegen ein kaiserlicher Vorposten,30Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 164, siehe Buchstabe I in der Grafik der wohl mit dem kaiserlich besetzten Brunnen in Verbindung stand. Auch die Alpen Schwand und Egg waren von den Österreichern besetzt.31Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 148 Gemäss dem Augenzeugen Balz Bürgler aus Illgau wurden an den gefährlichsten Stellen, wie am Urmiberg, Schwyzer als Wachtposten von den Kaiserlichen eingesetzt.32Andreas Meyerhans, Der Kanton Schwyz 1798 bis 1848, Schwyzer Hefte Nr. 72, S. 16 Gut möglich, dass auch vom Ränggen bis zur Alp Egg Schwyzer Milizen im Einsatz waren. Sie kannten das Gelände und konnten innert kurzer Frist zum Einsatzort gelangen.
Von Lauerz und Steinerberg aus erfolgte am 14. August 1799, morgens um 5.00 Uhr, der französische Angriff auf Seewen und Steinen.33Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 170 Dabei gelang es der französischen Brigade Boivin innert kurzer Zeit die Kaiserlichen in Seewen und auf den Platten zwischen Steinen-Schwyz zurück zu drängen. Brunnen wurde von französischen Grenadieren mit Landungsbooten, sowie von Gersau her angegriffen. Ein weiterer französischer Angriff erfolgte vom Ägerital auf Sattel und Rothenthurm. Die Kaiserlichen und Schwyzer wurden allmählich zurückgedrängt und mussten über die östlichen Schwyzer Berge fliehen. Nachmittags, 13.00 Uhr war Schwyz von den Franzosen eingenommen. Die Verluste lagen bei den Kaiserlichen bei 45 Toten, 310 Verwundeten und 613 Gefangenen; bei den Franzosen gerade mal bei 8 Toten und 60 Verwundeten.34Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 167
Die Sieger plünderten und verwüsteten den bereits gebeutelten Talkessel Schwyz. Grosse Not und Elend lag über dem Land. In anderen Kantonen und selbst im Ausland sammelte man Spendengelder für die hiesige Bevölkerung.
Am 27. September 1799 erreichte der russische General Suworow das Muotatal. Die Franzosen stationierten daraufhin 16’000 Soldaten im Talkessel Schwyz35Carl Zay, Goldau, S. 89, die nach Suworows Rückzug über den Pragelpass wieder abgezogen wurden.
Obwohl bereits in den vorherigen Monaten die Lauerzer einiges an stationiertem Militär erdulden mussten, liegen uns erst ab August 1799 Belege zu Requisitionen der Franzosen vor. Von August bis Ende April 1800 wurden 130 Zentner Heu36Geschichtskalender, 1924/40, 1923/66, 1924/06, 1923/12, 1911/26 von den Franzosen in Lauerz eingefordert. Dies war das Winterfutter, das die Lauerzer für das eigene Vieh benötigt hätten. Die Not war dadurch bereits erdrückend. Im Mai 1800 marschierte nun eine grosse französische Armee mit 25’000 Mann in Richtung Gotthard. Die Lauerzer mussten für mehrere Tage eine Kompanie Dragoner erdulden, die ihren Pferden das frische Gras verfütterten. Die Lauerzer richteten deshalb einen Hilferuf an die Arther und Küssnachter und erhielt ca. 20 Burden Heu von den beiden Ortschaften.37Geschichtskalender, 1923/30
Der Stecklikrieg von 1802
Am 17. April 1802 wurde der vor einem halben Jahr zum Landammann der Eidgenossenschaft gewählte Schwyzer Aloys von Reding durch einen Staatsstreich abgesetzt. Ein Abstimmungsbetrug trug dazu bei, dass daraufhin im Mai die zweite unitarische (=zentralistische) Verfassung als angenommen erklärt wurde. Die Wut im Volk über diesen Betrug war entsprechend gross. Napoleon, der den Schweizern eine Falle stellte, zog nun seine Truppen im Juli aus der Schweiz ab und überliess das brodelnde Pulverfass den Schweizern. Der Welt wollte er damit demonstrieren, dass sich die Eidgenossenschaft nicht selber regieren konnte und auf seine starke Hand angewiesen war. Die Schweizer tappten natürlich in die gestellte Falle. Die Föderalisten, allen voran die Schwyzer, versammelten sich zum Kriegsrat. Am Renggpass zwischen Luzern und Obwalden kam es zum ersten Gefecht zwischen Föderalisten und Unitariern, wobei letztere von Nidwaldner Truppen in die Flucht geschlagen wurden. Einen Bürgerkrieg wollten jedoch beide Seiten um jeden Preis vermeiden. Am 7. September kam es deshalb zu einem vorübergehenden Waffenstillstand. Weil General Andermatt, der Kommandant der unitarischen Truppen, der Zutritt in die Stadt Zürich verwehrt wurde, liess er daraufhin die Stadt bombardieren. Mit diesem Akt wurde das Feuer des Bürgerkrieges endgültig entzündet. Aarau, Solothurn und Bern wechselten auf die Seite der Föderalisten. Am 18. September wurde die Stadt Bern von den Föderalisten eingenommen. Beim Gefecht in Faoug (Pfauen, Kt. Freiburg) siegten die Föderalisten und die Stadt Freiburg unterzeichnete die Kapitulation. Napoleon hatte lange genug zugesehen und sandte nun seinen Adjutanten General Rapp mit der Botschaft, dass der Krieg für beendet erklärt sei und die zweite Helvetische Verfassung wieder in Kraft gesetzt werden müsse. In Anbetracht der bereit stehenden französischen Truppen mussten die Föderalisten die Waffen strecken. Am 15. September 1802 wurde die eidgenössische Tagsatzung würdevoll entlassen und die föderalistischen Truppen kehrten in ihre Heimat zurück. Daraufhin rückten am 21. Oktober 12’000 Mann französische Truppen unter General Ney in die Schweiz ein. Für Napoleon war dies der Beweis, dass die helvetische Verfassung in der Schweiz nur durch französische Truppen Bestand haben konnte. Sein Militär brauchte er aber andernorts in Europa. Deshalb wurde auf Befehl Napoleons im Jahr 1803 die Mediationsverfassung in der Eidgenossenschaft eingeführt. Die von Napoleon entworfene Verfassung berücksichtigte den eidgenössischen Föderalismus weit stärker, als die vorangehende Helvetische Verfassung, die den französischen Zentralismus zum Vorbild hatte. Die neue Verfassung sollte die Gemüter in der Schweiz beruhigen und den Franzosen erlauben, weniger Truppen im Land zu stationieren. Mit der Mediationszeit beruhigte sich die Situation in der Eidgenossenschaft weitgehend.
Verwundete und Tote aus Lauerz und Buosigen in den Kämpfen von 1798 – 1799
Bei den Kämpfen gegen die Franzosen wurden viele Schwyzer verwundet oder getötet. Wir stellen im Folgenden den Fokus auf die Männer aus Lauerz und Buosigen, die in den Kämpfen vom Frühling 1798 als Verwundete oder Getötete in den Krankenlisten und Sterbebüchern auftauchen. Die gefallenen Lauerzer sind vermutlich alle beim Gefecht in Schindellegi am 2. Mai 1798 getötet worden. Wahrscheinlich waren sie alle in derselben Einheit, nämlich dem Bataillon Schilter, das damals an diesem Ort kämpfte.38Martin Styger, Denkwürdigkeiten, S. 37 Auffallend ist, dass die Buosiger in den Krankenlisten der Ärzte als Lauerzer und nicht als Goldauer oder Arther aufgeführt werden. Dies wird auf die Aussagen der Verwundeten zurückzuführen sein. Die meisten der verwundeten Männer waren Zeit ihres Lebens gezeichnet, manche von ihnen waren invalid und konnten nicht mehr für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Eine Krankenversicherung gab es nicht und so waren sie auf die Hilfe ihrer Verwandten und Freunde angewiesen. Für uns heute Lebenden ungewöhnlich ist, dass damals ein Scharfrichter viele Verwundete versorgt hat. In seinem Beruf musste er sich zwangsweise mit der Anatomie des menschlichen Körpers auseinandersetzen, sei es bei Leibes- und Todesstrafen oder um Körperstrafen schneller verheilen zu lassen.39Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 87 Viele Verwundete begaben sich deshalb freiwillig in die ärztliche Obhut des Scharfrichters. Erstaunlich ist, dass die meisten vom Scharfrichter verarzteten Verwundeten geheilt werden konnten.
Vermutlich erinnert das kleine Kreuz am Telefonmasten zwischen Oberrüti und Chälenbüel an einen von den Franzosen getöteten Lauerzer.40Dankenswerter Hinweis von Carmen Lindauer, Chälenbüel. Der Mann hiess Wiget, stammte möglicherweise von der Mühlimatt und war wohl mit den Leuten im Buechensitli verwandt.41Willi Dettling, Lauerz, S. 29 Im Sterbebuch der Pfarrei Lauerz wurde am 6. Mai 1799 (=Hirthemlikrieg) ein junger Mann namens Josef Anton Wiget eingetragen, der von französischen Soldaten unerwartet in einem Haus erschossen wurde.42Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799
Gefallene Lauerzer vom 2. Mai 1798, Gefecht bei Schindellegi
– Joseph Jacob Annen, ledig43Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1798
– Joseph Marcel Beeler44Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1798
– Joseph Melchior Felchlin, ledig45Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1798
– Joseph Wiget46Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1798, verheiratet, 35 Jahre, Vater von zwei Kindern47Thomas Fassbind, Geschichte, Band 3, p. 112, aus dem Heimweisen Brand in Unter-Buosigen48Carl Zay, Goldau, S. 369
– Joseph Franz Kamer, ledig, erhielt in den Kämpfen vom April/Mai 1798 einen Durchschuss durch den Oberschenkel und wurde durch Doktor Jakob Suter im Spittel in Schwyz gepflegt.49Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 81 Er erlag seiner Verwundung am 26. Juni 1798 und wurde in Lauerz beerdigt.50Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1798
Verwundete bei den Kämpfen im Frühling 1798
– Josef Franz Abegg, im Huwenloch (Ober-Buosigen). Streifschuss an der Seite. Von Scharfrichter Grossholz geheilt.51Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 88
– Jakob Beelers Sohn. Vom Büelerberg.52STASZ, HA.IV.206.004, Nr. 36, der dort genannte Schuldner Jakob Dietrich Beeler, Büelerberg, könnte der Vater gewesen sein Ein Streifschuss am Ellenbogen. Wurde von Scharfrichter Grossholz kuriert.53Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 89
– Johann Beeler. Verwundung und Herkunft unbekannt.54Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 86 Eventuell identisch mit Jakob Beelers Sohn.
– Caspar Blaser. Vom Buechensitli. Durch die Schulter geschossen. Wurde von Scharfrichter Grossholz kuriert.55Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 89
– Melchior Anton Bürgi. Vom Heimwesen Brand in Unter-Buosigen.56Carl Zay, Goldau, S. 369 Durchschuss am Arm. Kuriert durch Scharfrichter Grossholz.57Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 88
– Josef Melchior Eberhard. Stammte vermutlich aus Lauerz, da derselbe Name je mit Jahrgang 1776 und mit 1779 in einem Kompanierödel für den Kirchgang Lauerz auftaucht.58Pfarrarchiv, Nr. 8.4.1., Kompanie Rödel, S. 3 Steckschuss im Becken.59Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 87 Wurde von Doktor Jakob Suter und Scharfrichter Grossholz behandelt.60Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 81
– Franz Mettler. Verwundung an der Hand. Durch Doktor Josef Sidler kuriert.61Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 100
– Melchior Wiget, evtl. Hirschler genannt. In den Knöchel geschossen. Erst nach mehr als einem Monat, am 10. Juni, konnte ihm Scharfrichter Grossholz die Kugel entfernen.62Jürg Wyrsch, Verwundete, S. 88 und 92 Dieser Sohn von Kirchenvogt Franz Wiget nahm einige Monate später auch an einer Versammlung mit dem widerständigen Pater Paul Styger in Morschach teil.63Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 75 Zudem verteilte er am 7. September 1798 Flugblätter in Oberarth, die zur Teilnahme am Nidwaldneraufstand aufriefen.64Ferdinand Niederberger, Die Unterstützung, S. 40
Gefallene im April und Mai 1799 (Hirthemlikrieg)
Im Zusammenhang mit dem Aufstand gegen die Franzosen im April/Mai 1799, der als Hirthemlikrieg in die Geschichte einging, wurden folgende Lauerzer getötet65Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799:
– 28. April 1799: Johann Melchior Ehrler, ledig, in Schwyz getötet.
– 6. Mai 1799: Josef Anton Wiget, ledig, von den Franzosen erschossen.
– 6. Mai 1799: Franz Anton Nideröst, in Altdorf erschossen.
Lauerzer in den Emigrantenregimentern
Als Folge der französischen Besatzung im Land Schwyz mussten viele Schwyzer in andere Landesgegenden fliehen. Nicht wenige von Ihnen schlossen sich den Schweizerregimentern an, die unter österreichischem Oberkommando und mit Geldmitteln aus England seit dem Frühling 1799 ausgebildet wurden. Sie sollten zusammen mit den Koalitionstruppen die Schweiz von den Franzosen befreien.66Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 148 Unter anderem mit Schwyzern besetzt war das Emigrantenregiment Rovéréa67Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 151 und das Freikorps Managhetta68Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 161. Zudem gab es kaiserliche Milizkontingente, die aus Schweizern bestanden. Diese waren aber schlechter ausgerüstet, als die Emigrantenregimenter. Eines davon wurde in Schwyz im Juli 1799 ausgehoben, als die kaiserlichen Truppen in Schwyz stationiert waren. Zu diesen Milizkontingenten fehlen uns für Schwyz die Mannschaftsbestände.69Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 158
Folgende Lauerzer dienten in der Kompanie Louis de Courten, Regiment Rovéréa:
– Joseph Franz Inderbitzin, verheiratet, 32 Jahre, Soldat, besoldet ab Februar 1799.70Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 203
– Joseph Mettler, 24 Jahre, ledig, Bauer, am Nidwaldneraufstand beteiligt, seit Januar 1799 geflüchtet und Eintritt in die Kompanie de Courten als Soldat.71Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 200 und 203
Als abwesend gemeldete Lauerzer
Diese Lauerzer wurden vom September 1800 bis März 1801 als abwesend gezählt. Ihr Verbleib war ungewiss, gut möglich ist, dass sie vor den Franzosen fliehen mussten und manche sich den Emigrantenregimentern anschlossen.
