Der Bergsturz von 1806

Lauerz nach der Bergsturz-Katastrophe vom 2. September 1806. Das dahinter liegende Buosigen wurde unter den Steintrümmern begraben. © The Trustees of the British Museum., No. 1958,0712.2241

Am Abend des 2. September 1806 lösten sich unterhalb des Gnipenspitz mächtige Gesteinsmassen und donnerten innert wenigen Minuten in Richtung Tal. Der Goldauer Bergsturz war die bisher grösste historische Naturkatastrophe der Schweiz1René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 46 und forderte mindestens 457 Todesopfer. Die mehreren Millionen Kubikmeter Gestein zerstörten die Dörfer Goldau, Röthen und Buosigen und einen Teil des alten Dorfes Lauerz. Letzteres wurde von Westen durch Schuttmassen und von Norden durch die vom Bergsturz ausgelöste Schlammlawine aus dem Sägel getroffen. Eine rund zwei Häuser hohe Flutwelle im Lauerzersee tötete zudem mehrere Menschen und richtete grosse Schäden an den Gebäuden an.

Der Goldauer Bergsturz kostete in Lauerz und Buosigen 115 Menschen das Leben.2Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0 Der grössere Teil davon stammte aus Unter-Buosigen (66 Tote) und Ober-Buosigen (25 Tote), 23 Opfer3Carl Zay, Goldau, S. 380 hatte Lauerz zu beklagen. In Lauerz konnten 37 Personen aus den Schlammmassen gerettet werden, in Buosigen nur deren 27. Das alte Unter-Buosigen lag südöstlich vom heutigen Goldseeli, etwa eine Viertelstunde Fussweg von der Lauerzer Pfarrkirche entfernt. Der Weiler wurde nicht wieder aufgebaut.

Der Bergsturz und seine Folgen für Lauerz

Dem Bergsturz vorausgegangen waren mehrere Jahre mit starken Niederschlägen. Besonders in den Jahren 1799, 1804, 1805 und im Jahr 1806, als das Unglück geschah, fielen grosse Mengen Regen. Der Arther Arzt Carl Zay schildert uns den Vortag des Unglücks als besonders regnerisch: „Es war nicht, als wenn das Wasser in Tropfen, sondern wie durch kleine Röhren aneinander hängend niederfiel.“ Ihm war bereits bekannt, dass der viele Regen der Auslöser des Unglücks war. Durch grosse Spalten am Gnipen floss das Regenwasser in die unteren Gesteinsschichten und löste dort die Rutschung der unteren Mergelschichten aus.

Die am Gnipen ausgelöste Geröllmasse teilte sich im Gebiet Röthen in vier Seitenarme. Der östliche, von Lauerz aus gesehen rechte und damit vierte Seitenarm war der mächtigste und stiess in rascher Geschwindigkeit von der Röthen in Richtung Fallenboden vor, wo er am dortigen Felsen abprallte und die Hälfte des Gerölls ins obere Goldau abdriftete und unter anderem die dortig Kapelle zerstörte. Der andere Teil dieser Schuttmassen trieb hinunter nach Buosigen und Lauerz. Am östlichen Rand dieses vierten Seitenarms floss bereits in der Röthen ein „Schlamm- und Trümmerstrom“ (Zay) einher, der sich wiederum in zwei Arme teilte.4Zay, Goldau, S. 298 Der westliche Teil davon strömte über die Ebene Richtung Lauerz und zerstörte die Pfarrkirche, das Beinhaus, das Kaplanenhaus und viele Gehöfte und Häuser im alten Dorf Lauerz. Der Turm der Pfarrkirche blieb zwar erhalten, wurde aber stark beschädigt, sodass er später abgetragen wurde. Die Schlammwelle stoppte endlich im Dorfkern ungefähr auf Höhe der heutigen Hauptstrasse und dem Haus Ehrler-Föhn. Die Häuser oberhalb vom heutigen Adlerplatz hatten die Schlammmassen verschont. Da im Dorf Lauerz fast keine Nagelfluhsteine gefunden wurden, ist dem Bericht von Zay, wonach ein «Schlamm- und Trümmerstrom» das Dorf Lauerz getroffen hatte, durchaus glaubhaft. Es muss in Lauerz auch ein starker Luftzug geherrscht haben, der dem Bergsturz voranrollte.5Officieller Bericht, S. 6 Der Pfarrer Linggi von Lauerz berichtete später, dass er sich vor dem starken Luftzug schützen musste, in dem er sich an einer Hausecke fest hielt.6Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
Der östliche Arm des genannten Schlamm- und Trümmerstroms stiess aus der Röthen in den Sägel vor, wo er das Sumpfgelände vor sich herschob und haushohe Schlammassen in den Lauerzersee abdrängte. Diese gewaltige Verschiebung des Sägel-Terrains in Richtung Lauerzersee löste anschliessend eine Flutwelle7Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 58 in der Grössenordnung eines Tsunamis aus.

Auf diesem Bild von David Alois Schmid ist gut zu erkennen, wie die Schuttmassen das Sägel-Terrain hoch heben, dieses anschliessend in den Lauerzersee abgedrängt wird und dort eine Flutwelle auslöst. Quelle: Staatsarchiv Schwyz, SG.CII.4012

Die Flutwelle tötete mehrere Menschen und zerstörte die Häuser am Lauerzer Ufer, die Kapelle im Otten, die Einsiedelei auf der kleinen Schwanau und einen Teil des Eremitenhauses auf der grossen Insel, sowie drei Häuser in Seewen. Ausserdem drückten die Wassermassen die Nordmauer der Schwanau-Kapelle ein und beschädigten die rund ein Meter dicke Nordmauer der Burganlage. Das Türmchen der Kapelle im Otten wurde später am Steiner Ufer geborgen.8J. N. Zehnder, Goldauer Bergsturz, S. 31 Die Kapelle im Otten wurde nicht wieder aufgebaut. Die Flutwelle erreichte beinahe die Spitze des Kapellenturms auf der Schwanau, sie war also um die 15 Meter9Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 43 hoch! Gemäss Augenzeugen fanden sich am Folgetag im Glockenturm der Schwanau-Kapelle Reste von Heu, Rasen und Holzschindeln.10Carl Zay, Goldau, S. 299 Durch die Verschiebung des Sägel-Terrains büsste der Lauerzersee ein Siebtel seiner Grösse ein.11Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44

Der Lauerzersee nach dem Bergsturz. Trümmer von Häusern liegen am Ufer. Das Ruderboot transportiert einen Sarg Richtung Seewen. Links am Strassenrand ist ein Kruzifix zu erkennen. © The Trustees of the British Museum. No. 1958,0712.2330