– Alois Beeler, keine weiteren Angaben.72Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 192
– Baptist Beeler, im Juli 1800 zurückgekehrt. 73Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 192 Vermutlich geboren im August 1772, Sohn des Jakob Beelers.74Pfarrarchiv, Nr. 8.4.1., Kompanie Rödel, S. 2
– Melchior Beeler, keine weiteren Angaben.75Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 192
– Balz Blaser, im Juli 1800 zurückgekehrt.76Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 193 Vermutlich geboren am 5. März 1775, Sohn des Joseph Leonard Blaser.77Pfarrarchiv, Nr. 8.4.1., Kompanie Rödel, S. 2
– Karl Felchlin, keine weiteren Angaben.78Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 193
– Sebastian Mettler, keine weiteren Angaben.79Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 195
– Franz Wiget, vermutlich Kirchenvogt und Vater von Melchior Wiget.80Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 75 Verbleib unbekannt, war beteiligt am Nidwaldneraufstand, am Hirthemlikrieg und Offizier im Landsturm.81Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 198
Im Ausland gefallene Lauerzer
– Joseph Franz Annen, gefallen am 07.09.1800 in Freistritz, Österreich.82Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 208 Vermutlich geboren am 19. April (?) 1775, Sohn des J. Leonard Annen.83Pfarrarchiv, Nr. 8.4.1., Kompanie Rödel, S. 2
– Franz Annen, von Lauerz, in Iberg wohnhaft, gefallen am 29.09.1800 in Tirol.84Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 208
– Franz Rickenbacher, in Spanien gefallen, Datum und Truppe unbekannt.85Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 209
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 141
2
Dominik Steinauer, Freistaat, S. 182-183
3
Martin Styger, Denkwürdigkeiten, S. 44
4
Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 143
5
Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Unter dem Eintrag 1798 steht als Todesdatum für die vier Lauerzer der 26. April 1798 «an der Schindellegi». An diesem Tag fanden aber keine Kämpfe in Schindellegi statt, sondern erst am 2. Mai.
6
Heinrich Zschokke, Untergang, S. 326/327
7
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 3, P. 108
8
Carl Zay, Goldau, S. 86
9
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 3, P. 109
10
Aloys Dettling, Geschichtskalender, 1923/46
11
Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 138
12
STASZ, HA.III.285, S. 180
13
Thomas Fassbind, Band 3, p. 141-142
14
Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 40
15
Thomas Fassbind, Geschichte, Band 3, p. 150, gekürzt und in neues Deutsch übersetzt
16
Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165-167
17
Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165
18
Thomas Fassbind, p. 164 – 165, gekürzt und in neues Deutsch übersetzt
19
Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799
20
Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145
21
Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799
22
Pfarrarchiv Nr. 5.1.10. Sterbebuch 1731-1849, Jahreszahl 1799
23
Martin Dettling, Schwyzerische Chronik, S.268
24
Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145
25
Carl Zay, Goldau, S. 89
26
Carl Zay, Goldau, S. 95
27
Josef Wiget, Schwyz Porträt, S. 145
28
Haus 40 auf der Karte von Carl Zay, Goldau. Gemäss Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 149
29
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 149
30
Hubert Foerster, Schwyz 1799, S. 164, siehe Buchstabe I in der Grafik
31
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 148
32
Andreas Meyerhans, Der Kanton Schwyz 1798 bis 1848, Schwyzer Hefte Nr. 72, S. 16
Am Abend des 2. September 1806 lösten sich unterhalb des Gnipenspitz mächtige Gesteinsmassen und donnerten innert wenigen Minuten in Richtung Tal. Der Goldauer Bergsturz war die bisher grösste historische Naturkatastrophe der Schweiz1René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 46 und forderte mindestens 457 Todesopfer. Die mehreren Millionen Kubikmeter Gestein zerstörten die Dörfer Goldau, Röthen und Buosigen und einen Teil des alten Dorfes Lauerz. Letzteres wurde von Westen durch Schuttmassen und von Norden durch die vom Bergsturz ausgelöste Schlammlawine aus dem Sägel getroffen. Eine rund zwei Häuser hohe Flutwelle im Lauerzersee tötete zudem mehrere Menschen und richtete grosse Schäden an den Gebäuden an.
Der Goldauer Bergsturz kostete in Lauerz und Buosigen 115 Menschen das Leben.2Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0 Der grössere Teil davon stammte aus Unter-Buosigen (66 Tote) und Ober-Buosigen (25 Tote), 23 Opfer3Carl Zay, Goldau, S. 380 hatte Lauerz zu beklagen. In Lauerz konnten 37 Personen aus den Schlammmassen gerettet werden, in Buosigen nur deren 27. Das alte Unter-Buosigen lag südöstlich vom heutigen Goldseeli, etwa eine Viertelstunde Fussweg von der Lauerzer Pfarrkirche entfernt. Der Weiler wurde nicht wieder aufgebaut.
Der Bergsturz und seine Folgen für Lauerz
Dem Bergsturz vorausgegangen waren mehrere Jahre mit starken Niederschlägen. Besonders in den Jahren 1799, 1804, 1805 und im Jahr 1806, als das Unglück geschah, fielen grosse Mengen Regen. Der Arther Arzt Carl Zay schildert uns den Vortag des Unglücks als besonders regnerisch: „Es war nicht, als wenn das Wasser in Tropfen, sondern wie durch kleine Röhren aneinander hängend niederfiel.“ Ihm war bereits bekannt, dass der viele Regen der Auslöser des Unglücks war. Durch grosse Spalten am Gnipen floss das Regenwasser in die unteren Gesteinsschichten und löste dort die Rutschung der unteren Mergelschichten aus.
Die am Gnipen ausgelöste Geröllmasse teilte sich im Gebiet Röthen in vier Seitenarme. Der östliche, von Lauerz aus gesehen rechte und damit vierte Seitenarm war der mächtigste und stiess in rascher Geschwindigkeit von der Röthen in Richtung Fallenboden vor, wo er am dortigen Felsen abprallte und die Hälfte des Gerölls ins obere Goldau abdriftete und unter anderem die dortig Kapelle zerstörte. Der andere Teil dieser Schuttmassen trieb hinunter nach Buosigen und Lauerz. Am östlichen Rand dieses vierten Seitenarms floss bereits in der Röthen ein „Schlamm- und Trümmerstrom“ (Zay) einher, der sich wiederum in zwei Arme teilte.4Zay, Goldau, S. 298 Der westliche Teil davon strömte über die Ebene Richtung Lauerz und zerstörte die Pfarrkirche, das Beinhaus, das Kaplanenhaus und viele Gehöfte und Häuser im alten Dorf Lauerz. Der Turm der Pfarrkirche blieb zwar erhalten, wurde aber stark beschädigt, sodass er später abgetragen wurde. Die Schlammwelle stoppte endlich im Dorfkern ungefähr auf Höhe der heutigen Hauptstrasse und dem Haus Ehrler-Föhn. Die Häuser oberhalb vom heutigen Adlerplatz hatten die Schlammmassen verschont. Da im Dorf Lauerz fast keine Nagelfluhsteine gefunden wurden, ist dem Bericht von Zay, wonach ein «Schlamm- und Trümmerstrom» das Dorf Lauerz getroffen hatte, durchaus glaubhaft. Es muss in Lauerz auch ein starker Luftzug geherrscht haben, der dem Bergsturz voranrollte.5Officieller Bericht, S. 6 Der Pfarrer Linggi von Lauerz berichtete später, dass er sich vor dem starken Luftzug schützen musste, in dem er sich an einer Hausecke fest hielt.6Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
Der östliche Arm des genannten Schlamm- und Trümmerstroms stiess aus der Röthen in den Sägel vor, wo er das Sumpfgelände vor sich herschob und haushohe Schlammassen in den Lauerzersee abdrängte. Diese gewaltige Verschiebung des Sägel-Terrains in Richtung Lauerzersee löste anschliessend eine Flutwelle7Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 58 in der Grössenordnung eines Tsunamis aus.
Die Flutwelle tötete mehrere Menschen und zerstörte die Häuser am Lauerzer Ufer, die Kapelle im Otten, die Einsiedelei auf der kleinen Schwanau und einen Teil des Eremitenhauses auf der grossen Insel, sowie drei Häuser in Seewen. Ausserdem drückten die Wassermassen die Nordmauer der Schwanau-Kapelle ein und beschädigten die rund ein Meter dicke Nordmauer der Burganlage. Das Türmchen der Kapelle im Otten wurde später am Steiner Ufer geborgen.8J. N. Zehnder, Goldauer Bergsturz, S. 31 Die Kapelle im Otten wurde nicht wieder aufgebaut. Die Flutwelle erreichte beinahe die Spitze des Kapellenturms auf der Schwanau, sie war also um die 15 Meter9Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 43 hoch! Gemäss Augenzeugen fanden sich am Folgetag im Glockenturm der Schwanau-Kapelle Reste von Heu, Rasen und Holzschindeln.10Carl Zay, Goldau, S. 299 Durch die Verschiebung des Sägel-Terrains büsste der Lauerzersee ein Siebtel seiner Grösse ein.11Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44
Am Tag nach dem Bergsturz erreichte der Arzt Carl Zay mittels Ruderboot Lauerz. Die Strasse war von Seewen her noch unpassierbar. Er schildert uns dabei, wie einige Männer aus Lauerz versuchten in ein zerstörtes Haus einzudringen, um die Opfer zu bergen: „Man drang zwar endlich hinein: aber leider nicht mehr lebende und leidende Menschen, wohl aber Totenkörper, zerschmettert und entstellt, wurden endlich mit grosser Mühe herausgezogen.“12Carl Zay, Goldau, S. 261 Gemäss Augenzeugen aus Bern suchten die Lauerzer noch eine Wochen lang nach Opfer der Katastrophe.13Officieller Bericht, S. 6 Am Folgetag des Unglücks wurden zwei Menschen aus den Trümmern lebend gerettet. 23 Personen konnten später nur noch tot geborgen werden. Die Gesandtschaft aus Bern schilderte in einem Bericht die Lage in Lauerz, wie sie sich eine Woche nach dem Unglück darbot: „Der Geruch in dieser Gegend, nicht sowohl von den bei diesem Ereignis umgekommenen Menschen, als der von der Verwüstung des Friedhofs in Lauerz auf die Oberfläche versetzten, halb verwesenen Totenkörper, ist unausstehlich und für die Gesundheit der dasigen Bewohner sehr gefährlich“14Officieller Bericht, S. 6. Die Schuttwelle des Bergsturzes hatte offenbar die Leichname aus den Gräbern gespült. Möglicherweise hängt dies mit der damaligen Bestattungstiefe zusammen. Ausgrabungen auf dem alten Friedhof in Schwyz haben ergeben, dass bis in die Neuzeit manche Tote kaum mehr als 60 Zentimer und sogar weniger tief bestattet wurden.15Georges Descœudres, Sterben in Schwyz, S. 57/58
Zehn Tage nach dem Unglück verordnete der Schwyzer Samstagsrat, dass nicht mehr nach Toten gesucht werden solle. Falls man dennoch Leichname finde würde, solle man diese am Ort der Fundstelle tief vergraben und eine Meldung erstatten.16STASZ, HA.III.330, S. 41
Da sich die Bäche, unter anderem der Chlausenbach, in den Schuttmassen aufstauten und dort Tümpel bildeten, versuchte man den Bächen wieder ihren ehemaligen Lauf zu geben. Dazu wurden Bautrupps aufgeboten, die mit Schaufeln und Pickeln ein neues Bachbett graben mussten. Die vielen kleinen, verschmutzten Tümpel hatten auch zur Folge, dass sich in Goldau und Lauerz eine Seuche auszubreiten begann, die man damals als „kaltes Fieber“ bezeichnete.17Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 15 und 16 Sie traf auf eine durch Franzosenkrieg und Bergsturz geschwächte Bevölkerung. Diese Krankheit, die durch Stechmücken übertragen wird, kennen wir heute als Malaria.
Carl Zay berichtet, dass in der Schuttmasse in Lauerz eine blaue Tonschicht vorherrschend gewesen sei.18Carl Zay, Goldau, S. 290 Auf ihr könne wohl jahrelang nichts Fruchtbares mehr wachsen. Dies bewahrheitete sich zum Glück nicht. Westlich des Nühofs in Buosigen an der Hauptstrasse nach Lauerz fand man eine Humusschicht, die bis zu 2.5 Meter unter Sturzgut des Bergsturzes begraben lag. In Buosigen entdeckte man umgeworfene Bäume, die unter einer Schlammschicht von bis zu 1.5 Metern lagen.19René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 49 unter Berufung auf H. Meier, Goldau
Carl Zay berichtet auch, dass die Strasse Seewen-Lauerz „die vor zwanzig und einigen Jahren mit grossen Unkosten neu angelegt“20Carl Zay, Goldau, S. 301 worden war, sowie der daneben gebaute Damm, durch die Flutwelle zerstört wurden. Dieser Damm bestand vermutlich seit dem Jahr 177521STASZ, HA.III.100, S. 137: Dort steht, dass „niemand nebet dem Lauwertsersee under der Landtstrass einige Steine abzuführen sich erfrechen solle bey hocher Straff und Ungnad.“.
Hilfeleistungen nach der Katastrophe
Der Lauerzer Pfarrer Josef Anton Linggi konnte am Unglückstag dem Schuttstrom knapp entkommen. Da die Pfarrkirche zerstört war, wurden die Gottesdienste im Keller des Hauses von Melchior Inderbitzin abgehalten.22Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1 Dieses Haus lag im Oberdorf (Karte Carl Zay, Goldau, Buchstabe K23Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156). Pfarrer Linggi wohnte bis zur Erbauung des neuen Pfarrhauses im Haus von Kastenvogt von Euw24Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1 (Karte Carl Zay, Goldau, Buchstabe a25Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 16).
Trotz geschwächtem Körper reiste Pfarrer Linggi in den kommenden Monaten durchs ganze Land, um Spenden für die Pfarrei Lauerz zu sammeln. Er gelangte dabei unter anderem in die Abteien Muri, Wettingen, Rheinau, in die Kartause Ittigen und nach Bischofszell. Um Reisekosten zu sparen, ging er dabei viele Strecken zu Fuss. Auf einer dieser Reisen musste er vor einem Gewitter fliehen und verausgabte sich dabei so stark, dass er zeitlebens davon geschwächt war.26Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156 und 157 Im Jahr 1810 wurde er schwer krank und konnte seinen priesterlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. An St. Katharina Tag im Jahr 1810 hielt er seine Abschiedsrede in der Pfarrkirche mit grosser Anteilnahme der Lauerzer. Seine letzten Tage verbrachte er auf dem altjanserischen Hof in Ingenbohl und starb am 8. Dezember 1810.27Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 17 verso
Die Solidarität in der Schweiz und im nahen Ausland war nach der Katastrophe sehr gross. Da man im Kanton Schwyz noch keine Gebäudeversicherung eingeführt hatte, verloren die Überlebenden nicht nur ihre Angehörigen, sondern auch ihr Hab und Gut. Hilfe kam insbesondere aus den Kantonen Bern und Zürich, sowie Basel und dem Waadtland28Carl Zay, Goldau, S. 388. Der Stand Bern schickte im November desselben Jahres 100 Mann, um unter dem Fallenboden Geröll und Schutt für eine Strasse von Arth nach Lauerz abzutragen. Deshalb heisst diese Stelle heute noch Bernerhöhe. Der Bischof von Konstanz, Karl Theodor von Dalberg, spendete 1‘000 französische Louis d’Or für den Wiederaufbau der Lauerzer Pfarrkirche. Ebenso spendete dessen Schwester 150 Louis d’Or an die neue Pfarrkirche und „würdigte die unglücklichen Lauerzer ihres grossmütigen Andenkens“. Auch der Abt von Einsiedeln, Konrad Tanner, und der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind wurden als Wohltäter genannt.29Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156
Wie bei jedem Unglück gab es auch unverschämte Profiteure. Der Schwyzer Samstagsrat musste am 27. September die Polizeikommission bitten, dass sie einige Landjäger in die Gegenden von Lauerz, Buosigen und Goldau beorderten, um „dem ausgelassenen und oft betrügerischen Bettelwesen und skandalösen Belästigen der Fremden und Reisenden Einhalt“ zu gebieten. Die betreffenden Leute hatte man zu packen und nach Schwyz zu führen.30STASZ, HA.III.330, S. 49
Einzelne Schicksale der Bergsturzkatastrophe in Lauerz und Buosigen
Im folgenden Abschnitt werden die Schicksale der einzelnen Heimwesen und Personen in Lauerz aufgeführt, die der Arther Arzt Carl Zay und der Arther Kaplan Martin Ulrich überliefert haben. Die Nummern der Gebäude sind auf der Karte von Fidel Zay zu finden. Die Karte gibt die Situation vor dem Bergsturz wider. Sie kann hier in voller Grösse angezeigt werden.