Am Tag nach dem Bergsturz erreichte der Arzt Carl Zay mittels Ruderboot Lauerz. Die Strasse war von Seewen her noch unpassierbar. Er schildert uns dabei, wie einige Männer aus Lauerz versuchten in ein zerstörtes Haus einzudringen, um die Opfer zu bergen: „Man drang zwar endlich hinein: aber leider nicht mehr lebende und leidende Menschen, wohl aber Totenkörper, zerschmettert und entstellt, wurden endlich mit grosser Mühe herausgezogen.“12Carl Zay, Goldau, S. 261 Gemäss Augenzeugen aus Bern suchten die Lauerzer noch eine Wochen lang nach Opfer der Katastrophe.13Officieller Bericht, S. 6 Am Folgetag des Unglücks wurden zwei Menschen aus den Trümmern lebend gerettet. 23 Personen konnten später nur noch tot geborgen werden. Die Gesandtschaft aus Bern schilderte in einem Bericht die Lage in Lauerz, wie sie sich eine Woche nach dem Unglück darbot: „Der Geruch in dieser Gegend, nicht sowohl von den bei diesem Ereignis umgekommenen Menschen, als der von der Verwüstung des Friedhofs in Lauerz auf die Oberfläche versetzten, halb verwesenen Totenkörper, ist unausstehlich und für die Gesundheit der dasigen Bewohner sehr gefährlich“14Officieller Bericht, S. 6. Die Schuttwelle des Bergsturzes hatte offenbar die Leichname aus den Gräbern gespült. Möglicherweise hängt dies mit der damaligen Bestattungstiefe zusammen. Ausgrabungen auf dem alten Friedhof in Schwyz haben ergeben, dass bis in die Neuzeit manche Tote kaum mehr als 60 Zentimer und sogar weniger tief bestattet wurden.15Georges Descœudres, Sterben in Schwyz, S. 57/58
Zehn Tage nach dem Unglück verordnete der Schwyzer Samstagsrat, dass nicht mehr nach Toten gesucht werden solle. Falls man dennoch Leichname finde würde, solle man diese am Ort der Fundstelle tief vergraben und eine Meldung erstatten.16STASZ, HA.III.330, S. 41
Da sich die Bäche, unter anderem der Chlausenbach, in den Schuttmassen aufstauten und dort Tümpel bildeten, versuchte man den Bächen wieder ihren ehemaligen Lauf zu geben. Dazu wurden Bautrupps aufgeboten, die mit Schaufeln und Pickeln ein neues Bachbett graben mussten. Die vielen kleinen, verschmutzten Tümpel hatten auch zur Folge, dass sich in Goldau und Lauerz eine Seuche auszubreiten begann, die man damals als „kaltes Fieber“ bezeichnete.17Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 15 und 16 Sie traf auf eine durch Franzosenkrieg und Bergsturz geschwächte Bevölkerung. Diese Krankheit, die durch Stechmücken übertragen wird, kennen wir heute als Malaria.

Das Tal mit dem Lauerzersee nach dem Bergsturz. Unten in der Bildmitte ist der Lauerzer Kirchturm mit der zerstörten Kirche zu erkennen. Das Seeufer zeugt von der Zerstörung der Flutwelle. © The Trustees of the British Museum. No. 1958,0712.671

Carl Zay berichtet, dass in der Schuttmasse in Lauerz eine blaue Tonschicht vorherrschend gewesen sei.18Carl Zay, Goldau, S. 290 Auf ihr könne wohl jahrelang nichts Fruchtbares mehr wachsen. Dies bewahrheitete sich zum Glück nicht. Westlich des Nühofs in Buosigen an der Hauptstrasse nach Lauerz fand man eine Humusschicht, die bis zu 2.5 Meter unter Sturzgut des Bergsturzes begraben lag. In Buosigen entdeckte man umgeworfene Bäume, die unter einer Schlammschicht von bis zu 1.5 Metern lagen.19René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 49 unter Berufung auf H. Meier, Goldau
Carl Zay berichtet auch, dass die Strasse Seewen-Lauerz „die vor zwanzig und einigen Jahren mit grossen Unkosten neu angelegt“20Carl Zay, Goldau, S. 301 worden war, sowie der daneben gebaute Damm, durch die Flutwelle zerstört wurden. Dieser Damm bestand vermutlich seit dem Jahr 177521STASZ, HA.III.100, S. 137: Dort steht, dass „niemand nebet dem Lauwertsersee under der Landtstrass einige Steine abzuführen sich erfrechen solle bey hocher Straff und Ungnad.“.

Hilfeleistungen nach der Katastrophe

Der Lauerzer Pfarrer Joseph Anton Linggi, der sich nach dem Bergsturz unermüdlich für die Gemeinde Lauerz eingesetzt hatte. Quelle: Staatsarchiv Schwyz, SG.CV.09.02.0001

Der Lauerzer Pfarrer Josef Anton Linggi konnte am Unglückstag dem Schuttstrom knapp entkommen. Da die Pfarrkirche zerstört war, wurden die Gottesdienste im Keller des Hauses von Melchior Inderbitzin abgehalten.22Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1 Dieses Haus lag im Oberdorf (Karte Carl Zay, Goldau, Buchstabe K23Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156). Pfarrer Linggi wohnte bis zur Erbauung des neuen Pfarrhauses im Haus von Kastenvogt von Euw24Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1 (Karte Carl Zay, Goldau, Buchstabe a25Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 16).
Trotz geschwächtem Körper reiste Pfarrer Linggi in den kommenden Monaten durchs ganze Land, um Spenden für die Pfarrei Lauerz zu sammeln. Er gelangte dabei unter anderem in die Abteien Muri, Wettingen, Rheinau, in die Kartause Ittigen und nach Bischofszell. Um Reisekosten zu sparen, ging er dabei viele Strecken zu Fuss. Auf einer dieser Reisen musste er vor einem Gewitter fliehen und verausgabte sich dabei so stark, dass er zeitlebens davon geschwächt war.26Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156 und 157 Im Jahr 1810 wurde er schwer krank und konnte seinen priesterlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. An St. Katharina Tag im Jahr 1810 hielt er seine Abschiedsrede in der Pfarrkirche mit grosser Anteilnahme der Lauerzer. Seine letzten Tage verbrachte er auf dem altjanserischen Hof in Ingenbohl und starb am 8. Dezember 1810.27Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 17 verso