Lauerz
Nr. 1. Das ehemalige Heimwesen Auweli
Anton von Rickenbach (14 Jahre) und seine Schwester (16 Jahre) waren im Dorf Lauerz bei einer Obstpresse beschäftigt und konnten sich durch Flucht retten. Ihre Schwester Regina (21 Jahre) war im Haus und wurde von den Schlammassen fortgerissen und getötet; ihr Leichnam wurde am Steiner Ufer des Lauerzersees geborgen.31Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 104 Der im Haus wohnende Schuhmachermeister Aloys Beeler (31 Jahre)32Carl Zay, Goldau, S. 377 mit samt einem Gesellen arbeiteten in einem Haus oberhalb der Huelen und retteten dadurch sein Leben. Der Lehrling von Aloys Beeler befand sich bei den Geschwistern von Rickenbach in Lauerz und konnte sich dadurch ebenfalls retten.
Nr. 2. Das Heimwesen Sälenstücki, heute Grosshus
Lienhard Dettling (40 Jahre), seine Frau Marianne Wiget (38 Jahre), samt 6 Kindern, namentlich Josef (14 Jahre), Melchior (13 Jahre), Anna Maria (12 Jahre), Dominik (11 Jahre), Johannes (10 Jahre), Katharina (9 Jahre) wurden durch die Schutmassen getötet. Drei ältere Söhne der Familie entkamen dem Tod, namentlich Franz-Karl (17 Jahre), der sich im Dorf Lauerz aufhielt, Lienhard (16 Jahre), der zufällig in Schwyz war, sowie Anton (15 Jahre), der mittels Flucht der Schlammlawine entkam.33Carl Zay, Goldau, S. 377
Nr. 3. Das Heimwesen Kapellmatt
Sebastian Ehrler (52 Jahre) entkam trotz dem Zurufen von Pfarrer Linggi den Schuttmassen nicht. Er wollte noch zwei Heimkühe aus dem Stall retten und wurde mitsamt denselben verschüttet. Seine Frau Helena Weber (57 Jahre), die Tochter Genoveva (26 Jahre) und deren Ehemann Balz Mettler (25 Jahre) hörten auf das Zurufen von Pfarrer Linggi und flohen. Die Mutter wurde vom Schlammstrom erfasst und steckte schon tief darin, als sie von ihrem Nachbarn, alt Kastenvogt von Euw, gerettet wurde.34Carl Zay, Goldau, S. 378, sowie Officieller Bericht, S. 19
Nr. 4 Das ehemalige Pfarrhaus
Der Lauerzer Pfarrer Linggi wollte soeben einen kranken Nachbarn besuchen, als er den Bergsturz am Gnipen wahrnahm. Er rief alle in der Nähe wohnenden zur Flucht auf und rettete dadurch mehreren Leuten das Leben. Kaum 70 Schritte hinter den Flüchtenden zerstörte die Schlammwelle in ihrem Lauf die Pfarrkirche, das Beinhaus, das Pfarrhaus und mehrere weitere Gebäude.35Carl Zay, Goldau, S. 378 Pfarrer Linggi schilderte später, dass er mit einigen Anwohnern eine kurze Strecke in Richtung Osten fliehen konnte und sich dort an einem Hausecken (Haus b, Karte Zay) festhielt, um sich vor dem starken Luftzug, der dem Bergsturz voraus eilte, zu schützen.36Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
Nr. 5 Das Heimwesen Husmatt
Der sich im Haus aufhaltende Wittwer Balz Ehrler (76 Jahre), seine Tochter Flora (39 Jahre), seine Schwiegertochter Katharina Biser (44 Jahre) und deren Tochter Katharina (6 Jahre) wurden im umstürzenden Haus getötet. Der Sohn Kaspar (41 Jahre) befand sich ausserhalb des Hauses, als er das Unglück kommen sah und schrie: „flieht, flieht bergan“.37Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 107 Seinem Ruf folgend, flohen seine Brüder Lienhard (45 Jahre) und Martin Ehrler (50 Jahre), Ehemann der verunglückten Katharina Biser, sowie des letzteren Sohn namens Josef (19 Jahre) den Hang hinauf. Agatha Ehrler (30 Jahre) und ein weiterer Sohn von Martin Ehrler namens Franz (21 Jahre), wie auch die Hausmagd, Marianne Wiget (39 Jahre) befanden sich im Haus und konnten nur mit Mühe aus den Trümmern herausgezogen werden. Ein weiterer Bruder, Lienhard Martin (43 Jahre) war am besagten Tag nicht zu Hause und überlebte.38Carl Zay, Goldau, S. 379
Nr. 6 Das kleinere Pfrundhaus
Das Haus war zum Zeitpunkt des Unglücks unbewohnt. Der Kaplan war einige Tage vorher fort gereist und entkam der Zerstörung.39Carl Zay, Goldau, S. 379
Nr. 7 Haus und Säge, die untere Säge genannt
Der Vater, Lienhard Eberhard (47 Jahre), war am besagten Tag nicht zu Hause und überlebte so das Unglück. Seine drei Kinder, Marianne (21 Jahre), Balz (19 Jahre) und Katharina (18 Jahre) entkamen durch Flucht der Flutwelle. Ihre Mutter, Katharina Schelbert (43 Jahre), wollte aus dem Haus noch etwas retten und wurde dabei von der tödlichen Flutwelle getroffen.40Carl Zay, Goldau, S. 379 Dieses Haus und die Säge müssen nach Eintrag auf der Karte von Carl Zay in der unteren Niedermatt gelegen haben. Vermutlich wurde die Säge mit dem Wasser des Dorfbachs betrieben.
Nr. 8 Haus und Mühle, die äussere Mühle genannt. Heute nur Mühli gennant
Die Flutwelle schleuderte erst beim Zurückfluten das Haus in den See.41Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli, dem diese Annekdote von seiner Grossmutter erzählt wurde. Kirchenvogt und Müller Anton Dettling (50 Jahre), seine Frau Flora Meyer (38 Jahre), samt fünf Kindern, namentlich Katharina (20 Jahre), Balz (11 Jahre), Flora (10 Jahre), Meinrad (9 Jahre), Josef (2 Jahre) überlebten das Unglück. Der Vater war zuerst im Haus und erkannte durch die Fenster das drohende Unheil. Geistesgegenwärtig rannte er mit den jüngsten vier Kindern den Hang hinauf, der sich hinter dem Haus erhebt und rettete den Kindern damit das Leben. Seine Frau war zu dieser Zeit in Einsiedeln. Hingegen starben die Tochter Aloysia (5 Jahre) und die Hausmagd Barbara Schuler (34 Jahre) im oberen Stockwerk des Hauses, als dieses in den See gespült wurde. Die Magd wollte die Kinder Aloysia und Katharina aus dem Haus retten. Einzig die taubstumme Katharina Dettling konnte lebend aus dem Wasser geborgen werden.
Marianne Blaser (11 Jahre) und Annemarie Baggenstoss (13 Jahre, aus Gersau) wollten am Unglückstag Brot in der Mühle holen und wurden ebenfalls von der Flutwelle überrascht. Ebenso getötet wurde Kirchenvogt Anton Blaser (64 Jahre), der sich im Haus befunden hatte, um Hanf zu brechen.42Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112 Etwas entfernt von der Mühle, dem See entlang, hütete der Knabe Anton Nideröst (12 Jahre) seine Geissen, als er von der Flutwelle in den See hinausgeworfen wurde und dort ertrank.43Carl Zay, Goldau, S. 380
Nr. 9 Kleines Haus und Säge (Sagehostetli)
Dieses Grundstück ist nicht mehr auf der Karte aus Carl Zays Schuttbuch eingezeichnet. Vermutlich handelte es sich bei diesem Grundstück um das Saghostetli. Das Häuschen stand einst auf der kleinen Insel und diente als Wohnung der Eremiten, wurde aber später ans Ufer versetzt.44Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112 Die genannte Säge könnte sich bei der heutigen Brennerei Z’Graggen befunden haben. Kaspar Schnüriger (44 Jahre), seine Frau Marianne Linggi (54 Jahre), ihre Tochter Annemarie (12 Jahre) und der Knecht Josef Sidler von Immensee (65 Jahre) konnten sich durch Flucht vor der Flutwelle retten. Das Haus und die Säge wurden von den Fluten in den See geschleudert.
Das Eremitenhaus auf der Schwanau
Das Haus der Waldbrüder auf der grossen Insel wurde zwar von der Flutwelle getroffen, aber nicht schwer beschädigt. Der Eremit, Bruder Gedeon, war zur Zeit des Unglücks abwesend und entkam so dem möglichen Tod.45Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
Das Haus im Otten
Direkt oberhalb der Hauptstrasse nach Schwyz steht im Otten ein Bauernhaus, das als einziges von der Flutwelle nicht getroffen wurde, weil es sich hinter einer kleinen Anhöhe befindet.46Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113 Das Haus steht heute noch an dieser Stelle. Da es nach der Flutwelle leicht schief stand, soll es mit Zugtieren wieder in den Senkel gestellt worden sein.47Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli
Die Kapelle im Otten
Diese Kapelle an der Landstrasse von Lauerz nach Schwyz war dem hl. Jakob geweiht und wurde durch die Flutwelle zerstört. Der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind schrieb anno 1821, dass die Paramenten und der Kelch gerettet werden konnten und im Haus im Otten aufbewahrt wurden. Die kleine Glocke sei erst im Jahr 1819 von zwei Bauernknaben im See bemerkt und ins Haus von Fischer von Euw gebracht worden.48Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 30 recta Nach anderen Quellen soll der hölzerne Glockenturm, mitsamt dem Glöcklein, später am Steiner Ufer geborgen worden sein. Das Glöcklein sei einige Zeit im Gasthaus Kreuz in Seewen aufbewahrt worden.49Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 175 Die Kapelle befand sich wahrscheinlich in der Nähe des Ottenbächlis.
Weitere Opfer der Unglücks
Das Haus von Wittwer Josef Ehrler (64 Jahre) lag in der Nähe der Kapellmatt und wurde nur wenig beschädigt. Er selber warnte seinen Sohn und die übrigen vor dem herannahenden Bergsturz, versäumte aber seine eigene Flucht und kam in den Schuttmassen ums Leben.
Barbara Eberhard von Arth wurde von der Rückreise von Schwyz in der Gegend Seegüetli-Schwanau von der Flutwelle überrascht. Sie floh bergan und hielt sich an Grasbüscheln fest, um nicht von den Wassermassen in den See gezogen zu werden. Sie überlebte die Katastrophe, trug jedoch Verwundungen am Kopf davon.50Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
Carl Zay berichtet auch von zwei Mädchen in Lauerz, die aus dem Schlammassen gerettet wurden, weil sie mit dem Kopf noch nicht darin versunken waren.51Carl Zay, Goldau, S. 329
Am Lauerzer Ufer zog man einen toten Mann aus dem Wasser. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um Johannes Müller aus Meyenberg (Freiamt, Kt. Aargau). Er ritt mit seinem Pferd von Goldau Richtung Steinen und wurden von der Schlammwelle getroffen und in den See geschleudert.52Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 109
Unter-Buosigen
Unter Buosigen gibt es heute nicht mehr. Der Weiler wurde vom Bergsturz komplett zerstört und dürfte sich ca. eine Viertelstunde westlich der heutigen Lauerzer Pfarrkirche, am Weg der alten Landstrasse nach Goldau befunden haben. Dieser Weg verlief ähnlich dem heutigen Wanderweg Richtung Goldseeli, das man früher „Taglis Wieher“ nannte. Roli Marty aus Goldau verdanke ich den Hinweis, dass die Heimwesen Unter- und Ober-Taglis auf der Karte aus Carl Zays Schuttbuch (Goldau, Nr. 41 und 42) eingezeichnet sind und am Weg von Goldau nach Unter-Buosigen lagen. Das Goldseeli liegt also in der unmittelbaren Nähe dieser beiden, vom Bergsturz verschütteten, Heimwesen. Diese beiden Heimwesen des Taglis waren die ersten Bauernhöfe auf Goldauer Seite, wenn man von Unter-Buosigen nach Goldau wanderte. Carl Zay beschrieb die Gegend von Buosigen vor dem Bergsturz wie folgt: «Von einer Anhöhe stieg der Fussweg nach der kleinen Dorfschaft Busingen und seinem Thale hin. Der Anblick der schönsten Fluren mit schwelgerischem Gras bewachsen, mit fruchtbaren Bäumen übersät, mit neueren Häuser oder ländlichen älteren Hütten belebt, ergötzte im lachenden Tal das Auge des wandernden Beboachters»53Carl Zay, Goldau, S. 108 -109.
Nr. 1 Haus und grosser Hof, der Brand genannt
Von den Schuttmassen verschüttet wurde das Gebäude und die darin befindlichen Personen: Franz Wiget (46 Jahre), seine Frau Marianne Sager (40 Jahre), samt ihrer Mutter Maria Barbara Ulrich (60 Jahre), beide von Brunnen. Die Mutter war zwei Wochen vorher ins Haus gekommen, da ihre Tochter im Wochenbett lag. Ebenfalls kamen die Kinder ums Leben: Marianne (11 Jahre), Magdalena (9 Jahre) und das jüngste Kind, das erst 14 Tage alt war. Auch die Magd, Barbara Eichhorn (28 Jahre) kam im Haus um.54Carl Zay, Goldau, S. 369
Nr. 2 Haus und Hof, äussere Gruwi genannt
Josef Eberhard (46 Jahre) wurde, während er Eschenlaub für Viehfutter einsammelte, umgeworfen und überschüttet. Seine Ehefrau Annemarie Fuchs (41 Jahre) und sein Bruder Melchior (40 Jahre) wurden im Haus von den Schuttmassen überrascht und getötet. Sein zweiter Bruder Roman (38 Jahre) befand sich oberhalb des Heimwesen beim Vieh und überlebte.55Carl Zay, Goldau, S. 369 – 370
Nr. 3 Haus und kleines Heimwesen, Höfli genannt
Melchior Kamer (36 Jahre) und seine Frau Gertrud von Hospital (28 Jahre) wurden beide von den Schuttmassen getötet. Sie schnitt Korn in einem nahen Feld namens Müsli und versuchte sich durch Flucht zu retten, wurde aber von den Schuttmassen eingeholt. Der Vater, Anton Kamer (70 Jahre) war in einem Haus oberhalb und konnte dadurch sein Leben retten.56Carl Zay, Goldau, S. 370
Nr. 4 Haus und klein Heimwesen, Feldli
Josef Martin Eberhard (29 Jahre), der Besitzer dieses kleinen Hofes, sah die Schuttmassen heranstürzen und floh in einen nahe gelegenen Stall. Kurz darauf wurde der Gaden von den Schuttmassen verschüttet. Unter Trümmern und totem Vieh eingeschlossen lebte Josef Eberhard zwar noch, konnte sich aber nicht durch eigene Kraft befreien. Dank seinem kräftigen Nachbarn Josef Lienhard Wiget (siehe Nr. 11, Unter-Lindenmoos), der ihn in den Stall fliehen sah, wurde er fast unverletzt gerettet.57Carl Zay, Goldau, S. 231 Sein Bruder Niklaus (31 Jahre) war nicht zu Hause und überlebte so die Katastrophe. Die Magd, Elisabeth Schilter (33 Jahre), kam im Haus ums Leben.58Carl Zay, Goldau, S. 370
Nr. 5 Grosses Haus und Hof, Hinterhof genannt
In diesem Haus kamen ums Leben: Ratsherr Kaspar Lienhard Wiget (55 Jahre), seine Frau Barbara Felchlin von Arth (50 Jahre), samt seinen zwei Söhnen Kaspar Lienhard (31 Jahre) und Heinrich (26 Jahre), wie auch zwei Knechte namens Anton Kamer (27 Jahre) und Lienhard Ulrich (22 Jahre). Marianne Wiget (25 Jahre) war die Ehefrau von Sohn Kaspar Lienhard Wiget (31 Jahre) und besuchte die im Haus Brand wohnende Wöchnerin Marianne Sager. Auch sie kam in den Schuttmassen ums Leben.59Carl Zay, Goldau, S. 370
Nr. 6 Haus und grosser Hof, Vorderhof genannt
Alt Ratsherr Josef Lienhard Beeler (63 Jahre), Mitglied des Siebnergerichts in Schwyz, und seine Hausfrau Katharina Röllin (54 Jahre) kamen ums Leben. Ihr Sohn Vorsprech Josef Lienhard Beeler (31 Jahre ), dessen Ehefrau Franziska Appert (29 Jahre) und ihr 18 Monate altes Kind wurden beieinander tot aufgefunden. Sie waren mitsamt den Trümmern des Hauses auf die Matten des Heimwesens Sälenstücki in Lauerz geschleudert worden! Der ältere Sohne von Josef Lienhard (31 Jahre) wurde auf der Flucht von der Schuttmasse erfasst und getötet. Die Magd des Hauses, Veronika Inglin (24 Jahre), wurde auf ihrer Rückreise von Steinen von der Steinlawine erfasst.60Carl Zay, Goldau, S. 370 – 371
Nr. 7 Haus und grosser Hof, ohne Namen
Josef Melchior Anton Wiget (37 Jahre), Leutnant bei der Landmiliz und begnadeter Musikant, seine Mutter und Wittwe Marianne Meyerberg (60 Jahre) von Menzingen, seine Schwester Waldburga (37 Jahre) und die Magd Annemarie Beeler (27 Jahre) kamen im Haus ums Leben. Ebenfalls getötet wurde der Knecht Martin Schuler (37 Jahre).61Carl Zay, Goldau, S. 371
Nr. 8 Haus und grosses Heimwesen, Grossriedt genannt
Melchior Dettling (42 Jahre), seine zweite Ehefrau Annemarie Betschart (41 Jahre), samt ihren vier Kindern: Annemarie (9 Jahre), Appolonia (8 Jahre), Melchior (7 Jahre), Josef (5 Jahre), sowie die Magd Franziska Schuler (52 Jahre) kamen in den Bergsturzmassen ums Leben. Melchior Dettling war Sigrist und stellte 1798 sein Haus für eine Versammlung zur Verfügung, die den Widerstand gegen die Franzosen unterstützte.62Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165 Die Söhne aus zweiter Ehe, Josef Lienhard (21 Jahre) und Balz (19 Jahre) waren nicht im Haus und konnten sich dadurch retten.63Carl Zay, Goldau, S. 371
Nr. 9 Haus und grosser Hof, des Richter Dettlings genannt
Josef Kaspar Dettling (26 Jahre) war der Bruder von Franz Dettling in Lauerz, Es hiess, er war einer der „schönsten und besten jungen Männer des ganzen Landes“. Er, wie auch seine Mutter und Witwe Katharina Fassbind von Goldau, samt zwei Töchter seines Bruders Franz aus Lauerz, namentlich Katharina (7 Jahre) und Agatha (5 Jahre), sowie der Knecht Josef Reichlin (21 Jahre) und die Magd Annemarie Grossmann (23 Jahre) fanden den Tod.64Carl Zay, Goldau, S. 371
Nr. 10 Haus und grosser Hof, Ober-Lindenmoos
Fridolin Melchior Wiget (18 Jahre) samt seiner Mutter und Witwe Marianne Bürgi (50 Jahre) von Goldau kamen in den Schuttmassen ums Leben. Auch die Verlobte von Josef Fridolin, die vorher im Haus war, wurde bei ihrer Rückreise nach Sattel vom Geröllstrom erfasst. Die Mutter Marianne ahnte das Unglück kommen, floh aus dem Haus, konnte aber aus Schwachheit nicht schneller laufen und wurden von den Schuttmassen am Rande des Stromes erfasst und getötet. Die Tochter Katharina Wiget (13 Jahre), ein verheirateter Knecht namens Meinrad Beeler (34 Jahre) und die Magd Ida Betschart (21 Jahre) konnten sich durch Flucht retten. Die Magd wurde von den Schuttmassen teilweise erfasst und schwer verletzt. Ebenfalls befand sich bei diesem Haus ein Heinrich Flecklin, von der Ledimatt in Lauerz, der mit einem Brennhafen bei Ratsherrn Wigets Haus (Nr. 5) war. Er wurde von den Schuttmassen fast verschlungen, konnte sich aber dank seiner jugendlichen Kraft und Schnelligkeit retten und den obigen Hergang detailgetreu schildern.65Carl Zay, Goldau, S. 371 – 372 Die 13-jährige Katharina Wiget durfte für einige Jahre im Frauenkloster in Schwyz leben und konnte dort eine Schule besuchen. Sie lebte später verheiratet in der Krone in Schwyz.66Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 153
Nr. 11 Haus und grosser Hof, Unter Lindenmoos67Carl Zay, Goldau, S. 232. Zay nennt auf dieser Seite den richtigen Hofnamen. Auf S. 372 steht fälschlicherweise Ober-Lindenmoos.
Josef Lienhard Wiget (32 Jahre), seine Ehefrau Annemarie Appert (29 Jahre)68Carl Zay, Goldau, S. 232. Carl Zay widerspricht sich teilweise in den Namen und Altersangaben dieser Familie. Dorothea nennt er auf S. 232 Annemarie. Kaspar ist dort 7 Jahre und nicht 6 Jahre alt. Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 93 nennt die Frau Annemarie Appert., die zwei Söhne Niklas Anton (9 Jahre) und Kaspar (6 Jahre), sowie die Tochter Agatha (2 Jahre) sammelten oberhalb des Hofes abgeschütteltes Obst eines Apfelbaumes ein, als sich die Gesteinsmassen am Gnipen in Bewegung setzten. Der Vater mit seinen Söhnen floh bergan und rief seiner Frau, sie solle ebenfalls fliehen. Seine Frau, mit Tochter Agatha im Arm, lief jedoch zum Haus und versuchte ihr dort in der Wiege liegendes Kind (10 Monate alt) zu retten. Auch die dort weilende Magd Franziska Ulrich (23 Jahre), zusammen mit der zweiten Tochter Marianne (5 Jahre), wollte ohne das Kleinkind nicht aus dem Haus fliehen. In diesem Augenblick trafen die Geröllmassen das Heimwesen. Das Haus wurde rund 500 Meter weit weggeschleudert.69Carl Zay, Goldau, S. 242 Die Ehefrau mitsamt Tochter Agatha und Kleinkind kamen ums Leben. Sie hielt beide in ihren Armen, als ihr Ehemann sie am nächsten Tag unter den Trümmern bergen konnte. Hingegen lebte die Magd Franziska Ulrich und die Tochter Marianne noch. Sie waren aber beide unter dem Schutt eingeschlossen. Als der Vater den Leichnam der Ehefrau ausgrub, vernahm er die Stimme seiner Tochter Marianne und konnte sie und die Magd Franziska zwar schwer verletzt, aber lebend aus den Trümmern befreien. Beide Frauen wurden von Freunden und Wohltätern gepflegt und konnte später ein mehr oder weniger normales Leben führen. Franziska Ulrich verheiratete sich in Ingenbohl, wurde aber nur 40 Jahre alt. Marianne Wiget verehelichte sich mit Peter Oswald Elsener, Hutmacher in Schwyz und Vorfahre der Familie Elsener, Messerfabrik Victorinox.70Victorinox AG, Das Messer und seine Geschichte, S. 121
Nr. 12. Haus und kleines Heimwesen, Frickenhöfli genannt
Alois Schuler (40 Jahre), seine Hausfrau Katharina Reichlin (28 Jahre) und ihr Bruder Josef Reichlin (22 Jahre) kamen alle im Haus ums Leben. Die Witwe Magdalena Kamer (30 Jahre), die hier das Wohnrecht hatte, kam ebenfalls ums Leben. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt im Haus Nr. 11 von Josef Lienhard Wiget und wurde dort verschüttet.71Carl Zay, Goldau, S. 373
Nr. 13 Haus und grosser Hof, beim Brückli genannt
Ums Leben kamen hier Kirchenvogt Franz Dettling (61 Jahre) und seine Ehefrau Flora Beeler (61 Jahre), zwei seiner Töchter, Agatha (24 Jahre) und Flora (20 Jahre). Ebenfalls kamen drei Grosskinder namens Josef (8 Jahre) und Melchior (5 Jahre) und Katharina (11 Jahre) ums Leben, die von einem Sohn Josef Dettling (aus Lauerz) stammten. Ebenfalls getötet wurden zwei Knechte, Martin Beeler (27 Jahre) und Melchior Tanner (25 Jahre), sowie zwei Mägde namens Josefina Grossmann und Veronika Imhof, beide ca. 30-jährig21. Der jüngere Sohn von Kirchenvogt Franz Dettling, namens Josef Mariä (23 Jahre) war mit seiner Tante (von der Mühle in Lauerz) auf einer Wallfahrt nach Einsiedeln und wurde mit dem Leben verschont.72Carl Zay, Goldau, S. 373
Ober-Buosigen, auch Huwenloch genannt
Nr. 1 Haus und grosses Heimwesen, Bärmatt genannt
Josef Lüönd (55 Jahre) vom Sattel, seine Ehefrau Veronika Schnüriger (46 Jahre) und die fünf Kinder Balz (21 Jahre), Magdalena (16 Jahre), Anton (14 Jahre), Xaver (8 Jahre), Barbara (3 Jahre) kamen in den Trümmern ums Leben. Eine Tochter von 23 Jahre war nicht im Haus und konnte dadurch ihr Leben retten.73Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. Ebenfalls verschüttet wurde der Schneider Meinrad Krienbühl (23 Jahre), der in diesem Haus auf der Stör war.74Carl Zay, Goldau, S. 373
Nr. 2 Haus und grosser Hof, Bützenrüthi oder Binzenrüti
Baptist Römer (41 Jahre) und seine Magd Marianne Zeberg (27 Jahre), sowie ein Besucher namens Georg Kamer (27 Jahre), der aus Röthen stammte und ein Lohnarbeiter namens Melchior Mettler (19 Jahre) kamen auf diesem Hof ums Leben. Der Neffe von Baptist Römer, ebenfalls Baptist genannt (14 Jahre), der Hausknecht Alois Horat (41 Jahre) und Ehemann von Agatha Mettler (Schwester von Bläsi Mettler) wurden durch Zufall gerettet. Baptist Römer war auf der Rigi, um Milch zu holen und plante seine Rückkehr erst gegen 18.00 Uhr, wie es ihm der Onkel aufgetragen hatte. Der Knecht rüstete im Wald Holz, plante ebenfalls eine spätere Rückkehr und wurde dadurch gerettet.75Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 86
Der auf Besuch weilende Georg Kamer hinterliess seine Ehefrau Franziska Schuler (23 Jahre) und zwei kleine Kinder. Der junge Melchior Mettler hinterliess eine alte und kranke Mutter.76Carl Zay, Goldau, S. 373 – 374
Nr. 10 (Nr. 3?) Haus und kleineres Heimwesen, Fusters-Höfli genannt
Ums Leben kamen hier: Josef Schilter (33 Jahre), seine Ehefrau Marianne Fässler (37 Jahre), seine zwei Kinder namens Franz (3 Jahre) und Annemarie (2 Jahre), sowie der Grossvater und Wittwer Josef Schilter (70 Jahre), dessen Töchter Theresia (35 Jahre) und Franziska Schilter (31 Jahre), samt ihrem 6 Wochen alten Kind. Auch der vorherige Besitzer Leonhard Ulrich (68 Jahre) und dessen Sohn Balz (24 Jahre) wurden hier verschüttet.77Carl Zay, Goldau, S. 374 Leonhard Ulrichs Wittfrau Johanna Gugelberg (67 Jahre) überlebte, weil sie in einem Haus im Fallenboden mit dem Seidenspinnen beschäftigt war. Das Garn verhaspelte sich öfters als sonst, so dass sie nicht zur geplanten Zeit nach Hause gehen konnte und dadurch mit dem Leben davonkam.78Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 88 und 89 Sie verpachtete möglicherweise am 26. März 1807 Haus und Hof Langmatt, Oberbuosigen, an Johann Georg Kamer.79STASZ, HA.IV.198.004, Nr. 36
Weiteres Opfer und ein Überlebender des Unglücks
In der oberen Sommerau, Haus Nr. 46, Bezirk Goldau, wurde Elisabeth Kamer (16 Jahre) verschüttet. Sie war die Tochter von Kaspar Kamer, der ebenfalls im Raum Ober-Buosigen wohnte und dessen Haus am Rand der Schuttmasse unversehrt blieb. Lage und Name seines Heimwesens ist nicht mehr auszumachen. Seine Grasmatten wurden jedoch von den Schuttmassen überdeckt und konnten nicht mehr bewirtschaftet werden. Er befand sich vor dem Unglück in der Binzenrüthi von Baptist Römer, vermeinte dann mehrmals einen Hornstoss zu hören und machte sich, wie es bei diesem Signal mit seiner Familie abgemacht war, auf den Weg nach Hause. Dabei bemerkte er den Bergsturz am Gnipen und konnte durch Flucht sein Leben retten. Zuhause angekommen fragte er, wer ihm gehornt hätte. Man wusste aber nicht, was er meinte. Offenbar hatte diese Einbildung Kaspar Kamer das Leben gerettet.80Carl Zay, Goldau, S. 375
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 46
2
Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0
3
Carl Zay, Goldau, S. 380
4
Zay, Goldau, S. 298
5
Officieller Bericht, S. 6
6
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
7
Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 58
8
J. N. Zehnder, Goldauer Bergsturz, S. 31
9
Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 43
10
Carl Zay, Goldau, S. 299
11
Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44
12
Carl Zay, Goldau, S. 261
13
Officieller Bericht, S. 6
14
Officieller Bericht, S. 6
15
Georges Descœudres, Sterben in Schwyz, S. 57/58
16
STASZ, HA.III.330, S. 41
17
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 15 und 16
18
Carl Zay, Goldau, S. 290
19
René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 49 unter Berufung auf H. Meier, Goldau
20
Carl Zay, Goldau, S. 301
21
STASZ, HA.III.100, S. 137: Dort steht, dass „niemand nebet dem Lauwertsersee under der Landtstrass einige Steine abzuführen sich erfrechen solle bey hocher Straff und Ungnad.“
22
Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1
23
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156
24
Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1
25
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 16
26
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156 und 157
27
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 17 verso
28
Carl Zay, Goldau, S. 388
29
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156
30
STASZ, HA.III.330, S. 49
31
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 104
32
Carl Zay, Goldau, S. 377
33
Carl Zay, Goldau, S. 377
34
Carl Zay, Goldau, S. 378, sowie Officieller Bericht, S. 19
35
Carl Zay, Goldau, S. 378
36
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
37
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 107
38
Carl Zay, Goldau, S. 379
39
Carl Zay, Goldau, S. 379
40
Carl Zay, Goldau, S. 379
41
Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli, dem diese Annekdote von seiner Grossmutter erzählt wurde.