Die Solidarität in der Schweiz und im nahen Ausland war nach der Katastrophe sehr gross. Da man im Kanton Schwyz noch keine Gebäudeversicherung eingeführt hatte, verloren die Überlebenden nicht nur ihre Angehörigen, sondern auch ihr Hab und Gut. Hilfe kam insbesondere aus den Kantonen Bern und Zürich, sowie Basel und dem Waadtland28Carl Zay, Goldau, S. 388. Der Stand Bern schickte im November desselben Jahres 100 Mann, um unter dem Fallenboden Geröll und Schutt für eine Strasse von Arth nach Lauerz abzutragen. Deshalb heisst diese Stelle heute noch Bernerhöhe. Der Bischof von Konstanz, Karl Theodor von Dalberg, spendete 1‘000 französische Louis d’Or für den Wiederaufbau der Lauerzer Pfarrkirche. Ebenso spendete dessen Schwester 150 Louis d’Or an die neue Pfarrkirche und „würdigte die unglücklichen Lauerzer ihres grossmütigen Andenkens“. Auch der Abt von Einsiedeln, Konrad Tanner, und der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind wurden als Wohltäter genannt.29Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156

Wie bei jedem Unglück gab es auch unverschämte Profiteure. Der Schwyzer Samstagsrat musste am 27. September die Polizeikommission bitten, dass sie einige Landjäger in die Gegenden von Lauerz, Buosigen und Goldau beorderten, um „dem ausgelassenen und oft betrügerischen Bettelwesen und skandalösen Belästigen der Fremden und Reisenden Einhalt“ zu gebieten. Die betreffenden Leute hatte man zu packen und nach Schwyz zu führen.30STASZ, HA.III.330, S. 49

Ausschnitt aus der Bergsturz-Karte aus Carl Zays Schuttbuch mit Lauerz und Buosigen. Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, K 804037, https://doi.org/10.3931/e-rara-20750 / Public Domain Mark

Einzelne Schicksale der Bergsturzkatastrophe in Lauerz und Buosigen

Im folgenden Abschnitt werden die Schicksale der einzelnen Heimwesen und Personen in Lauerz aufgeführt, die der Arther Arzt Carl Zay und der Arther Kaplan Martin Ulrich überliefert haben. Die Nummern der Gebäude sind auf der Karte von Fidel Zay zu finden. Die Karte gibt die Situation vor dem Bergsturz wider. Sie kann hier in voller Grösse angezeigt werden.

Lauerz

Nr. 1. Das ehemalige Heimwesen Auweli

Anton von Rickenbach (14 Jahre) und seine Schwester (16 Jahre) waren im Dorf Lauerz bei einer Obstpresse beschäftigt und konnten sich durch Flucht retten. Ihre Schwester Regina (21 Jahre) war im Haus und wurde von den Schlammassen fortgerissen und getötet; ihr Leichnam wurde am Steiner Ufer des Lauerzersees geborgen.31Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 104 Der im Haus wohnende Schuhmachermeister Aloys Beeler (31 Jahre)32Carl Zay, Goldau, S. 377 mit samt einem Gesellen arbeiteten in einem Haus oberhalb der Huelen und retteten dadurch sein Leben. Der Lehrling von Aloys Beeler befand sich bei den Geschwistern von Rickenbach in Lauerz und konnte sich dadurch ebenfalls retten.

Nr. 2. Das Heimwesen Sälenstücki, heute Grosshus

Lienhard Dettling (40 Jahre), seine Frau Marianne Wiget (38 Jahre), samt 6 Kindern, namentlich Josef (14 Jahre), Melchior (13 Jahre), Anna Maria (12 Jahre), Dominik (11 Jahre), Johannes (10 Jahre), Katharina (9 Jahre) wurden durch die Schutmassen getötet. Drei ältere Söhne der Familie entkamen dem Tod, namentlich Franz-Karl (17 Jahre), der sich im Dorf Lauerz aufhielt, Lienhard (16 Jahre), der zufällig in Schwyz war, sowie Anton (15 Jahre), der mittels Flucht der Schlammlawine entkam.33Carl Zay, Goldau, S. 377

Nr. 3. Das Heimwesen Kapellmatt

Sebastian Ehrler (52 Jahre) entkam trotz dem Zurufen von Pfarrer Linggi den Schuttmassen nicht. Er wollte noch zwei Heimkühe aus dem Stall retten und wurde mitsamt denselben verschüttet. Seine Frau Helena Weber (57 Jahre), die Tochter Genoveva (26 Jahre) und deren Ehemann Balz Mettler (25 Jahre) hörten auf das Zurufen von Pfarrer Linggi und flohen. Die Mutter wurde vom Schlammstrom erfasst und steckte schon tief darin, als sie von ihrem Nachbarn, alt Kastenvogt von Euw, gerettet wurde.34Carl Zay, Goldau, S. 378, sowie Officieller Bericht, S. 19

Nr. 4 Das ehemalige Pfarrhaus

Der Lauerzer Pfarrer Linggi wollte soeben einen kranken Nachbarn besuchen, als er den Bergsturz am Gnipen wahrnahm. Er rief alle in der Nähe wohnenden zur Flucht auf und rettete dadurch mehreren Leuten das Leben. Kaum 70 Schritte hinter den Flüchtenden zerstörte die Schlammwelle in ihrem Lauf die Pfarrkirche, das Beinhaus, das Pfarrhaus und mehrere weitere Gebäude.35Carl Zay, Goldau, S. 378 Pfarrer Linggi schilderte später, dass er mit einigen Anwohnern eine kurze Strecke in Richtung Osten fliehen konnte und sich dort an einem Hausecken (Haus b, Karte Zay) festhielt, um sich vor dem starken Luftzug, der dem Bergsturz voraus eilte, zu schützen.36Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107

Die alte Lauerzer Pfarrkirche auf einer Zeichnung des Schwyzer Pfarrers Thomas Fassbind. Diese Kirche wurde durch den Bergsturz von 1806 zerstört. Hinter der Kirche, auf dem Bild zur Hälfte verdeckt, stand das alte Pfarrhaus. Davor stand eine kleine Kapelle: das alte Beinhaus. Quelle Staatsarchiv Schwyz, SG.CII.2249

 

Nr. 5 Das Heimwesen Husmatt

Der sich im Haus aufhaltende Wittwer Balz Ehrler (76 Jahre), seine Tochter Flora (39 Jahre), seine Schwiegertochter Katharina Biser (44 Jahre) und deren Tochter Katharina (6 Jahre) wurden im umstürzenden Haus getötet. Der Sohn Kaspar (41 Jahre) befand sich ausserhalb des Hauses, als er das Unglück kommen sah und schrie: „flieht, flieht bergan“.37Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 107 Seinem Ruf folgend, flohen seine Brüder Lienhard (45 Jahre) und Martin Ehrler (50 Jahre), Ehemann der verunglückten Katharina Biser, sowie des letzteren Sohn namens Josef (19 Jahre) den Hang hinauf. Agatha Ehrler (30 Jahre) und ein weiterer Sohn von Martin Ehrler namens Franz (21 Jahre), wie auch die Hausmagd, Marianne Wiget (39 Jahre) befanden sich im Haus und konnten nur mit Mühe aus den Trümmern herausgezogen werden. Ein weiterer Bruder, Lienhard Martin (43 Jahre) war am besagten Tag nicht zu Hause und überlebte.38Carl Zay, Goldau, S. 379

Nr. 6 Das kleinere Pfrundhaus

Das Haus war zum Zeitpunkt des Unglücks unbewohnt. Der Kaplan war einige Tage vorher fort gereist und entkam der Zerstörung.39Carl Zay, Goldau, S. 379

Nr. 7 Haus und Säge, die untere Säge genannt

Der Vater, Lienhard Eberhard (47 Jahre), war am besagten Tag nicht zu Hause und überlebte so das Unglück. Seine drei Kinder, Marianne (21 Jahre), Balz (19 Jahre) und Katharina (18 Jahre) entkamen durch Flucht der Flutwelle. Ihre Mutter, Katharina Schelbert (43 Jahre), wollte aus dem Haus noch etwas retten und wurde dabei von der tödlichen Flutwelle getroffen.40Carl Zay, Goldau, S. 379 Dieses Haus und die Säge müssen nach Eintrag auf der Karte von Carl Zay in der unteren Niedermatt gelegen haben. Vermutlich wurde die Säge mit dem Wasser des Dorfbachs betrieben.

Nr. 8 Haus und Mühle, die äussere Mühle genannt. Heute nur Mühli gennant

Die Flutwelle schleuderte erst beim Zurückfluten das Haus in den See.41Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli, dem diese Annekdote von seiner Grossmutter erzählt wurde. Kirchenvogt und Müller Anton Dettling (50 Jahre), seine Frau Flora Meyer (38 Jahre), samt fünf Kindern, namentlich Katharina (20 Jahre), Balz (11 Jahre), Flora (10 Jahre), Meinrad (9 Jahre), Josef (2 Jahre) überlebten das Unglück. Der Vater war zuerst im Haus und erkannte durch die Fenster das drohende Unheil. Geistesgegenwärtig rannte er mit den jüngsten vier Kindern den Hang hinauf, der sich hinter dem Haus erhebt und rettete den Kindern damit das Leben. Seine Frau war zu dieser Zeit in Einsiedeln. Hingegen starben die Tochter Aloysia (5 Jahre) und die Hausmagd Barbara Schuler (34 Jahre) im oberen Stockwerk des Hauses, als dieses in den See gespült wurde. Die Magd wollte die Kinder Aloysia und Katharina aus dem Haus retten. Einzig die taubstumme Katharina Dettling konnte lebend aus dem Wasser geborgen werden.

Die Mühle in Lauerz um 1830. Quelle: Staatsarchiv Schwyz, SG.CIV.12.1046

Marianne Blaser (11 Jahre) und Annemarie Baggenstoss (13 Jahre, aus Gersau) wollten am Unglückstag Brot in der Mühle holen und wurden ebenfalls von der Flutwelle überrascht. Ebenso getötet wurde Kirchenvogt Anton Blaser (64 Jahre), der sich im Haus befunden hatte, um Hanf zu brechen.42Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112 Etwas entfernt von der Mühle, dem See entlang, hütete der Knabe Anton Nideröst (12 Jahre) seine Geissen, als er von der Flutwelle in den See hinausgeworfen wurde und dort ertrank.43Carl Zay, Goldau, S. 380

Nr. 9 Kleines Haus und Säge (Sagehostetli)

Dieses Grundstück ist nicht mehr auf der Karte aus Carl Zays Schuttbuch eingezeichnet. Vermutlich handelte es sich bei diesem Grundstück um das Saghostetli. Das Häuschen stand einst auf der kleinen Insel und diente als Wohnung der Eremiten, wurde aber später ans Ufer versetzt.44Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112 Die genannte Säge könnte sich bei der heutigen Brennerei Z’Graggen befunden haben. Kaspar Schnüriger (44 Jahre), seine Frau Marianne Linggi (54 Jahre), ihre Tochter Annemarie (12 Jahre) und der Knecht Josef Sidler von Immensee (65 Jahre) konnten sich durch Flucht vor der Flutwelle retten. Das Haus und die Säge wurden von den Fluten in den See geschleudert.

Das Eremitenhaus auf der Schwanau

Das Haus der Waldbrüder auf der grossen Insel wurde zwar von der Flutwelle getroffen, aber nicht schwer beschädigt. Der Eremit, Bruder Gedeon, war zur Zeit des Unglücks abwesend und entkam so dem möglichen Tod.45Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113

Auf der grossen Insel Schwanau stand die Kapelle und ein Eremitenhaus. Auf der kleinen Insel ist eine Hütte und ein Bethäuschen zu erkennen. Zeichnung von Pfarrer Thomas Fassbind. Quelle: Staatsarchiv Schwyz, SG.CII.896

Das Haus im Otten

Direkt oberhalb der Hauptstrasse nach Schwyz steht im Otten ein Bauernhaus, das als einziges von der Flutwelle nicht getroffen wurde, weil es sich hinter einer kleinen Anhöhe befindet.46Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113 Das Haus steht heute noch an dieser Stelle. Da es nach der Flutwelle leicht schief stand, soll es mit Zugtieren wieder in den Senkel gestellt worden sein.47Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli

Die Kapelle im Otten

Diese Kapelle an der Landstrasse von Lauerz nach Schwyz war dem hl. Jakob geweiht und wurde durch die Flutwelle zerstört. Der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind schrieb anno 1821, dass die Paramenten und der Kelch gerettet werden konnten und im Haus im Otten aufbewahrt wurden. Die kleine Glocke sei erst im Jahr 1819 von zwei Bauernknaben im See bemerkt und ins Haus von Fischer von Euw gebracht worden.48Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 30 recta Nach anderen Quellen soll der hölzerne Glockenturm, mitsamt dem Glöcklein, später am Steiner Ufer geborgen worden sein. Das Glöcklein sei einige Zeit im Gasthaus Kreuz in Seewen aufbewahrt worden.49Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 175 Die Kapelle befand sich wahrscheinlich in der Nähe des Ottenbächlis.