42
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
43
Carl Zay, Goldau, S. 380
44
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
45
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
46
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
47
Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli
48
Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 30 recta
49
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 175
50
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
51
Carl Zay, Goldau, S. 329
52
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 109
53
Carl Zay, Goldau, S. 108 -109
54
Carl Zay, Goldau, S. 369
55
Carl Zay, Goldau, S. 369 – 370
56
Carl Zay, Goldau, S. 370
57
Carl Zay, Goldau, S. 231
58
Carl Zay, Goldau, S. 370
59
Carl Zay, Goldau, S. 370
60
Carl Zay, Goldau, S. 370 – 371
61
Carl Zay, Goldau, S. 371
62
Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165
63
Carl Zay, Goldau, S. 371
64
Carl Zay, Goldau, S. 371
65
Carl Zay, Goldau, S. 371 – 372
66
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 153
67
Carl Zay, Goldau, S. 232. Zay nennt auf dieser Seite den richtigen Hofnamen. Auf S. 372 steht fälschlicherweise Ober-Lindenmoos.
68
Carl Zay, Goldau, S. 232. Carl Zay widerspricht sich teilweise in den Namen und Altersangaben dieser Familie. Dorothea nennt er auf S. 232 Annemarie. Kaspar ist dort 7 Jahre und nicht 6 Jahre alt. Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 93 nennt die Frau Annemarie Appert.
69
Carl Zay, Goldau, S. 242
70
Victorinox AG, Das Messer und seine Geschichte, S. 121
Die Bannung von Wäldern im Kanton Schwyz erfolgte bereits in mehreren Bannbriefen im 14. und 15. Jahrhundert.1Kothing, Landbuch, S. 197 – 249 Beispielsweise wurde der zwischen Lauerz und Seewen liegende Sitiwald, der als Schutzwald für die darunterliegende Landstrasse diente, im Jahr 1442 gebannt.2Martin Kothing, Schwyzer Landbuch: S. 211 Das Holzschlagen an den Wäldern der Hochfluh wurde im Jahr 1518 verboten.3Kothing, Landbuch, S. 198 Auch diverse andere Waldstücke, vor allem bei den Lauerzer Alpen, wurden gebannt, zum Beispiel der Wald bei der Alp Iltis4STASZ, HA.III.105, S. 211 oder jener bei der Alp Schwand5STASZ, HA.III.105, S. 185.
Das Holzen und Reisten
Ein Ratsbeschluss aus dem Jahr 1785 berichtet, dass man damals das Flössen auf der Seeweren vorübergehend einstellte.6STASZ, HA.III.120, S. 162 Möglicherweise wurde damals auch Holz vom Lauerzersee über die Seeweren in den Vierwaldstättersee geflösst. Das Holzreisten am Lauerzersee war jedenfalls gang und gäbe. Im Jahr 1627 wurde beispielsweise ein Mann aus Baar (Kt. ZG) von einem am Lauerzersee gereisteten Trämel tödlich getroffen.7STASZ.HA.III.15, S. 97 Im Jahr 1780 beschloss der Schwyzer Landrat, dass man beim Holzreisten entlang von Landstrassen und Pilgerwegen Wachen aufstellen solle, damit niemand vom gereisteten Holz getroffen werde.8STASZ, HA.III.110, S. 165
Vom Holzfällen sprach man bis vor wenigen Jahrzehnten noch nicht, man holzte stattdessen. Der Beruf des Holzers war vielseitig, er musste den Baum fällen, reisten und auf die Fuhrwerke aufladen.
Mittels Reistzügen transportierte man das Holz von den Bergwäldern ins Tal. Solche Züge wurden entlang von natürlichen Geländeeinschnitten, wie etwa Runsen und Rinnen, angelegt. Dadurch konnte das Holz in einer vorgegebenen Bahn ins Tal rutschen. In Lauerz befanden sich solche Reistzüge zum Beispiel unterhalb des Ränggen und der Zünggelenfluh. Bekannt waren der Langzug und der Dräckzug. Ersterer lag teilweise auf der Gemeindegrenze Lauerz-Schwyz. Der Dräckzug lag etwas westlich davon auf Lauerzer Gebiet und führte auch an Wiesen entlang, wo die Stämme den Dreck aufschürften. Daher der Name Dräckzug.9Willi Dettling, Mitteilung per E-Mail vom 24.07.2022
Zum Flössen trölte man in Lauerz die Stämme über die Gotthardstrasse bzw. von den Reistzügen her in den See. Manches Holz wurde wohl in die Kohli nach Steinen geflösst und dort zu Kohle verarbeitet. Noch bis ins letzte Jahrhundert wurden die Stämme zur Mühli nach Lauerz transportiert, wo eine durch Wasserkraft betriebene Sägerei stand. Willi Dettling von der Mühli berichtet aus dieser Zeit: «Die Arbeiten in den Reistzügen waren schwer. Man benutzte diese Transportgelegenheit für das Holz auch ohne Schnee. Das Holz, das die Schwerkraft ausnützte, bohrte sich auf seinem Weg oft in die Erde und es musste mit dem Zappie wieder flott gemacht werden. Die Technik mit diesem Werkzeug war ‹beissweise› und ’sparrsweise›. Man beliess auch einige Hölzer in der Rinne oder man legte sie zurecht (‹vorleggä›), um den nachfolgenden Stämmen ein günstigeres Geleit zu geben. […] Holz zum Reisten fällte man möglichst bergwärts. Somit blieb der Starkteil in Richtung Tal und hatte weniger Möglichkeit sich in die Erde zu bohren, wie es bei einem armdicken Wipfel geschah.» Willi berichtet auch von einer Anekdote, die während einer Fällaktion in Lauerz passiert ist: «Auf der Strasse Seewen-Lauerz wurden die Fahrzeuge mit einem roten Fähnlein angehalten und erst durchgelassen, wenn sich die Lage oben im Wald beruhigt hatte. Der Alarm erfolgte in Form eines lang gedehnten Rufes: ‹Huoot-Huot›. Für den Wachthabenden an der Strasse gab es oft freie Zeit um angekommene Stämme zu entrinden und zurecht zu binden. So stand denn auch Franz Reichlin, ein breitschultriger Mann mit einem langen Bart, etwas oberhalb der Strasse. ‹Huoot-huot› tönte es von oben und Fränzel sprang pflichtbewusst mit dem Zappie (anstelle dem Fähnlein) auf die Strasse und winkte einem entgegenkommenden Auto. Es war ein Deux-Chevaux und darin ein französisches Ehepaar. Diese glaubten von einem Urwaldmenschen überfallen zu werden. In ihrer Angst wählten sie einen Ausweg: seitlich über das steile Strassenbord. Das Autoli kippte auf die Seite in die Strasse. Trotz fehlender Fremdsprachenkenntnisse soll es letztendlich zu einer freundlichen ‹Aussprache› gekommen sein.»10Willi Dettling, Lauerz, S. 71
Die Reistwege waren, anders als die Züge, nicht durch das Terrain geschaffen. Willi Dettling schreibt: «Wurde im übrigen Bergwald von Lauerz Holz geschlagen, transportierte man diese eher durch Wiesen und nicht durch Erdrunsen, wie bei den Zügen. Es war aber Schnee oder gefrorener Boden nötig, weil die Wiesen und Weiden im Sommer wieder genutzt wurden. Auf eher ebenen Strecken wurden auch Zugtiere eingsetzt (Rindermäni, Zwicke, Rosse). Auch konnte man, wenn genügend Holz zum transportieren war, das Hilfsgleit (Gleit = an der Bahn liegende Stämme) immer wieder nachnehmen, in dem man einmal begonnen hatte, die dahinter liegenden über die Vorgerückten gleiten zu lassen. Auf diese Art kam man bis ins Tal hinunter. Bei grossen Kahlschlägen, zum Beispiel vom Stotzig zum Sagenhostettli (heute Schaubrenni Z’Graggen), sollen in Lauerz die Geleite über mehrere Jahre permanent auf den Grundstücken belassen worden sein.»11Willi Dettling, Lauerz, S. 72 ff.
Sägereien gab es einige in Lauerz. Eine erste Datierung stammt vom April 1604, als einem Hans Dietschi erlaubt wird, am Lauerzersee bei der Otten-Kapelle eine Sägerei zu bauen.12STASZ, HA.III.10, S. 135 Vor dem Bergsturz 1806 stand eine Sägerein in der Niedermatt (Untere Säge genannt)13Carl Zay, Goldau, S. 379, die vermutlich vom Dorfbach betrieben wurde und eine weiter Sägerei in der Nähe des Seegüetli bzw. Sagenhostetli (heute Schaubrenni Z’Graggen)14Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112. Bis ins letzte Jahrhundert gab es eine Sägerei in der Mühli (Dettling) und eine weitere im Dörfli (Schilter).
Das Bächli beim Schipf konnte umgeleitet werden, so dass das Wasser entweder zum Sagenhostetli oder zur Sägerei in der Mühli floss.15Mündlich von Willi Dettling, Mühli
In der Niedermatt lag ein Ablagerungsplatz, auf dem man Brennholz für das Bürgerheim in der Au in Steinen lagerte.16Mündlich von Willi Dettling, Mühli
Landwirtschaftliche Anekdoten
Vieh- und Pferdehaltung
Bereits vom August 1795 existiert eine Viehliste für Lauerz und Buosigen. Damals zählte man im ganzen Gebiet 194 Kühe, 102 Zeitrinder, 110 Maisrinder, 126 Jährlinge, 170 Schafe, 218 Geissen und 17 Schweine.17STASZ, HA.IV.227.006, Nr. 27
Insgesamt gab es 79 Männer in Lauerz und Buosigen, welche mindestens ein Stück Vieh, sei es ein Rind, ein Schaf oder eine Geiss, besassen. Die meisten davon (58 Personen) waren Kleinbauern mit weniger als 10 Häuptern Rindvieh oder nur Kleinvieh. Abgesehen von 7 Personen, welche nur Kleinvieh besassen, hatten jedoch fast alle mindestens eine Kuh, dazu oftmals noch Jährlinge und Rinder. Auch Gewerbetreibende hielten nebenbei einige Tiere. Zum Beispiel der Müller Anton Dettling (Vorfahre der Mühli-Dettling). Dieser besass 6 Häupter Rindvieh (davon 2 Kühe), 3 Schafe und ein Schwein.
Dann gab es 18 Männer mit einem «mittleren» Viehbestand, welche zwischen 10 und 20 Häupter Rindvieh besassen, meistens nicht mehr als 15 Stück. Schliesslich existierten auch drei Grossbauern mit hohem Viehbestand, wie der Kirchenvogt Melchior Eberhard mit 21 Stück Rindvieh (davon 15 Kühe). Er bewirtschaftete unter anderem die untere und obere Lediweid18Karte: Zay, Fidel: Bergsturz von Goldau. [1806]. Zentralbibliothek Zürich, MK 2138 https://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15748 / Public Domain Mark. Ein Josef Blaser mit 22 Stück (davon 5 Kühe und 7 Kälber) und ein Josef Franz Kamer mit 27 Stück (davon 20 Kühe). Bei letzteren sind die Heimwesen nicht bekannt.
Die grösseren Kleinviehbesitzer waren ein Jakob Lienhard Annen (evtl. Lauiberg19STASZ, HA.III.150, S. 149) mit 30 Schafen. Ein Josef Flecklin (gest. 16.02.180020Pfarrarchiv, Sterbebuch, Jahreszahl 1800) mit 21 Geissen, vermutlich wohnhaft oberhalb der Huelen. Anton Meyer vom Otten21Geschichtskalender, 1907/21, 03.04.1810 mit 20 Geissen. Ein Josef Martin Beeler mit 21 Geissen und ein Plätzi Ott mit sogar 40 Geissen.