Die Kapelle im Otten auf einem Stich aus der Zeit um 1800. Rechts von der Kapelle ist die Ruine eines Schmelzofens zu erkennen. Quelle: Staatsarchiv Schwyz, SG.CII.802

Weitere Opfer der Unglücks

Das Haus von Wittwer Josef Ehrler (64 Jahre) lag in der Nähe der Kapellmatt und wurde nur wenig beschädigt. Er selber warnte seinen Sohn und die übrigen vor dem herannahenden Bergsturz, versäumte aber seine eigene Flucht und kam in den Schuttmassen ums Leben.

Barbara Eberhard von Arth wurde von der Rückreise von Schwyz in der Gegend Seegüetli-Schwanau von der Flutwelle überrascht. Sie floh bergan und hielt sich an Grasbüscheln fest, um nicht von den Wassermassen in den See gezogen zu werden. Sie überlebte die Katastrophe, trug jedoch Verwundungen am Kopf davon.50Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113

Carl Zay berichtet auch von zwei Mädchen in Lauerz, die aus dem Schlammassen gerettet wurden, weil sie mit dem Kopf noch nicht darin versunken waren.51Carl Zay, Goldau, S. 329

Am Lauerzer Ufer zog man einen toten Mann aus dem Wasser. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um Johannes Müller aus Meyenberg (Freiamt, Kt. Aargau). Er ritt mit seinem Pferd von Goldau Richtung Steinen und wurden von der Schlammwelle getroffen und in den See geschleudert.52Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 109

Die Gegend von Lauerz und Buosigen vor dem Bergsturz auf einer detaillierten Karte von Fidel Zay. Sie diente vermutlich als Entwurf für die oben erwähnte Karte in Carl Zays Schuttbuch. Auf der hier ersichtlichen Karte sind nebst den Nummern der Liegenschaften auch deren Namen erwähnt. Die rot eingezeichnete Linie ist die Grenze des Bergsturzes. Quelle: Zay, Fidel: Bergsturz von Goldau. [1806]. Zentralbibliothek Zürich, MK 2138 https://doi.org/10.7891/e-manuscripta-15748 / Public Domain Mark
Unter-Buosigen

Unter Buosigen gibt es heute nicht mehr. Der Weiler wurde vom Bergsturz komplett zerstört und dürfte sich ca. eine Viertelstunde westlich der heutigen Lauerzer Pfarrkirche, am Weg der alten Landstrasse nach Goldau befunden haben. Dieser Weg verlief ähnlich dem heutigen Wanderweg Richtung Goldseeli, das man früher „Taglis Wieher“ nannte. Roli Marty aus Goldau verdanke ich den Hinweis, dass die Heimwesen Unter- und Ober-Taglis auf der Karte aus Carl Zays Schuttbuch (Goldau, Nr. 41 und 42) eingezeichnet sind und am Weg von Goldau nach Unter-Buosigen lagen. Das Goldseeli liegt also in der unmittelbaren Nähe dieser beiden, vom Bergsturz verschütteten, Heimwesen. Diese beiden Heimwesen des Taglis waren die ersten Bauernhöfe auf Goldauer Seite, wenn man von Unter-Buosigen nach Goldau wanderte. Carl Zay beschrieb die Gegend von Buosigen vor dem Bergsturz wie folgt: «Von einer Anhöhe stieg der Fussweg nach der kleinen Dorfschaft Busingen und seinem Thale hin. Der Anblick der schönsten Fluren mit schwelgerischem Gras bewachsen, mit fruchtbaren Bäumen übersät, mit neueren Häuser oder ländlichen älteren Hütten belebt, ergötzte im lachenden Tal das Auge des wandernden Beboachters»53Carl Zay, Goldau, S. 108 -109.

Das Foto wurde von der Sägelstrasse in Richtung Westen aufgenommen. Das ehemalige Unter-Buosigen lag etwa in der Bildmitte, am Ufer des Chlausenbachs. Von der Lauerzer Pfarrkirche war es in einer Viertelstunde Fussmarsch zu erreichen.

Nr. 1 Haus und grosser Hof, der Brand genannt

Von den Schuttmassen verschüttet wurde das Gebäude und die darin befindlichen Personen: Franz Wiget (46 Jahre), seine Frau Marianne Sager (40 Jahre), samt ihrer Mutter Maria Barbara Ulrich (60 Jahre), beide von Brunnen. Die Mutter war zwei Wochen vorher ins Haus gekommen, da ihre Tochter im Wochenbett lag. Ebenfalls kamen die Kinder ums Leben: Marianne (11 Jahre), Magdalena (9 Jahre) und das jüngste Kind, das erst 14 Tage alt war. Auch die Magd, Barbara Eichhorn (28 Jahre) kam im Haus um.54Carl Zay, Goldau, S. 369

Nr. 2 Haus und Hof, äussere Gruwi genannt

Josef Eberhard (46 Jahre) wurde, während er Eschenlaub für Viehfutter einsammelte, umgeworfen und überschüttet. Seine Ehefrau Annemarie Fuchs (41 Jahre) und sein Bruder Melchior (40 Jahre) wurden im Haus von den Schuttmassen überrascht und getötet. Sein zweiter Bruder Roman (38 Jahre) befand sich oberhalb des Heimwesen beim Vieh und überlebte.55Carl Zay, Goldau, S. 369 – 370

Nr. 3 Haus und kleines Heimwesen, Höfli genannt

Melchior Kamer (36 Jahre) und seine Frau Gertrud von Hospital (28 Jahre) wurden beide von den Schuttmassen getötet. Sie schnitt Korn in einem nahen Feld namens Müsli und versuchte sich durch Flucht zu retten, wurde aber von den Schuttmassen eingeholt. Der Vater, Anton Kamer (70 Jahre) war in einem Haus oberhalb und konnte dadurch sein Leben retten.56Carl Zay, Goldau, S. 370

Nr. 4 Haus und klein Heimwesen, Feldli

Josef Martin Eberhard (29 Jahre), der Besitzer dieses kleinen Hofes, sah die Schuttmassen heranstürzen und floh in einen nahe gelegenen Stall. Kurz darauf wurde der Gaden von den Schuttmassen verschüttet. Unter Trümmern und totem Vieh eingeschlossen lebte Josef Eberhard zwar noch, konnte sich aber nicht durch eigene Kraft befreien. Dank seinem kräftigen Nachbarn Josef Lienhard Wiget (siehe Nr. 11, Unter-Lindenmoos), der ihn in den Stall fliehen sah, wurde er fast unverletzt gerettet.57Carl Zay, Goldau, S. 231 Sein Bruder Niklaus (31 Jahre) war nicht zu Hause und überlebte so die Katastrophe. Die Magd, Elisabeth Schilter (33 Jahre), kam im Haus ums Leben.58Carl Zay, Goldau, S. 370