Im September 1859 wurde wieder eine Viehzählung vorgenommen. Dieses Mal wurde Lauerz jedoch nicht zusammen mit Buosigen gezählt, deshalb ergaben sich kleinere Viehbestände:
3 Pferde, 2 Stiere, 1 Zwick, 116 Kühe, 46 trächtige Rinder, 63 Meissrinder, 50 Jährlinge, 65 Kälber, 53 Schafe, 52 Ziegen und 20 Schweine.22Alois Dettling, Geschichtskalender, 1909/57
Viehseuchen sind für Lauerz im 18. Jahrhundert schriftlich belegt (bereits früher wird es sie gegeben haben, ohne dass sie aufgezeichnet wurden). Ein erstes Mal berichtet eine Notiz im Jahr 1713 davon. Dort heisst es, dass ein Hans Caspar Ehrler, Dominik von Rickenbach und Hans Balz Kamer mit Vieh nach Italien gezogen waren, wo sich das Vieh mit einer Seuche ansteckte und grösstenteils verendete. Man fürchtete damals, dass diese drei Männer die Seuche mit ihren Kleidern ins Land Schwyz heimbringen konnten, deshalb wurde den Ratsherren zu Steinen, Steinerberg und Lauerz auferlegt, diesen drei Männer zu befehlen, ihre Kleider «stark zu bereuken» oder gar zu verbrennen.23STASZ, HA.III.60, S. 87
Im Jahr 1750 grassierte ein starke Viehseuche im Land Schwyz. Alles kranke Vieh sollte totgeschlagen werden. Für jedes totgeschlagene Kuhesset wurden 12 Kronen bezahlt. Fleisch und Haut konnten vom Bauern behalten werden, die Eingeweide hatte er wegzuwerfen. Bauern, die ihr krankes Vieh nicht totschlagen wollten, konnten es in ihrem Eigen einzäunen, sodass den Nachbarn keinen Schaden entstehen konnte. Sollte das Vieh des Nachbarn trotzdem angesteckt werden, hatte der Verursacher dem Geschädigten alles kranke Vieh zu ersetzen bzw. zu bezahlen. Der zuständige Metzger in Lauerz war damals ein Stoffel von Euw.24STASZ, HA.III.80, S. 226
Sanitätsscheine für das Vieh kannte man bereits im 18. Jahrhundert. Dem Jakob Felder, Martin Biser und Ratsherr Dettling von Lauerz wurden im März 1768 bewilligt, gesundes Vieh mit Sanitätsschein unter die Hirtung zu nehmen.25STASZ, HA.III.250, S. 159
Die Pferdehaltung und besonders die Pferdezucht war in Innerschwyz früher stärker verbreitet als heute. Die Absatzmärkte der innerschweizerischen Pferdezucht lagen im Unterland und in der Lombardei, wo es eine gehobene Käuferschicht gab.26Glauser, Fritz, Von alpiner Landwirtschaft beidseits des St. Gotthards 1000-1350, Geschichtsfreund, 1988, S. 154-156 Die Pferdezucht spielte im Kanton Schwyz noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine gewisse Rolle.27Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, S. 127 Danach nahm ihre Bedeutung stark ab. Bereits im Jahr 1859 hatte es in Lauerz nur noch drei Pferde (s. oben).
Der Lauerzer Flurname Sälenstücki (heute Grosshus) könnte auf eine ehemalige Weide für Zuchthengste hinweisen.28Viktor Weibel, Namenbuch, Band 5, S. «Säl» ist das schweizerdeutsche Wort für einen Zuchthengst. Gemäss einem Geldruf vom Januar 1807 gehörte zum Sälenstücki auch eine Pferdeweide.29STASZ, HA.IV.211.014, Nr. 141 Das Rossmattli muss früher ebenfalls für die Beweidung mit Pferden genutzt worden sein. Dem Lauerzer Sigrist Melchior Dettling gehörte vor 1807 eine Pferdeweide und ein Pferdestall.30STASZ, HA.IV.211.014, Nr. 142 Pferde sind auch auf den Lauerzer Alpen nachgewiesen.31Verzeichnis, S. 116 Bereits im Jahr 1339 wird ein Rosspferch auf der Alp Egg erwähnt.32QW, Abt. I, Band 3, Nr. 274 (S. 182) und STASZ HA.II.113 In Buosigen muss es früher ebenfalls einige Pferde gegeben haben. Aus einem Ratsprotokoll von 1783 geht hervor, dass sich die Lauerzer wegen den Buosigern beschwert hatten, weil letztere die Allmeindalp Gurgen mit Pferden befahren wollten.33STASZ, HA.III.115, S. 245 Auch die Arther hatten sich bereits 1768 wegen den Buosigern beschwert, weil diese mit Pferden auf die Rigi auffuhren, ohne eine Auflage zu bezahlen.34STASZ, HA.III.250, S. 154
Eine verbreitete Speise im Kanton Schwyz war noch im 18. Jahrhundert der Ziger, der heute vollständig vom Hartkäse verdrängt wurde. Ein Landstück mit Namen «Zigerli» gab es in Lauerz zwischen dem Rossmattli und der Ledi. Möglicherweise hängt der Name mit der Herstellung von Ziger zusammen.
Der Ziger wurde im Land Schwyz aus fetter (Bratziger) und magerer Milch (Sommerziger) gefertigt, zudem gab es für die ärmeren Schichte noch einen Ziger aus Molke, die nach der Käseherstellung zurückblieb.35Carl Zay, Goldau, S. 338 Grundbestandteil des Zigers ist Molke (in der Mundart: Sirte), die mit wenig Säure vermischt und erhitzt wird, wodurch das Eiweiss gerinnt. Das geronnene Milcheiweiss wird von der Flüssigkeit getrennt, in eine Form gepresst und abgetropft. Die Lagerfähigkeit des Zigers war beschränkt, weshalb er innerhalb weniger Tage frisch verzehrt werden musste.
Streue aus dem Sägel
Bereits in früherer Zeit nutzen man das Riedgras im Sägel für Streue. Der Arther Carl Zay, berichtet uns vor 200 Jahren, dass im Herbst, bei trockenem Wetter, das Gras abgemäht und auf Tristen geschichtet wurde. Im Winter, wenn das Wasser im Sägel gefroren war, holte man die Streue mit Schlitten, bei Tauwetter auch mit Karren und führte die Streue in die Ställe. Mit dem Mist des Viehs vermengt, ergab sich ein guter Dünger, der im Frühjahr auf die Matten verteilt wurde. Der Sägel war als Streuelieferant begehrt und deshalb schon vor 200 Jahren in kleine Parzellen unterteilt, für die ein hoher Preis bezahlt wurde.36Carl Zay, Goldau, S. 135-136
Ackerbau
Da heute in Innerschwyz fast ausschliesslich Graswirtschaft betrieben wird, überrascht es, dass es mindestens seit dem 12. Jahrhundert auch Ackerflächen gab.37Fritz Glauser, Alpine Landwirtschaft, S. 76 Die Bedeutung der Graswirtschaft erlangte der Ackerbau im Land Schwyz allerdings nie. Er war besonders zur Selbstversorgung der Bauernfamilien wichtig, die neben ihrem Haus ein Plätzchen für das «Chorä» eingefriedet hatten.38Dominik Flammer, Sylvan Müller, Gemüsegärten, S. 17 Mit Korn war hauptsächlich Dinkel, Gerste oder Roggen gemeint. Auch Hafer und Hirse wurden als Sommergetreide angebaut, letzteres insbesondere in Höhenlagen.39Werner Röllin, Aspekte, S. 82 In unserer niederschlagsreichen Gegend wurde hauptsächlich die Egertenwirtschaft betrieben. Dazu wurde ein Feld aufgebrochen, angesät und Spätsommer abgeerntet. Nach der Ernte wurde das Feld dem Graswuchs überlassen. Bei Bedarf wurde im nächsten Jahr ein neues Feld für das Getreide aufgebrochen.
Flurnamen welche auf -acher enden, weisen auf ehemaliges Ackerland hin. Auch Namen mit der Endung -feld deuten in diese Richtung. In Lauerz gibt es das Heimwesen «Feld» südwestlich der Pfarrkirche. Möglicherweise baute man dort in früherer Zeit Getreide oder Gemüse an. Ein Grundstück namens Feldli gab es auch im vom Bergsturz verschütteten Unter-Buosigen.40Carl Zay, Goldau, S. 370 Ebenfalls in Unter-Buosigen pflanzte eine Familie Kamer im Heimwesen Höfli, wohl zum Eigenbedarf, Korn an.41Carl Zay, Goldau, S. 370. Zay erwähnt, dass die Frau mit dem Schneiden von Korn beschäftigt war, als der Bergsturz sie überraschte. Eine abgerundete Eisenplatte wurde im Burginnern der Schwanau gefunden. Sie könnte von einer Pflugschar stammen.42Objektliste Schwanau im Schweizerischen Landesmuseum, Inventarnummer LM-84513.1-3 Nach dem Bergsturz, im Jahr 1807 versuchte man in Lauerz Sommerkorn, Gerste und anderes Getreide anzubauen. Dies scheiterte jedoch an der vom Bergsturz im Vorjahr angeschwemmten Torf- und Lehmschicht.43Carl Zay, Goldau, S. 321
Auf der Liegenschaft Mühle an der heutigen Seestrasse stand einst eine Getreidemühle. Im Jahr 1599 wird einem Jost Deck erlaubt, die Mühle in Lauerz zu kaufen.44STASZ, HA.III.10, S. 90 Eine Bäckerei in Lauerz wurde bereits im Jahr 1626 erwähnt. Damals wurde dem Lauerzer Müller namens Jakob Kessler von der Schwyzer Obrigkeit erlaubt, Brot für den Verkauf zu backen. Voraussetzung sei aber, dass es zu keinen Klagen wegen seines Brotes komme.45STASZ, HA.III.15, S. 38 Im Jahr 1658 wird ein Melchior Marty als Müller von Lauerz genannt.46STASZ, HA.III.25, S. 115
Aus Hanf wurden früher Stricke und Tücher gefertigt. Dazu musste der Hanf gebrochen werden, das heisst, den wertvollen Bast von den Holzteilen getrennt werden. Vom Hanf-Brechen in Lauerz wissen wir auf Grund der Aufzeichnungen vom Bergsturz von 1806. Am Unglückstag war im Haus Mühli der Kirchenvogt Anton Blaser (64 Jahre) damit beschäftigt, Hanf zu brechen, als ihn die Flutwelle überraschte und tötete.47Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112 Das Hanf-Brechen konnte sitzend, an einem dafür angefertigten Holzbock ausgeübt werden, weshalb sich oftmals alte Leute dieser Arbeit annahmen. Hanfpflanzen wurden damals im Bauerngarten gezogen. Zu Rauchzwecken wurde der Hanf nicht verwendet.
Das ehemalige Grundstück namens Hirschler, das sich in Lauerz oberhalb des Heimwesen Ried befand, könnte auf einen Anbau von Hirse hindeuten.48Viktor Weibel, Namenbuch, Band 3, S. 32 Hirsebrei (= Hirse mit Milch vermengt) war im Mittelalter ein wichtiges Nahrungsmittel von breiten Bevölkerungsschichten.
Gemüse und Schnecken
Für den Gemüsebau waren lange Zeit Kohl und Rüben am häufigsten verbreitet. In den Bauerngärten des Alten Landes Schwyz fanden sich ansonsten noch nicht viele Gemüsearten. Angebaut wurde unter anderem Krautstiel (Mangold), Trockenerbsen (bspw. rotschalige Kapuzinererbsen), Ackerbohnen, sowie die zum Kochen unentbehrliche Zwiebel und der Knoblauch, nebst einigen Küchenkräutern.49Dominik Flammer, Sylvan Müller, Gemüsegärten, S. 17 Bei der Stiftung Pro Specie Rara, die sich unter anderem um den Erhalt von alten Obst- und Gemüsesorten kümmert, existiert eine Sorte der Gartenmelde, die wohl aus Lauerz stammt.50Pro Specie Rara, Gemüse, Garten-Melde, Lauerz, Code: GE-912
Wie noch heute in Frankreich üblich, ass man auch bei uns früher Gehäuseschnecken. Ein erster Beleg aus Lauerz gibt es aus dem Jahr 1783, wo ein Josef Martin Felchlin in Lauerz verkünden lässt, dass das «Schnäggen» auf seiner Weid bei Strafe verboten sei.51STASZ, HA.III.115, S. 246
Obst
Für die mittelalterliche Urschweiz des 12. Jahrhunderts ist bekannt, dass Fruchtbäume «überall» angepflanzt wurden; «seien es Kirschbäume, seien es Apfelbäume».52Fritz Glauser, Alpine Landwirtschaft, S. 149 Mit dem Rückgang des Getreidebaus, erhielt der Obstbau eine zunehmende Bedeutung bei der Selbstversorgung.
Wie noch vor einigen Jahrzehnten bei den Bauern üblich, holten diese für die Pflanzung eines Obstbaumes ein junges, wild gekeimtes Obstbäumchen aus einem nahen Wald und zwyten auf dieses die gewünschte Kultursorte. Wildbeeren und Haselnüsse holte man sich meist von wildwachsenden Pflanzen im Wald oder in Hecken.53Werner Meyer, Hirsebrei, S. 57 Bereits im Jahr 144254Kothing, Landbuch, S. 207 erliessen die Schwyzer eine Baumverordnung die mindestens bis ins 17. Jahrhundert Bestand hatte. Darin wurden alle Nussbäume, Kirschbäume, Apfel- und Birnbäume gebannt, die auf Allmendland und an der Landesgrenze standen. Bei Strafe durften diese weder angehauen, geschweige denn gefällt werden. Erstaunlicherweise beschloss im Jahr 1530 die Landsgemeinde, dass das Ernten von Kirschen auf Allmendland sowohl Reichen und Armen im ganzen Land Schwyz erlaubt sein solle.55Kothing, Landbuch, S. 87. Wenn ein Eigentümer an einen Kirschbaum aber Dornen hänge, dessen Baum dürfe man nicht ernten. Wer an einem solchen Baum trotzdem ernte, mache sich des Diebstahls schuldig. Das Chriesnen sei seit alters her ein «fry gemein», also ein Gemeinrecht aller Landleute, und das solle es auch bleiben. Mit diesem Gemeinrecht auf Kirschen, besonders für die Armen, wollte man die Selbstversorgung zur Zeit der Reformationskriege sicherstellen.
Lauerz wurde auf alten Zeichnungen stets mit einem dichten Obstbaumbestand gemalt. Das Dorf scheint in einem Hain von Obstbäumen zu versinken. Auffallend ist jeweils, dass die Eingangsstrasse ins Dorf mit einer Baumalee gesäumt war. Sie war unter anderem mit Obstbäumen bestückt56STASZ, HA.III.20, S. 134, die nicht nur zur Zierde, sondern auch als Nahrungsquelle genutzt wurden. Zudem beschatteten sie die viel begangene Landstrasse während dem Sommer, was die Reisenden wohl zu schätzen wussten.
Sowohl inländische, als auch ausländische Beobachter berichteten einhellig von der anmutigen Gegend von Lauerz mit den vielen Obstbäumen:
Der Schwyzer Thomas Fassbind schreibt um 1800:
«Unterhalb des Bergleins, das sich am Fuss des Büelerbergs, am Otten, erhebt und ganz mit Wald bewachsen ist, sind mehrere Bauernhäuser der Strasse nach. Ebenso durch den Berg auf bis zum Dorf Lowerz, wo eine Kirche steht mit einigen 20 Häusern, Gäden etc. In dem schönsten Wiesland, das mit reichen Obstbäumen pranget.»57Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 1, fol 164 v
Der Arther Carl Zay erinnerte sich an Buosigen und Lauerz, wie es vor dem Bergsturz ausgesehen hatte:
«Von einer Anhöhe stieg der Fussweg nach der kleinen Dorfschaft Busingen und seinem Thale hin. Der Anblick der schönsten Fluren mit schwelgerischem Gras bewachsen, mit fruchtbaren Bäumen übersät, mit neueren Häuser oder ländlichen älteren Hütten belebt, ergötzte im lachenden Tal das Auge des wandernden Beobachters; und unter diesem süssen Genuss trat er endlich ins Dorf zu Lowerz ein.»58Carl Zay, Goldau, S. 108 -109
«Besonders schön und anmutig enthüllte hier ihre angenehme Lage und Dasein, die im Schatten vieler Bäume friedlich ruhende Pfarrkirche von Lowerz, samt ihrem eben so glücklich zur Hälfte verborgenem Dorfe, über welches immer mehr und mehr sich erhebende Fluren, mit der erquickenden Grüne des fettesten Grases pragend, so anmutsvoll bis an den wilden Fuss des Berges ansteigend.»59Carl Zay, Goldau, S. 107
Der Helvetische Almanach beschreibt die Route von Goldau nach Lauerz vor dem Bergsturz wie folgt:
«Im Anblick dieses kleinen Landhauses [Gruwi bei Goldau] stieg der Wanderer südlich den Hügel hinab, in das hier allmälig sich erweiternde Thal nach Busingen, und dann in das von Bäumen halb versteckte Pfarrdorf Lauwerz, dessen braune Hütten, von Weinreben umrankt, dem Maler die Menge arkadischer Szenen in der schönsten Mannigfaltigkeit darstellten.»60Helvetischer Almanach von 1807, S. 138
«Häuser und Scheunen waren meistens gut ausgebaut und wohl unterhalten; die Höfe rings umher sah man mit dem schönsten Obst aller Gattung vollgepflanzt. Viehzucht und Sennery, als der eigentliche Beruf des dortigen Volkes, hatten hauptsächlich seine Wohlhabenheit befördert. An Hausgerätschaften zum Nutzen, und selbst zu bescheidener Zierde, zeichneten sich diese Leute vor anderen Gemeinden aus.»61Helvetischer Almanach von 1807, S. 139
Die Deutsche Frederike Brun berichtet um 1800 über die Gegend von Lauerz und Goldau:
«Hier bewunderten wir wieder die üppige Fülle der Vegetation, in den mannigfaltigen schönen Pflanzen am Wege, und im freudigen Wuchse der Obstbäume. Nuss-, Birnen- und Kirschbäume, welche die Grösse von Waldbäumen hatten, beschatteten unsern Weg. Besonders war um das Dorf Lauwerz her ein wahrer Segen der Natur.»62Brun, Friederike: Prosaische Schriften : mit Kupfern. Zürich : bey Orell, Füssli und Compagnie, 1799-1801. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 10644, https://doi.org/10.3931/e-rara-94457 / Public Domain Mark, S. 113 – 115
Ein Basler Pfarrer schreibt 1827 ohne Schwärmerei über Lauerz:
«Seine Lage zwischen Arth und Schwyz, in einem schönen, an wiesen- und obstreichen Gelände, in dessen Umfang sich auch Eisenerz befindet, ist einladend […]»
Ein Kuriosum findet sich in einem deutschen Reisebeschrieb aus dem Jahr 1823. Dort steht: «An den Ufern des Lauerzersee in dem Dorfe, das ihm den Nahmen gibt, sind die Hütten mit Weinreben gedeckt, und stehen noch die Ruinen eines Klosters, das von einer Feuersbrunst zerstört wurde.»63Georg Bernhard Depping, Die Schweiz, S. 34 Der deutsche Berichterstatter hatte vielleicht das Dorf Steinen vor Augen, wo einst das Kloster Au stand. Vielleicht ist die Erwähnung von Weinreben auch nur reiner Fantasie entsprungen. Trotzdem könnte es sein, dass vor rund 200 Jahren in Lauerz an einigen Häusern Reben gezogen wurden. Der Helvetische Almanach berichtet von Lauerz «dessen braune Hütten, von Weinreben umrankt»64Helvetischer Almanach von 1807, S. 138 seien. Auch der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind, sowie der deutsche Reisende Heinrich Reichard65Heinrich August Ottokar Reichard, Malerische Reise durch einen grossen Theil der Schweiz vor und nach der Revolution : Mit spätern Nachträgen und Zusätzen, Hennings, Gotha (1827), S. 110 – 113 wussten von Weinreben an der Eremitenklause auf der kleinen Insel Schwanau zu berichten.
Im 19. und Anfangs 20. Jahrhundert begann sich der Obstbau in der Innerschweiz stärker auszubreiten, weil sich Obstmost und Branntwein wachsender Beliebtheit erfreuten.66Walter Schlegel, Weinbau, S. 67 Die Wiesen mit Hochstammbäumen liessen sich damals gut mit Gras-Unterbau für das Vieh kombinieren. Im 19. Jahrhundert soll es im Bezirk Schwyz ganze Waldungen mit Obstbäumen gegeben haben. Zudem dörrte ein jeder Schwyzer Bauer so viel Obst, dass er den ganzen Winter genügend hatte.67Meyer von Knonau, Gemälde, S. 131 Damit konnten Missernten und Hungersnöte abgemildert werden. Viele historische Kernobstsorten eignen sich deshalb vorzüglich zum Dörren, z.B. die Heulampen und Hüngler, beides Birnensorten die auch in Lauerz im Jahr 1886 belegt sind.68Karl Styger, Obstausstellung, S. 32 Die Lauerzer Bauern K. Inderbitzin und M. Müller (Adler) stellten damals ihre Früchte an der Obstausstellung in Schwyz aus. Bei den Äpfeln wurden die Sorten Danziger Kantapfel69Karl Styger, Obstausstellung, S. 38 (Tafelapfel) und Zuger Haldenapfel70Karl Styger, Obstausstellung, S. 42 (Wirtschaftsapfel) von den beiden Lauerzern eingereicht. Im ganzen Bezirk Schwyz verbreitet war die Sorte Ahuser.71Karl Styger, Obstausstellung, S. 42 Auch die Apfelsorten Breitacher72David Szalatnay et. al., Früchte, Beeren, Nüsse, S. 112 und Leuenapfel73David Szalatnay et. al., Früchte, Beeren, Nüsse, S. 246 stammen wohl aus dem Kanton Schwyz. In Lauerz wird noch manch andere Sorte im Jahr 1886 gestanden haben, aber die Belege hierzu fehlen uns leider.
Die erste Obstbaumzählung aus Lauerz stammt aus dem Jahr 1929. Damals waren die Birnbäume mit rund 1’300 Hochstammbäumen am stärksten vertreten, gefolgt von den Kirschbäumen mit rund 900 Stück. Apfelbäume standen rund 700 Stück in unserer Gemeinde, Nussbäume rund 120 Stück. Bei den Birnen setzte man vor allem auf Mostbirnen. Bemerkenswert ist, dass sonnenliebende Gewächse wie Aprikosen und Pfirsichbäume sogar als Hochstammbäume vorhanden waren, insgesamt aber nur 5 Stück. Die Anzahl Obstbäume nahm bis 1951 um ganze 2’000 Bäume zu. Besonders Apfelbäume, Kirschbäume und Nussbäume wurden damals vermehrt angepflanzt. Bei fast allen Obstarten, ausser den Birnen, verdoppelte sich die Anzahl Bäume innerhalb von dreissig Jahren. Diese starke Zunahme dürfte auch auf die Kriegszeit zurückzuführen sein, als die Selbstversorgung eine grosse Rolle spielte. Mit rund 5’000 Obstbäumen in Lauerz war 1951 die Höchstzahl erreicht. Die Kirschbäume waren damals mit 1’752 Bäumen am häufigsten vertreten. Zu dieser Zeit hatte Lauerz rund 10 Mal mehr Obstbäume, als Einwohner. Ab 1951 reduzierten sich die Bestände drastisch. Weil der Bund den Alkoholkonsum eindämmen wollte, bezahlte er bis 1981 den Bauern Rodungsprämien für jeden gefällten Hochstammbaum. Unter anderem durch diese Massnahme gingen die Obstbaumbestände bis 1981 auf weniger als die Hälfte zurück. Weitere Gründe für diesen Niedergang waren die gestiegenen Arbeitskosten bei der Lese von Obst und die Einfuhr von billigeren Früchten aus dem Ausland, aber auch der Einsatz von grösseren Traktoren und Maschinen, denen die Bäume im Weg standen. Ab 1999 wurden insbesondere die Kirschbäume stark dezimiert. Dies insbesondere auf Grund der vom Bund reduzierten Alkoholsteuer auf importierte Spirituosen und gleichzeitiger Erhöhung derselben Steuer auf einheimische Brände. Schweizer Brennobst wurden damit im Vergleich zu den importierten ausländischen Früchten sehr teuer, weshalb die Kirschbäume an Wert einbüssten und sukzessive gefällt wurden.74Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 75 Zudem haben in den letzten Jahren neue Schädlinge dem Kirschanbau stark zugesetzt, insbesondere die aus Südostasien stammende Kirschessigfliege (Drosophila suzukii).
Im folgenden eine Übersicht über die Anzahl Obstbäume in Lauerz in den Jahren 192975Eidgenössisches Statistisches Amt, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 4, Ergebnisse der Schweizerischen Obstbaumzählung 1929, S. 32, 195176Eidgenössisches Statistisches Amt, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 250, Der Schweizerische Obstbaumbestand, 1951, S. 81, 198177Eidgenössisches Statistisches Amt / Eidgenössische Alkoholverwaltung, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 747, Der schweizerische Obstbaumbestand 1981, S. 106 und 200178Eidg. Obstbaumzählung 2001: Kanton Schwyz, Bundesamt für Statistik, 2010 Neuchâtel, per E-Mail an Verfasser von agrar@bsf.admin.ch am 08.08.2022.. Für das Jahr 2001 wurden nur die Bäume der landwirtschaftlichen Betriebe gezählt, keine Bäume von Privaten und Hobbybetrieben.
Äpfel
Birnen
Quitten
Kirschen
Aprikosen / Pfirsiche
Nussbäume
Total
1929
702
1346
99
911
5
124
3288
1951
1418
1664
4
1752
10
244
5417
1981
563
702
2
1098
1
107
2683
2001
332
325
7
570
2
121
1497
Die Krischensorte «Lauerzer»
In der Schweiz sind über 350 einheimische, traditionelle Kirschsorten bekannt.79Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 54 Das ist eine enorme Vielfalt für diesen kleinen Raum und wohlmöglich einmalig in der Welt. Innerhalb der Schweiz weist die Innerschweiz, insbesondere die Kantone Zug und Schwyz, eine grosse Zahl an einheimischen Kirschsorten auf. Die Kirschenkultur ist in der Region Rigi-Zug nachweisbar mindestens 600 Jahre alt.80Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 58 Funde von Kirschsteinen in Zug, die aus der Römerzeit stammen, könnten darauf hindeuten, dass sie noch bedeutend älter ist.81Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 95
Das Gebiet um den Lauerzersee war noch vor rund 70 Jahren ein ausgesprochenes «Chriesiland». Über das Chriesnen in Lauerz berichtet Wili Dettling, Mühli, wie folgt: «Willkommen war der Nebenverdienst (des Chriesnens) zwischen dem Heuet und dem Emdet. Aus dieser Zeit erzählt man man immer noch vom «Chrieäsnä», vom Stellen langer Leitern und wo es gute Kost gegeben hat. Oft waren es 20 bis 30 Personen, welche die Bäuerin verpflegen musste. Man war oft vom Morgengrauen bis weit in die Abenddämmerung in den Bäumen. Erst wenn sommerliche Regengüsse die Leute unters Dach sprengten, hatte man Zeit zum Zusammensitzen. Mit Wehmut denkt man heute noch an diese Zeit, an die spärlichen und gemütlichen Stunden. Es wurde erzählt und gesungen. «Handörgeler» holten unverhofft ihre Instrumente aus ihrem Versteck. […] Die Holzleitern, die Kaspar Fassbind auf dem damaligen Pausenplatz der Buben, neben Ehrlers Haus, anfertigte, waren die Besten im Land. Den Rohstoff las er selbst in den nahen und entfernten Wäldern aus. Die Sprossen (Seigel) waren nicht maschinell gefertigt, denn er «schnetzte» diese dem Faserverlauf entlang. Überhaupt erzielte er mit wenig Holz leichte und stabile Leitern.»82Willi Dettling, Lauerz, S. 15 – 16
Nach gängiger Überlieferung ist die Kirschreife im Dorf Lauerz erreicht, wenn das letzte Schneefeld unterhalb der Hochflue geschmolzen ist.83Mitteilung von Toni Dettling alias «Gütsch Toni»
Unsere Region ist vor allem für Brennkirschen bekannt. Eine der bekanntesten Sorten ist dabei die «Lauerzer», die man auch als Rigikirsche kennt. Ihr hoher Zuckergehalt und das würzige Aroma ergeben einen hochwertigen Edelbrand.
In der Innerschweiz ist die Sorte Lauerzer noch häufig anzutreffen.84ro Specie Rara, Apfel-, Birnen-, Kirschen und Pflaumen- bzw. Zwetschgensorten / Region Innerschweiz, Version 05.03.2013, S. 3 In den 1930er Jahren war sie die wohl häufigste aller schweizerischen Kirschsorten.85Fritz Kobel, Kirschsorten, S. 177
Auf Grund des Namens darf angenommen werden, dass die Kirschsorte ursprünglich aus Lauerz stammte. Viele alte Kirschsorten wurden nämlich nach ihrem Herkunftsort benannt.86Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 52
Eine Notiz aus dem Jahr 1857 erwähnt, dass in Lauerz 4’600 Mass (= rund 7’000 Liter87Konkordat von 1838: 100 Mass = 150 Liter) Kirchwasser destilliert wurden.88Schwyzer Geschichtskalender, 1905/11 Im gesamten Bezirk Schwyz waren es 58’000 Mass. Der grösste Teil davon wurde ausserhalb des Kantons verkauft; in die Westschweiz, nach Frankreich und Italien.89Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 160
Edelkastanien
Die Edelkastanie ist eine Baumart, die wir normalerweise mit der Alpensüdseite, insbesondere mit dem Tessin, in Verbindung bringen. Aber auch rund um die innerschweizerischen Seen wuchsen einst viele Kastanienbäume, deren Früchte für viele Familien als Nahrung in den Wintermonaten dienten.90Max Fumasoli, Schwyz Porträt, S. 20 – 21 Aus einem Einkünfterödel des Klosters Einsiedeln sind Maroni bereits für das Jahr 1330 in Schönenbuch (Schwyz) belegt.91Ernst Furrer, Kastanienkultur S. 7 – 12
Die erste Erwähnung von Kastanien in Lauerz stammt aus dem Jahr 1900, wo auf einer Karte einige Kastanienbäume rund um den Weidstein bis Chlostermatt eingezeichnet wurden.92Arnold Engeler, Die edle Kastanie in der Centralschweiz, in Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Jahrgang 51 (1900), Heft Nr. 3, S. 60 Der Botaniker Ernst Furrer führte anschliessend in den Jahren 1953 – 1957 eine umfangreiche Untersuchung über die Bestände von Edelkastanien in der Innerschweiz durch. In Lauerz standen damals noch mindestens 60 Edelkastanien, die meisten davon südlich und westlich vom Weidstein.93Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, S. 139
Die Kastanienbestände am Weidstein sind heute um einiges kleiner. Die Bäume gedeihen dort vorwiegend auf dem kalkarmen Moränenschotter. Ein weiterer, kleinerer Bestand an Kastanienbäumen lag gemäss Ernst Furrer am Lauerzerberg auf ca. 600 m. ü. M. Diese Bäume wurde aber spätestens in den 1950er Jahren wegen geringen Erträgen gefällt. Weitere Bäume dürften auf mehreren Wiesen von Lauerz bis nach Buosigen gestanden haben.94Mündliche Auskunft von Felix Bürgi, Mühli. Dafür spricht auch, dass sich eine Seitenmoräne des Reussgletschers von Lauerz bis nach Buosigen zieht. Als «Chestänäigel» wurde in Lauerz das Plöder am Greiflet zu Dreikönigen bezeichnet.