Nr. 5 Grosses Haus und Hof, Hinterhof genannt

In diesem Haus kamen ums Leben: Ratsherr Kaspar Lienhard Wiget (55 Jahre), seine Frau Barbara Felchlin von Arth (50 Jahre), samt seinen zwei Söhnen Kaspar Lienhard (31 Jahre) und Heinrich (26 Jahre), wie auch zwei Knechte namens Anton Kamer (27 Jahre) und Lienhard Ulrich (22 Jahre). Marianne Wiget (25 Jahre) war die Ehefrau von Sohn Kaspar Lienhard Wiget (31 Jahre) und besuchte die im Haus Brand wohnende Wöchnerin Marianne Sager. Auch sie kam in den Schuttmassen ums Leben.59Carl Zay, Goldau, S. 370

Nr. 6 Haus und grosser Hof, Vorderhof genannt

Alt Ratsherr Josef Lienhard Beeler (63 Jahre), Mitglied des Siebnergerichts in Schwyz, und seine Hausfrau Katharina Röllin (54 Jahre) kamen ums Leben. Ihr Sohn Vorsprech Josef Lienhard Beeler (31 Jahre ), dessen Ehefrau Franziska Appert (29 Jahre) und ihr 18 Monate altes Kind wurden beieinander tot aufgefunden. Sie waren mitsamt den Trümmern des Hauses auf die Matten des Heimwesens Sälenstücki in Lauerz geschleudert worden! Der ältere Sohne von Josef Lienhard (31 Jahre) wurde auf der Flucht von der Schuttmasse erfasst und getötet. Die Magd des Hauses, Veronika Inglin (24 Jahre), wurde auf ihrer Rückreise von Steinen von der Steinlawine erfasst.60Carl Zay, Goldau, S. 370 – 371

Nr. 7 Haus und grosser Hof, ohne Namen

Josef Melchior Anton Wiget (37 Jahre), Leutnant bei der Landmiliz und begnadeter Musikant, seine Mutter und Wittwe Marianne Meyerberg (60 Jahre) von Menzingen, seine Schwester Waldburga (37 Jahre) und die Magd Annemarie Beeler (27 Jahre) kamen im Haus ums Leben. Ebenfalls getötet wurde der Knecht Martin Schuler (37 Jahre).61Carl Zay, Goldau, S. 371

Nr. 8 Haus und grosses Heimwesen, Grossriedt genannt

Melchior Dettling (42 Jahre), seine zweite Ehefrau Annemarie Betschart (41 Jahre), samt ihren vier Kindern: Annemarie (9 Jahre), Appolonia (8 Jahre), Melchior (7 Jahre), Josef (5 Jahre), sowie die Magd Franziska Schuler (52 Jahre) kamen in den Bergsturzmassen ums Leben. Melchior Dettling war Sigrist und stellte 1798 sein Haus für eine Versammlung zur Verfügung, die den Widerstand gegen die Franzosen unterstützte.62Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165 Die Söhne aus zweiter Ehe, Josef Lienhard (21 Jahre) und Balz (19 Jahre) waren nicht im Haus und konnten sich dadurch retten.63Carl Zay, Goldau, S. 371

Nr. 9 Haus und grosser Hof, des Richter Dettlings genannt

Josef Kaspar Dettling (26 Jahre) war der Bruder von Franz Dettling in Lauerz, Es hiess, er war einer der „schönsten und besten jungen Männer des ganzen Landes“. Er, wie auch seine Mutter und Witwe Katharina Fassbind von Goldau, samt zwei Töchter seines Bruders Franz aus Lauerz, namentlich Katharina (7 Jahre) und Agatha (5 Jahre), sowie der Knecht Josef Reichlin (21 Jahre) und die Magd Annemarie Grossmann (23 Jahre) fanden den Tod.64Carl Zay, Goldau, S. 371

Nr. 10 Haus und grosser Hof, Ober-Lindenmoos

Fridolin Melchior Wiget (18 Jahre) samt seiner Mutter und Witwe Marianne Bürgi (50 Jahre) von Goldau kamen in den Schuttmassen ums Leben. Auch die Verlobte von Josef Fridolin, die vorher im Haus war, wurde bei ihrer Rückreise nach Sattel vom Geröllstrom erfasst. Die Mutter Marianne ahnte das Unglück kommen, floh aus dem Haus, konnte aber aus Schwachheit nicht schneller laufen und wurden von den Schuttmassen am Rande des Stromes erfasst und getötet. Die Tochter Katharina Wiget (13 Jahre), ein verheirateter Knecht namens Meinrad Beeler (34 Jahre) und die Magd Ida Betschart (21 Jahre) konnten sich durch Flucht retten. Die Magd wurde von den Schuttmassen teilweise erfasst und schwer verletzt. Ebenfalls befand sich bei diesem Haus ein Heinrich Flecklin, von der Ledimatt in Lauerz, der mit einem Brennhafen bei Ratsherrn Wigets Haus (Nr. 5) war. Er wurde von den Schuttmassen fast verschlungen, konnte sich aber dank seiner jugendlichen Kraft und Schnelligkeit retten und den obigen Hergang detailgetreu schildern.65Carl Zay, Goldau, S. 371 – 372 Die 13-jährige Katharina Wiget durfte für einige Jahre im Frauenkloster in Schwyz leben und konnte dort eine Schule besuchen. Sie lebte später verheiratet in der Krone in Schwyz.66Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 153

Nr. 11 Haus und grosser Hof, Unter Lindenmoos67Carl Zay, Goldau, S. 232. Zay nennt auf dieser Seite den richtigen Hofnamen. Auf S. 372 steht fälschlicherweise Ober-Lindenmoos.

Josef Lienhard Wiget (32 Jahre), seine Ehefrau Annemarie Appert (29 Jahre)68Carl Zay, Goldau, S. 232. Carl Zay widerspricht sich teilweise in den Namen und Altersangaben dieser Familie. Dorothea nennt er auf S. 232 Annemarie. Kaspar ist dort 7 Jahre und nicht 6 Jahre alt. Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 93 nennt die Frau Annemarie Appert., die zwei Söhne Niklas Anton (9 Jahre) und Kaspar (6 Jahre), sowie die Tochter Agatha (2 Jahre) sammelten oberhalb des Hofes abgeschütteltes Obst eines Apfelbaumes ein, als sich die Gesteinsmassen am Gnipen in Bewegung setzten. Der Vater mit seinen Söhnen floh bergan und rief seiner Frau, sie solle ebenfalls fliehen. Seine Frau, mit Tochter Agatha im Arm, lief jedoch zum Haus und versuchte ihr dort in der Wiege liegendes Kind (10 Monate alt) zu retten. Auch die dort weilende Magd Franziska Ulrich (23 Jahre), zusammen mit der zweiten Tochter Marianne (5 Jahre), wollte ohne das Kleinkind nicht aus dem Haus fliehen. In diesem Augenblick trafen die Geröllmassen das Heimwesen. Das Haus wurde rund 500 Meter weit weggeschleudert.69Carl Zay, Goldau, S. 242 Die Ehefrau mitsamt Tochter Agatha und Kleinkind kamen ums Leben. Sie hielt beide in ihren Armen, als ihr Ehemann sie am nächsten Tag unter den Trümmern bergen konnte. Hingegen lebte die Magd Franziska Ulrich und die Tochter Marianne noch. Sie waren aber beide unter dem Schutt eingeschlossen. Als der Vater den Leichnam der Ehefrau ausgrub, vernahm er die Stimme seiner Tochter Marianne und konnte sie und die Magd Franziska zwar schwer verletzt, aber lebend aus den Trümmern befreien. Beide Frauen wurden von Freunden und Wohltätern gepflegt und konnte später ein mehr oder weniger normales Leben führen. Franziska Ulrich verheiratete sich in Ingenbohl, wurde aber nur 40 Jahre alt. Marianne Wiget verehelichte sich mit Peter Oswald Elsener, Hutmacher in Schwyz und Vorfahre der Familie Elsener, Messerfabrik Victorinox.70Victorinox AG, Das Messer und seine Geschichte, S. 121

Nr. 12. Haus und kleines Heimwesen, Frickenhöfli genannt

Alois Schuler (40 Jahre), seine Hausfrau Katharina Reichlin (28 Jahre) und ihr Bruder Josef Reichlin (22 Jahre) kamen alle im Haus ums Leben. Die Witwe Magdalena Kamer (30 Jahre), die hier das Wohnrecht hatte, kam ebenfalls ums Leben. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt im Haus Nr. 11 von Josef Lienhard Wiget und wurde dort verschüttet.71Carl Zay, Goldau, S. 373

Nr. 13 Haus und grosser Hof, beim Brückli genannt

Ums Leben kamen hier Kirchenvogt Franz Dettling (61 Jahre) und seine Ehefrau Flora Beeler (61 Jahre), zwei seiner Töchter, Agatha (24 Jahre) und Flora (20 Jahre). Ebenfalls kamen drei Grosskinder namens Josef (8 Jahre) und Melchior (5 Jahre) und Katharina (11 Jahre) ums Leben, die von einem Sohn Josef Dettling (aus Lauerz) stammten. Ebenfalls getötet wurden zwei Knechte, Martin Beeler (27 Jahre) und Melchior Tanner (25 Jahre), sowie zwei Mägde namens Josefina Grossmann und Veronika Imhof, beide ca. 30-jährig21. Der jüngere Sohn von Kirchenvogt Franz Dettling, namens Josef Mariä (23 Jahre) war mit seiner Tante (von der Mühle in Lauerz) auf einer Wallfahrt nach Einsiedeln und wurde mit dem Leben verschont.72Carl Zay, Goldau, S. 373

Ober-Buosigen, auch Huwenloch genannt

 

Das heutige Gebiet von Buosigen, dahinter die Truben. Früher nannte man dieses Gebiet Ober-Buosigen oder Huwenloch. Unterhalb davon, Richtung Sägel, lag das ehemalige Unter-Buosigen.

Nr. 1 Haus und grosses Heimwesen, Bärmatt genannt

Josef Lüönd (55 Jahre) vom Sattel, seine Ehefrau Veronika Schnüriger (46 Jahre) und die fünf Kinder Balz (21 Jahre), Magdalena (16 Jahre), Anton (14 Jahre), Xaver (8 Jahre), Barbara (3 Jahre) kamen in den Trümmern ums Leben. Eine Tochter von 23 Jahre war nicht im Haus und konnte dadurch ihr Leben retten.73Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. Ebenfalls verschüttet wurde der Schneider Meinrad Krienbühl (23 Jahre), der in diesem Haus auf der Stör war.74Carl Zay, Goldau, S. 373

Nr. 2 Haus und grosser Hof, Bützenrüthi oder Binzenrüti

Baptist Römer (41 Jahre) und seine Magd Marianne Zeberg (27 Jahre), sowie ein Besucher namens Georg Kamer (27 Jahre), der aus Röthen stammte und ein Lohnarbeiter namens Melchior Mettler (19 Jahre) kamen auf diesem Hof ums Leben. Der Neffe von Baptist Römer, ebenfalls Baptist genannt (14 Jahre), der Hausknecht Alois Horat (41 Jahre) und Ehemann von Agatha Mettler (Schwester von Bläsi Mettler) wurden durch Zufall gerettet. Baptist Römer war auf der Rigi, um Milch zu holen und plante seine Rückkehr erst gegen 18.00 Uhr, wie es ihm der Onkel aufgetragen hatte. Der Knecht rüstete im Wald Holz, plante ebenfalls eine spätere Rückkehr und wurde dadurch gerettet.75Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 86
Der auf Besuch weilende Georg Kamer hinterliess seine Ehefrau Franziska Schuler (23 Jahre) und zwei kleine Kinder. Der junge Melchior Mettler hinterliess eine alte und kranke Mutter.76Carl Zay, Goldau, S. 373 – 374

Nr. 10 (Nr. 3?) Haus und kleineres Heimwesen, Fusters-Höfli genannt

Ums Leben kamen hier: Josef Schilter (33 Jahre), seine Ehefrau Marianne Fässler (37 Jahre), seine zwei Kinder namens Franz (3 Jahre) und Annemarie (2 Jahre), sowie der Grossvater und Wittwer Josef Schilter (70 Jahre), dessen Töchter Theresia (35 Jahre) und Franziska Schilter (31 Jahre), samt ihrem 6 Wochen alten Kind. Auch der vorherige Besitzer Leonhard Ulrich (68 Jahre) und dessen Sohn Balz (24 Jahre) wurden hier verschüttet.77Carl Zay, Goldau, S. 374 Leonhard Ulrichs Wittfrau Johanna Gugelberg (67 Jahre) überlebte, weil sie in einem Haus im Fallenboden mit dem Seidenspinnen beschäftigt war. Das Garn verhaspelte sich öfters als sonst, so dass sie nicht zur geplanten Zeit nach Hause gehen konnte und dadurch mit dem Leben davonkam.78Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 88 und 89 Sie verpachtete möglicherweise am 26. März 1807 Haus und Hof Langmatt, Oberbuosigen, an Johann Georg Kamer.79STASZ, HA.IV.198.004, Nr. 36