Der Edelkastanie behagt in den Seegebieten der Innerschweiz vor allem das milde Kilma und die wenigen Frost- und Nebeltage im Herbst. Sie gedeiht in unserer Region nur auf tiefgründigen, mittelfeuchten und kalkarmen Standorten zufriedenstellend.95Furrer, Edelkastanien Innerschweiz: S. 99 Dies ist zumeist auf Moränenschotter des ehemaligen Reussgletschers der Fall, der hautpsächlich aus Kristallingestein besteht (Gneis, Granit). Die Wurzeln der Kastanie sind bodenstabilisierend und können der Bodenerosion an Hängen entgegen wirken. Zudem verträgt die Kastanie Föhnstürme besser als andere Baumarten.
Die Kastanienhaine in der Innerschweiz wurden mit grosser Wahrscheinlichkeit von Menschenhand ab dem Mittelalter angelegt. Die Edelkastanie ist nämlich der Ausbreitungskraft der einheimischen Baumarten nicht gewachsen und bedarf deshalb der Pflege des Menschen.96Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, 111
Die Haine wurden während dem Sommer als Viehweide genutzt. Vor dem ersten Schneefall und Frost wurden die Früchte von den Bäumen geschlagen, aus den stacheligen «Igeln» befreit, eingelagert und bis Ende Winter verspeist.97Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, 136 Im Tessin konnte ein ausgewachsener Kastanienbaum den Nahrungsbedarf einer Person über den Winter decken. In der Innerschweiz waren solche Mengen an Früchten vermutlich nicht möglich, weshalb der Ertrag von zwei Bäumen dafür benötigt wurde.
Wilfried Annen von der Klostermatt erinnert sich an die Edelkastanien in Lauerz. Er hatte selber noch einen Baum auf seinem Grundstück. Der grosse Nachteil der Edelkastanie für die Bauern seien die stacheligen Schalen, welche das Vieh an Mund und Euter verletzen können. Deshalb waren die Bäume nicht immer gern gesehen und wurden auf einem unpassendem Standort mit der Zeit gefällt.98Mündliche Auskunft von Wilfried Annen, Chlostermatt
Fischfang im Lauerzersee
Bereits die ersten Lauerzer Siedler werden im Lauerzersee ihre Fische gefangen haben. Die erste schriftliche Nachricht vom Fischfang im Lauerzersee stammt aber vom März 1605.99STASZ, HA.III.10, S. 138 Damals wurde verboten „ein Garen im Louwertz See“ zu ziehen. Das heisst, mit Netzen zu fischen. Im Jahr 1606 wird dies zwei Fischern aber wieder erlaubt.100STASZ, HA.III.10, S. 149 Einer davon hiess Konrad Stadler und begehrte im Jahr 1628 ein «Garnhüsslin» neben dem Lauerzersee bauen zu dürfen.101STASZ, HA.III.15, S. 124 Damit war wohl eine Hütte gemeint, wo die Fischernetze angefertigt und aufgehängt werden konnten. Eine Verodnung wollte auch, dass man die „Flienggen“ (=Ruchfische, Weissfische) wieder ins Wasser warf und stattdessen auf Karpen und aller Arten Raubfische gefischt wurde.102STASZ, HA.III.50, S. 53 Im Jahr 1680 verbot man Fischern aus Tuggen den Fischfang am Lauerzersee. Stattdessen gestattete man den Schwyzer Landleuten das Fangen von Karpfen mit Netzen im Lauerzersee. Verbreitete, aber illegale Fangmethoden, waren damals das Fischen mit Wehren, mit Fächern (=Feumern) und Bären (=mit Holz abgesteckte Fallen im Uferbereich), mit Rüschen (=Körben) und Tötschen (=lange Stecken, mit denen die Fische aus ihren Verstecken in die Falle gedrängt wurden).103STASZ.HA.III.10, S. 138 und STASZ, HA.III.275, S. 16 Mit Bären wurde noch bis ins letzte Jahrhundert gefischt. Die Stecken sägte man meist von frischen Tannästen ab und steckte sie im Flachwasser Reihe an Reihe in den Seegrund, sodass sich eine kreis- oder halbrunde Falle mit einer kleinen Öffnung ergab. Wenn genug Fische in der Falle waren, holte man sie mit Feumern aus dem Wasser.
Nicht nur im See, sondern auch in in den Fliessgewässern der Muota und Seeweren wurde mit diesen Methoden gefischt. Im Jahr 1693 beschloss deshalb die Schwyzer Landsgemeinde, dass in allen Gewässer nur noch mit der Angel gefischt werden dürfe.104STASZ, HA.III.275, S. 16 Im Jahr 1786 lockerte man diese Vorschrift dahingehend, dass nun wieder mit Netzen und Bären gefischt werden durfte, aber nicht während der Laichzeit.105STASZ, HA.III.125, S. 27 Da die Gewässer und Fische ein Gemeingut waren, war die Landsgemeinde bestrebt, die Fischbestände langfristig zu erhalten und verbot deshalb bestandsgefährdende Fangmethoden. Der Fischreichtum in den Innerschweizer Gewässern war auch dank diesen Schutzbestimmungen so gross, dass Fische ein bedeutendes Nahrungsmittel der Einheimischen waren.106Werner Röllin, Aspekte, S. 135 Um 1830 berichtet Augustin Schibig, dass im Lauerzersee besonders Karpfen, Aale, Hechte, Egli, Hasli und kleine Fische namens Gründeli vorkamen. Von letzteren habe der Gründelisbach in Seewen seinen Namen. Der Gründling sei gebacken ein sehr schmackhafter Fisch.107Erwin Horat, Peter Inderbitzin, Historisches über den Kanton Schwyz: L-R, in Mitteilungen, Heft 95 (2003), S. 54
Der Lauerzersee ist noch heute ein fischreicher See, der für Angler sehr attraktiv ist. Besatzmassnahmen sind heutzutage nicht nötig. Der Lauerzersee steht in der Schweiz in punkto geangeltem Fisch in Kilogramm pro Hektare an dritter Stelle, nach dem Greifen- und Bielersee.108Pascal Vonlanthen, Thomas Kreienbühl, Guy Périat, Standardisierte Befischung Lauerzersee, 2018, S. 32
Verfasser: Peter Betschart
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Anmerkungen
1
Kothing, Landbuch, S. 197 – 249
2
Martin Kothing, Schwyzer Landbuch: S. 211
3
Kothing, Landbuch, S. 198
4
STASZ, HA.III.105, S. 211
5
STASZ, HA.III.105, S. 185
6
STASZ, HA.III.120, S. 162
7
STASZ.HA.III.15, S. 97
8
STASZ, HA.III.110, S. 165
9
Willi Dettling, Mitteilung per E-Mail vom 24.07.2022
10
Willi Dettling, Lauerz, S. 71
11
Willi Dettling, Lauerz, S. 72 ff.
12
STASZ, HA.III.10, S. 135
13
Carl Zay, Goldau, S. 379
14
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
15
Mündlich von Willi Dettling, Mühli
16
Mündlich von Willi Dettling, Mühli
17
STASZ, HA.IV.227.006, Nr. 27
18
Karte: Zay, Fidel: Bergsturz von Goldau. [1806]. Zentralbibliothek Zürich, MK 2138 https://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15748 / Public Domain Mark
19
STASZ, HA.III.150, S. 149
20
Pfarrarchiv, Sterbebuch, Jahreszahl 1800
21
Geschichtskalender, 1907/21, 03.04.1810
22
Alois Dettling, Geschichtskalender, 1909/57
23
STASZ, HA.III.60, S. 87
24
STASZ, HA.III.80, S. 226
25
STASZ, HA.III.250, S. 159
26
Glauser, Fritz, Von alpiner Landwirtschaft beidseits des St. Gotthards 1000-1350, Geschichtsfreund, 1988, S. 154-156
27
Hans-Ulrich Schiedt, Verkehrswege, S. 127
28
Viktor Weibel, Namenbuch, Band 5, S.
29
STASZ, HA.IV.211.014, Nr. 141
30
STASZ, HA.IV.211.014, Nr. 142
31
Verzeichnis, S. 116
32
QW, Abt. I, Band 3, Nr. 274 (S. 182) und STASZ HA.II.113
33
STASZ, HA.III.115, S. 245
34
STASZ, HA.III.250, S. 154
35
Carl Zay, Goldau, S. 338
36
Carl Zay, Goldau, S. 135-136
37
Fritz Glauser, Alpine Landwirtschaft, S. 76
38
Dominik Flammer, Sylvan Müller, Gemüsegärten, S. 17
39
Werner Röllin, Aspekte, S. 82
40
Carl Zay, Goldau, S. 370
41
Carl Zay, Goldau, S. 370. Zay erwähnt, dass die Frau mit dem Schneiden von Korn beschäftigt war, als der Bergsturz sie überraschte.
42
Objektliste Schwanau im Schweizerischen Landesmuseum, Inventarnummer LM-84513.1-3
43
Carl Zay, Goldau, S. 321
44
STASZ, HA.III.10, S. 90
45
STASZ, HA.III.15, S. 38
46
STASZ, HA.III.25, S. 115
47
Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
48
Viktor Weibel, Namenbuch, Band 3, S. 32
49
Dominik Flammer, Sylvan Müller, Gemüsegärten, S. 17
50
Pro Specie Rara, Gemüse, Garten-Melde, Lauerz, Code: GE-912
51
STASZ, HA.III.115, S. 246
52
Fritz Glauser, Alpine Landwirtschaft, S. 149
53
Werner Meyer, Hirsebrei, S. 57
54
Kothing, Landbuch, S. 207
55
Kothing, Landbuch, S. 87. Wenn ein Eigentümer an einen Kirschbaum aber Dornen hänge, dessen Baum dürfe man nicht ernten. Wer an einem solchen Baum trotzdem ernte, mache sich des Diebstahls schuldig.
56
STASZ, HA.III.20, S. 134
57
Thomas Fassbind, Schwyzer Geschichte, Band 1, fol 164 v
58
Carl Zay, Goldau, S. 108 -109
59
Carl Zay, Goldau, S. 107
60
Helvetischer Almanach von 1807, S. 138
61
Helvetischer Almanach von 1807, S. 139
62
Brun, Friederike: Prosaische Schriften : mit Kupfern. Zürich : bey Orell, Füssli und Compagnie, 1799-1801. ETH-Bibliothek Zürich, Rar 10644, https://doi.org/10.3931/e-rara-94457 / Public Domain Mark, S. 113 – 115
63
Georg Bernhard Depping, Die Schweiz, S. 34
64
Helvetischer Almanach von 1807, S. 138
65
Heinrich August Ottokar Reichard, Malerische Reise durch einen grossen Theil der Schweiz vor und nach der Revolution : Mit spätern Nachträgen und Zusätzen, Hennings, Gotha (1827), S. 110 – 113
66
Walter Schlegel, Weinbau, S. 67
67
Meyer von Knonau, Gemälde, S. 131
68
Karl Styger, Obstausstellung, S. 32
69
Karl Styger, Obstausstellung, S. 38
70
Karl Styger, Obstausstellung, S. 42
71
Karl Styger, Obstausstellung, S. 42
72
David Szalatnay et. al., Früchte, Beeren, Nüsse, S. 112
73
David Szalatnay et. al., Früchte, Beeren, Nüsse, S. 246
74
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 75
75
Eidgenössisches Statistisches Amt, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 4, Ergebnisse der Schweizerischen Obstbaumzählung 1929, S. 32
76
Eidgenössisches Statistisches Amt, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 250, Der Schweizerische Obstbaumbestand, 1951, S. 81
77
Eidgenössisches Statistisches Amt / Eidgenössische Alkoholverwaltung, Statistische Quellenwerke der Schweiz, Heft 747, Der schweizerische Obstbaumbestand 1981, S. 106
78
Eidg. Obstbaumzählung 2001: Kanton Schwyz, Bundesamt für Statistik, 2010 Neuchâtel, per E-Mail an Verfasser von agrar@bsf.admin.ch am 08.08.2022.
79
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 54
80
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 58
81
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 95
82
Willi Dettling, Lauerz, S. 15 – 16
83
Mitteilung von Toni Dettling alias «Gütsch Toni»
84
ro Specie Rara, Apfel-, Birnen-, Kirschen und Pflaumen- bzw. Zwetschgensorten / Region Innerschweiz, Version 05.03.2013, S. 3
85
Fritz Kobel, Kirschsorten, S. 177
86
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 52
87
Konkordat von 1838: 100 Mass = 150 Liter
88
Schwyzer Geschichtskalender, 1905/11
89
Ueli Kleeb et al., Chriesi, S. 160
90
Max Fumasoli, Schwyz Porträt, S. 20 – 21
91
Ernst Furrer, Kastanienkultur S. 7 – 12
92
Arnold Engeler, Die edle Kastanie in der Centralschweiz, in Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, Jahrgang 51 (1900), Heft Nr. 3, S. 60
93
Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, S. 139
94
Mündliche Auskunft von Felix Bürgi, Mühli. Dafür spricht auch, dass sich eine Seitenmoräne des Reussgletschers von Lauerz bis nach Buosigen zieht.
95
Furrer, Edelkastanien Innerschweiz: S. 99
96
Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, 111
97
Furrer, Edelkastanie Innerschweiz, 136
98
Mündliche Auskunft von Wilfried Annen, Chlostermatt
99
STASZ, HA.III.10, S. 138
100
STASZ, HA.III.10, S. 149
101
STASZ, HA.III.15, S. 124
102
STASZ, HA.III.50, S. 53
103
STASZ.HA.III.10, S. 138 und STASZ, HA.III.275, S. 16
104
STASZ, HA.III.275, S. 16
105
STASZ, HA.III.125, S. 27
106
Werner Röllin, Aspekte, S. 135
107
Erwin Horat, Peter Inderbitzin, Historisches über den Kanton Schwyz: L-R, in Mitteilungen, Heft 95 (2003), S. 54
108
Pascal Vonlanthen, Thomas Kreienbühl, Guy Périat, Standardisierte Befischung Lauerzersee, 2018, S. 32