Weiteres Opfer und ein Überlebender des Unglücks

In der oberen Sommerau, Haus Nr. 46, Bezirk Goldau, wurde Elisabeth Kamer (16 Jahre) verschüttet. Sie war die Tochter von Kaspar Kamer, der ebenfalls im Raum Ober-Buosigen wohnte und dessen Haus am Rand der Schuttmasse unversehrt blieb. Lage und Name seines Heimwesens ist nicht mehr auszumachen. Seine Grasmatten wurden jedoch von den Schuttmassen überdeckt und konnten nicht mehr bewirtschaftet werden. Er befand sich vor dem Unglück in der Binzenrüthi von Baptist Römer, vermeinte dann mehrmals einen Hornstoss zu hören und machte sich, wie es bei diesem Signal mit seiner Familie abgemacht war, auf den Weg nach Hause. Dabei bemerkte er den Bergsturz am Gnipen und konnte durch Flucht sein Leben retten. Zuhause angekommen fragte er, wer ihm gehornt hätte. Man wusste aber nicht, was er meinte. Offenbar hatte diese Einbildung Kaspar Kamer das Leben gerettet.80Carl Zay, Goldau, S. 375

 

Verfasser: Peter Betschart

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Anmerkungen

  • 1
    René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 46
  • 2
    Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0
  • 3
    Carl Zay, Goldau, S. 380
  • 4
    Zay, Goldau, S. 298
  • 5
    Officieller Bericht, S. 6
  • 6
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
  • 7
    Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 58
  • 8
    J. N. Zehnder, Goldauer Bergsturz, S. 31
  • 9
    Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 43
  • 10
    Carl Zay, Goldau, S. 299
  • 11
    Bussmann und Anselmetti, Rossberg landslide, S. 44
  • 12
    Carl Zay, Goldau, S. 261
  • 13
    Officieller Bericht, S. 6
  • 14
    Officieller Bericht, S. 6
  • 15
    Georges Descœudres, Sterben in Schwyz, S. 57/58
  • 16
    STASZ, HA.III.330, S. 41
  • 17
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 15 und 16
  • 18
    Carl Zay, Goldau, S. 290
  • 19
    René Hantke, Geologischer Atlas der Schweiz, 1151 Rigi, Erläuterungen, S. 49 unter Berufung auf H. Meier, Goldau
  • 20
    Carl Zay, Goldau, S. 301
  • 21
    STASZ, HA.III.100, S. 137: Dort steht, dass „niemand nebet dem Lauwertsersee under der Landtstrass einige Steine abzuführen sich erfrechen solle bey hocher Straff und Ungnad.“
  • 22
    Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1
  • 23
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156
  • 24
    Pfarrarchiv, Bericht in der Kirchturmkugel, Pfarrer Linggi von 1810, Archivnr. 2.2.4.0, S. 1
  • 25
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 16
  • 26
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156 und 157
  • 27
    Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 17 verso
  • 28
    Carl Zay, Goldau, S. 388
  • 29
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 156
  • 30
    STASZ, HA.III.330, S. 49
  • 31
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 104
  • 32
    Carl Zay, Goldau, S. 377
  • 33
    Carl Zay, Goldau, S. 377
  • 34
    Carl Zay, Goldau, S. 378, sowie Officieller Bericht, S. 19
  • 35
    Carl Zay, Goldau, S. 378
  • 36
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 106 und 107
  • 37
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 107
  • 38
    Carl Zay, Goldau, S. 379
  • 39
    Carl Zay, Goldau, S. 379
  • 40
    Carl Zay, Goldau, S. 379
  • 41
    Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli, dem diese Annekdote von seiner Grossmutter erzählt wurde.
  • 42
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
  • 43
    Carl Zay, Goldau, S. 380
  • 44
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 112
  • 45
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
  • 46
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
  • 47
    Mündliche Auskunft Willi Dettling, Mühli
  • 48
    Thomas Fassbind, Religionsgeschichte, p. 30 recta
  • 49
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 175
  • 50
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 113
  • 51
    Carl Zay, Goldau, S. 329
  • 52
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 109
  • 53
    Carl Zay, Goldau, S. 108 -109
  • 54
    Carl Zay, Goldau, S. 369
  • 55
    Carl Zay, Goldau, S. 369 – 370
  • 56
    Carl Zay, Goldau, S. 370
  • 57
    Carl Zay, Goldau, S. 231
  • 58
    Carl Zay, Goldau, S. 370
  • 59
    Carl Zay, Goldau, S. 370
  • 60
    Carl Zay, Goldau, S. 370 – 371
  • 61
    Carl Zay, Goldau, S. 371
  • 62
    Ferdinand Niederberger, Unterstützung, S. 165
  • 63
    Carl Zay, Goldau, S. 371
  • 64
    Carl Zay, Goldau, S. 371
  • 65
    Carl Zay, Goldau, S. 371 – 372
  • 66
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 153
  • 67
    Carl Zay, Goldau, S. 232. Zay nennt auf dieser Seite den richtigen Hofnamen. Auf S. 372 steht fälschlicherweise Ober-Lindenmoos.
  • 68
    Carl Zay, Goldau, S. 232. Carl Zay widerspricht sich teilweise in den Namen und Altersangaben dieser Familie. Dorothea nennt er auf S. 232 Annemarie. Kaspar ist dort 7 Jahre und nicht 6 Jahre alt. Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 93 nennt die Frau Annemarie Appert.
  • 69
    Carl Zay, Goldau, S. 242
  • 70
    Victorinox AG, Das Messer und seine Geschichte, S. 121
  • 71
    Carl Zay, Goldau, S. 373
  • 72
    Carl Zay, Goldau, S. 373
  • 73
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S.
  • 74
    Carl Zay, Goldau, S. 373
  • 75
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 86
  • 76
    Carl Zay, Goldau, S. 373 – 374
  • 77
    Carl Zay, Goldau, S. 374
  • 78
    Martin Ulrich, Ratschlüsse, S. 88 und 89
  • 79
    STASZ, HA.IV.198.004, Nr. 36
  • 80
    Carl Zay, Goldau, S. 375